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freiwillige Verwendung eines französischen Arzres, vr. Bitterlin, kam er in das Lazareth der Pariser Vorstadt St. Maur les Fosses, welches in den Räumen eines von dem Orden der .,R6ÜAi6U868 äu 8t. Zaereinent" geleiteten Mädchenpensionats eingerichtet worden war. Die Aufnahme, welche er dort nicht bloß bei den als Pflegerinnen zurückgebliebenen Ordensschwestern, sondern auch bei den durchweg dem französischen Heere angehörenden Leidensgenossen fand, war eine in jeder Beziehung musterhafte und man muß es in dem Büchlein selber Nachlesen, wie der gefangene „Prussien" nach wenigen Stunden mit seinen französischen „Kameraden" auf so gutem Fuße stand, daß die pflegenden Schwestern dem dringenden Wunsche ihrer Landsleute nachgeben und den Landesfeind ans dem besonderen Zimmer, wohin er bereits verbracht worden war, wieder in den allgemeinen Krankensaal zurückführen mußten.
Insbesondere aber ist es eine dieser Ordensschwestern, die der Verfasser als seine „unvergeßliche, mütterlich besorgte Gönnerin und Pflegerin" verehrt, die Madame Ste. Rosine, in Friedenszeiten Oberhausverwalterin der Anstalt. „Es gab nichts, womit sie nicht versucht hätte, nur eine Freude zu machen und mich auszurichten. Wenn je einmal in der langen Zeit der Belagerung, so gänzlich vereinsamt, wie ich es war, mir Zweifel kommen wollten, ob denn auch alles ein gutes Ende nehmen würde, da las sie mir meine Sorgen vom Gesichte ab und verstand es immer, mich zu trösten." Auch um das leibliche Wohl ihres Pfleglings war sie mit rührender Sorgfalt bemüht. Aufs liebenswürdigste besorgte sie ihm Zeitungen, Schokolade, Brot, Lichter, Tabak und anderes; wenn auch nur eine kleine Heiserkeit eintrat, war sie alsbald mit Thee, Glühwein und allen möglichen Hausmitteln bei der Hand, und als nach Weihnachten die Barschaft des von dem Verkehre mit der Heimath fast gänzlich Abgeschnittenen zu Ende war, da nahm sie keinen Anstand, ihm „auf sein ehrliches Gesicht hin" 40 Franken vorzustrecken. Es ist rührend, alle die kleinen Liebesthaten im einzelnen zu lesen, die, je weiter die Noth an Lebensmitteln fortschritt, mit um so größeren Schwierigkeiten verknüpft waren; wie die getreue Pflegerin am Christfest dem sehnsüchtig des heimatlichen Weihnachtsbaumes gedenkenden Deutschen einen Kirschlorbeerzweig mit einem Lichte davor am Bette befestigt und ihm ein „Lotit-xain", ein „Brötchen", als besondere Weihnachtsgabe verabreicht; und wie sie in dem einzigen kritischen Augenblick, den die Erregung infolge der Beschießung für den deutschen Gefangenen brachte, ihm entschlossen zur Seite stand und ihn, ehe es zu schlimmen Gewaltthätigkeiten kommen konnte, rasch auf die Seite brachte. Man glaubt es dem Verfasser gern, daß ihm der Abschied aus diesem Hause nach Abschluß des Waffenstillstands, der ihm die Freiheit brachte, fast schwer wurde. Selbst der biederen Köchin des Hauses, Madame Pauline, ging die Trennung so nahe, daß sie das letzte Pferdefleisch-„Beefsteak", in jenem Augenblick noch ein seltener und vielbegehrter Genuß, ganz gegen ihre sonstige Gewohnheit jämmerlich verbrennen ließ.
Es ist gewiß, nur mit aufrichtiger Hochachtung vor jenen vortrefflichen Menschen, die unter den erschwerendsten Umständen das Gebot der Nächstenliebe so glänzend erfüllt haben, wird der Leser die Aufzeichnungen des württembergischen Feldsoldaten aus der Hand legen und ein Strahl von jener alle Völkerscheiden überwindenden Sonne der Humanität wird aus seinem Herzen ruhen. ----
Aal'sche und wahre Prophezeiungen. Es ist eine im Leben bedeutender Männer nicht ungewöhnliche Erscheinung, daß sie in ihrer Jugend gründlich verkannt werden und ihre Umgebung ihnen keineswegs glänzende Aussichten für ihr späteres Leben eröffnet. Der Heimgang Karl Hases, des großen Kirchenhistorikers und liberalen Theologen, der an: 3. Januar zu Jena starb, des „Burschenschafters aus dem theologischen Lehrstuhl", dessen Bild und Lebensabriß die „Gartenlaube" im Jahrgang 1880 gebracht hat, erinnert an ein Geschichtchen, welches der Verstorbene selbst in seinen liebenswürdigen Jugenderinnerungen „Ideale und Jrr- thümer" erzählt. Hases Vater, Pfarrer zu Steinbach am Abhang des Sächsischen Erzgebirges, war gestorben, als der kleine Karl eben 2^ Jahre alt war. Mit irdischen Gütern spärlich gesegnet, vermochte die Mutter ihre 7 Kinder nicht alle selbst heranzuziehen, und so nahm den Zweitjüngsten, eben unseren Karl, ein Freund des Vaters zu sich. Indessen auch dieser Pflegevater hatte kein Glück; er verlor in dem bösen Jahre 1806 sein Vermögen und so kam der Junge im 10. Jahre zu einem Bruder des Vaters nach Altenburg. Hier geschah es nun manchmal, daß Karl am Sonnabend eine schlechte Censur aus der Schule mit nach Hause brachte und bei dem guten Onkel und seiner Tochter, der wohlmeinenden, aber etwas rauh sich gebenden „Tante Fritzchen" in den Geruch eines Nichtsnutzes kam. Als im November 1812 — Hase war damals 12 Jahre alt -- der Onkel starb und für den Jungen abermals die Frage des Wohin? sich erhob, da meinte die Tante Fritzchen: „Siehst Du, nun ist der Vater todt: hättest Du etwas gelernt, so wärst Du was; so ist nichts aus Dir geworden."
Besser schon wurde Hase erkannt, als er nach seiner Begnadigung vom Asperg — welche zugleich seine Ausweisung aus Tübingen und dem Königreich Württemberg in sich schloß — sich von dem Tübinger Kanzler Autenrieth verabschiedete. „Sie können noch einmal mein Nachfolger werden," meinte der freundliche Mann. Aber „so hoch gingen meine Gedanken nicht", fügt der Erzähler dieser Erinnerung hinzu, „doch dachte ich: sie haben mich nun von drei Universitäten sortgejagt, sie sollen mich dafür aus drei berufen; was denn auch in nicht gar zu langer Zeit geschehen ist."
Am besten aber traf es jene Zigeunerin, die ihm eines Tages weissagte: „Du wirst bald erhöht werden." Ein paar Wochen drauf saß der „Staatsverbrecher" auf dem Hohenasperg. —
MMpprne Welser vor Kaiser Kerdrnand I. (Zu dem Bilde S. 89.) „Ihre Haut ist so zart, daß man den rothen Wein, den sie trinkt, durch ihren Hals gleiten sieht", so rühmten die Zeitgenossen von der Augsburger Bürgerstochter Philippine Welser, dem schönsten Mädchen der damaligen Welt. Und Kaiser Ferdinands I. Sohn, Erzherzog Ferdinand von Tirol, sah sie, als er mit seinem Vater und seinem Oheim, dem Kaiser Karl V., im Jahre 1547 einzog in die alte Reichsstadt, und es ergriff ihn eine Liebe zu dem wunderbaren Mädchen, gegen die kein Bedenken und ^ keine Furcht vor dem gestrengen Vater mehr aufkam. Wohl widerstand Philippine lange seinen glühenden Werbungen: erst 1550 ließ sie sich, wie es scheint, im Einverständniß mit ihren Eltern, heimlich zu Innsbruck mit dem Fürstensohne trauen. Aber über dem Glücke der Liebenden schwebte drohend der Zorn des kaiserlichen Vaters. Sechs Jahre lang blieb aller Verkehr zwischen ihm und dem Sohne unterbrochen: da endigte Philippine durch eine kühne That den unseligen Zwist.
Sie zieht mit ihren zwei Kindern nach Prag, wo der Kaiser sich aufhält. Unerkannt mischt sie sich bei der nächsten Audienz unter die Reihen der Bittenden, unter fremdem Namen trägt sie dem Herrscher das bittere Leid vor, das sie von einem harten Schwiegervater erdulde. Und sie entlockt dem alten Manne eine Thräne der Rührung, bei seinem kaiserlichen Worte verheißt er, ihr Recht zu schaffen — da giebt sich Philippine zu erkennen, und die gewaltige Macht ihrer engelgleichen Schönheit, die liebliche Unschuld ihrer reizenden Kinder siegen über den anssteigenden Grimm des Getäuschten. Er weist die Versöhnung nicht mehr zurück und wenn auch die Ehe Ferdinands und Philippinens noch eine Reihe von Jahren geheim bleiben muß, so ist doch der schwere Bann von ! ihnen genommen, und in stillem Glück leben die Gatten fortan in den ! schönen Räumen des Ambraser Schlosses bei Innsbruck. ^
Der Maler hat den Augenblick dargestellt, in welchem der Kaiser, überwältigt von dem Anblick, der sich ihm bietet, und hingerissen von den Empfindungen, welche die holde Frau durch ihre Worte iu ihm geweckt hat, tiefsinnend zurückgesunken ist auf seinen Stuhl. Scheu blicken die blühenden Enkelkinder empor zu dem erschütterten Manne, in welchem sie zum erstenmal den Großvater erschauen.
Erst 1564, nach dem Tode Kaiser Ferdinands I., wurde die Ehe auch öffentlich anerkannt und Philippine zur Markgräfin von Burgau ernannt, ein Name, der auch auf ihre Kinder überging. —
An südlichen Gestaden. (Zu dem Bilde S. 97.) Sie ist überall gleich, die stumme wortlose Sprache der Liebe, ob der dunstverhüllte kühle nordische Himmel sich über sie spannt, oder der Süden seine azurne Herrlichkeit über ihr leuchten läßt. Sie wird überall gesprochen und überall verstanden.
Im fernen Süden ist's, au wogenumspülter Küste. Ein schmales Vorgebirge zieht sich hinaus in das Meer und trägt auf seiner Spitze ein altes Tempelchen, das griechischer Schönheitssinn der meerentstiegenen ! Göttin erbaut. Hell und freudig sind die Töne dieser begnadeten Landschaft und nur vereinzelt dämpfen Oelbäume das Helle Licht; düstere - Cypressen ragen schlank zum Himmel empor, und aus ihreu Zweigen rauschen ernste Gedanken.
Aber das Paar aus unserem Bilde, das versunken ist in die stumme Zwiesprache der Liebe, es schaut nicht hinauf zum blauenden Himmel, nicht auf die leuchtenden Töne der Felsen, es lauscht nicht dem Plätschern der Wogen und dem Säuseln des Seewindes, es verlangt nicht nach dem Schatten des Oelbaumes und hört nicht auf das ernste Flüstern der Cypressen. In stiller Frage reicht der Jüngling der Freundin die Blume und Antwort suchend hängt sein Auge an dem ihren — und alle Herrlichkeiten der Natur rings um sie her werden nur unbewußt von ihnen empfunden, sie sehen und zergliedern sie nicht, sie fühlen sie nur als ein Ganzes, als eine köstliche Harmonie, in der ihre Seelen voll Wonne sich wiegen und beglückt sich hingeben an den seligen Traum der Jugend und Schönheit. — Jer älteste Blitzableiter. Das Jahr 1749 wird gewöhnlich als dasjenige angesehen, in welchem Benjamin Franklin den Blitzableiter erfunden hat. 1762 wurde dann der erste Blitzableiter in England, 1769 der erste in Deutschland zu Hamburg am Jakobithurm errichtet. Seltsamerweise wird aber schon im 14. Jahrhundert der Vorschlag gemacht, die angebliche schädliche Einwirkung des Blitzes auf die Hühnereier durch einen aufwärts gekehrten spitzigen eisernen Nagel — also einen Blitzableiter — abzuwehren. In dem zwischen 1346 und 1349 geschriebenen „Buch der Natur" von Conrad von Megenberg findet sich nämlich folgende Stelle: „Ez verderbent auch die prutayer dicke (oftmals) von einem gähen donr, oder von des Habichs stimme. Jdoch hat man ein chunst dawider, daz in (ihnen) der donr iht (nicht) schad: der ainen spizzen, eysnen nagel nimmt, und legt in twehrs (quer) zwischen die ayr, oder inwendig (inmitten) setzet den nagel auf gerichtet: so schadet in (ihnen) der Toner nicht." Uebrigens sollen schon die alten Aegypter Kenntniß von Vorrichtungen zur Ableitung der Blitzgefahr gehabt haben.
Kleiner Briefkasten.
I. A. S., Tucson. Nicht geeignet. Sie wollen freundlichst über das Manuskript
Blüthen: Lichtbilder aus'dem Kriege von 1870 . S. 99 . — Falsche uiid^ wahre Prophezeiungen. S. 100 .— Philippine Welser^ vor Küiser Ferdinand^!. ^S. 100 .' Zur Illustration S. 89 . — An südlichen Gestaden. S. 100 . Zur Illustration S. 97 . — Der älteste Blitzableiter. S. 100 . — Kleiner Briefkasten. S. 100 .
Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil's Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.
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