Heft 
(1890) 11
Seite
180
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der fürstliche Verfasser daher als geschichtlich betrachtet, führt er uns eine Reihe der wichtigster: vor, bei denen allen er selbst theils als Augenzeuge zugegen, theils als Vermittler und Rathgeber mitthätig war, theils endlich selbständig mit bedeutsamen Anregungen vorging. Es ist von selbst einleuchtend, daß kein anderer Berichterstatter aus jener Zeit in der Lage war, gleichverbürgte Mittheilungen über die Strömungen in den höchsten, den Ausschlag gebenden Kreisen, über die Ansichten der Monarchen selbst und ihrer einflußreichsten Berather zu machen; so enthalten denn auch diese Denkwürdigkeiten eine Menge der werthvollsten Aktenstücke, die sonst dem Geschichtschreiber wohl unzugänglich geblieben wären: Briefe des Königs Wilhelm von Preußen, in denen sich die Umsicht, Klarheit, Festigkeit und liebenswürdige Freundlichkeit des späteren deutschen Kaisers abspiegelt; Briefe des Prinzen Albert, die, mit Geist und Schärfe abge­faßt, Schlaglichter aus die damaligen englischen Zustände werfen, und der Königin Viktoria, welche ihrem Schwager stets das vollste Vertrauen ent­gegenbrachte. Die zahlreichen Briefe des Königs von Belgien zeugen von der politischen Weisheit dieses Fürsten, der mit Recht als eine Art von Orakel galt. Nimmt man hinzu, daß der Herzog wiederholt mit dem Kaiser Napoleon und dem Kaiser Von Oesterreich Unterredungen hatte, welche wichtige Fragen der Tagespolitik betrasen, so wird man ihm unter den Geschichtschreibern jener Tage unbedingt einen ganz hervor­ragenden Rang einräumen müssen.

Der dritte Band umfaßt ungefähr das Jahrzehnt von 1860 bis 1869 und beginnt mit Darstellung der Vermittelung des Herzogs bei den preußi­schen Verfassungskämpfen und seiner Anwesenheit bei dem Fürstentag in Baden, von dem er uns eine eingehende Schilderung entwirft. Die Streiflichter, die auf Kaiser Napoleon fallen, lassen denselben keineswegs in einem ungünstigen Licht erscheinen. Der Herzog verfehlte nicht, ihn aus das Erstarken des deutschen Volksbewußtseins nachdrücklich hinzuweisen. Ergötzlich ist die Anekdote, wie der nervös abgespannte Kaiser durch ein starkes Gewitter, welches beim Frühstück der versammelten Fürsten hereinbrach, so betroffen wurde, daß man ihn beruhigen zu müssen glaubte und er wiederholt und in der unbehaglichsten Stimmung erklärte, er erinnere sich nicht, etwas so Schreckliches je erlebt zu haben. Der Herzog von Gotha als Schutzherr des Nationalvereins wurde von den vier anwesenden Königen, welche beim Prinzregenten von Preußen Anklagen gegen diesen Verein richteten, mit mißtrauischen Augen angesehen. Die Antworten, die er später auf seine an die vier Fürsten gerichteten Briefe erhielt, sind (benso charakteristisch für die Anschauungen derselben wie in ihrer ver­schiedenartigen Fassung für ihre persönliche Eigenart.

Bei allen nahen Beziehungen zum preußischen Hose war des Herzogs Verhalten doch auch dort mehrfach Mißdeutungen ausgesetzt, welche indeß bald durch seine Erklärungen und des Königs Entgegenkommen beseitigt wurden. Dies gilt namentlich von dem Auftreten des Herzogs bei dem Frankfurter Schützenfest, 1862, dessen Bild durch allerlei Berichte vielfach entstellt und verzerrt worden ist. Herzog Ernst wohnte im einfachen Schützenkleide als Ehrenpräsident des Schützenbundes der Feier und dem Festzuge bei und sprach bei der Uebergabe der Fahne an die Stadt Frank­furt begeisterte Worte, die ein stürmisches Echo fanden; er mahnte,tren zu stehen beim Vaterlande und seines Rufes gewärtig bei wehrhaftem Bunde waffengeübt zu werden". In Berlin wurde er angeklagt, in Frankfurt die zahlreich anwesenden Mitglieder der Opposition in ihrem Widerstand gegen die Regierung bestärkt zu haben, und der König selbst schrieb ihn: in dieser Angelegenheit. Das Mißverständniß löste sich so­gleich durch die Antwort des Herzogs, für welche der König seinen besten Dank sagte, indem er hinzufügte:Daß ich momentan an eine solche Handlung Deinerseits glauben konnte, wirst Du nicht ganz unbegreiflich finden, wenn Du Dir alles zurückrufen willst, was in Frankfurt gesprochen und gedruckt worden ist."

Auch des Herzogs Anwesenheit und Auftreten bei dem Frankfurter Fürstenkongreffe 1863 fand nicht ungetheilte Anerkennung in Berlin, da er zwischen dem österreichischen und preußischen Standpunkte zu vermitteln suchte. Die eingehende Schilderung dieses Kongresses ist einer der werth­vollsten Theile des Werkes. Niemand konnte berufener dazu sein als der Herzog, der ja zu den dort tagenden Fürsten gehörte. Der Leitung der Versammlung durch den Kaiser von Oesterreich läßt er die vollste Anerkennung zutheil werden. Als einen der spannendsten Augenblicke der Berathung schildert er denjenigen, in welchem die Fürsten zurück­blieben, nachdem der Kaiser von Oesterreich den Saal verlassen hatte mit der Erklärung, das Recht Oesterreichs auf das Präsidium im Bunde müsse auch in Zukunft aufs allerbestimmteste gewahrt werden. Mit der Annahme dieses Artikels 5 der Vorlage war das Schicksal des Fürsten­kongreffes besiegelt.

Allen andern Staaten des Bundes voran ging Herzog Ernst durch den Abschluß seiner Militärkonvention mit Preußen, ein Vorgang, der zunächst keine Nachfolge fand, und durch die Anerkennung des Augusten- burgers nach dem Tode des dänischen Königs Friedrich VII. Die schon früher durch die That bewährte Theilnahme für Schleswig-Holstein be­wies der Herzog von neuem, indem er zwei seiner besten Beamten der Regierung des Augustenburgers zur Verfügung stellte und sich bei dem Bunde und den deutschen Fürsten fortwährend für seine Sache ver­wandte, obschon er keineswegs mit allem einverstanden war, was seitens der vergeblich um ihre Anerkennung kämpfenden Regierung beschlossen wurde.

Wir können hier dem inhaltvollen Werke nicht durch alle Windungen und Wendungen der darin geschilderten politischen Verwicklungen folgen. Als es zum Bruch zwischen Oesterreich und Preußen kam, da schloß sich der

Herzog seinem Kriegsherrn, dem König von Preußen, an und fand bald nach Beginn der Feindseligkeiten Anlaß, sich am Kampfe gegen die Hannove­raner bei Langensalza mit seinen Truppen zn betheiligen, lieber die Verhandlungen, die dem blutigen Treffen vorausgingen, giebt er eine Auskunft, die um so willkommener sein wird, als bisher über dieselben ein noch ungelichtetes Dunkel herrschte.

Als ein anmuthendes Zwischenspiel zwischen den schwerwiegenden Ver­handlungen der Kabinette und den kriegerischen Thaten der Heere schiebt sich die afrikanische Reise des Herzogs ein, die denselben nach Massaua und Keren in die Vorgebirge von Abessinien führte, in jene Gegenden, welche jetzt Italien in seinen Machtkreis gezogen hat. Die Schilderung der Reise, der Jagdabenteuer, der Naturbilder und Volkssitten ist überaus lebendig.

So erweisen sich die Denkwürdigkeiten des Herzogs Ernst, die über­dies in einer vortrefflichen, ebenso durchsichtigen wie lebensvollen Dar­stellungsweise abgefaßt sind, als einer der werthvollsten Beiträge zur Geschichte dieses Jahrhunderts. Ritterlich, geistvoll, thatkräftig tritt uns das Bild des Fürsten selbst daraus entgegen, der in Wort und That immer einer der mannhaftesten und unermüdlichsten Vorkämpfer der deutschen Einheit war, für die er stets seine ganze bedeutende Persön­lichkeit einsetzte. ß

Ire Kapelle an der Gotthard-Straße. (Zu dem Bilde S. 165.) Bevor die Masse des St. Gotthardgebirgs durch die Gewalt neuzeitlicher Technik durchbohrt wurde, um den Süden mit dem Norden durch den Schienen­strang zu verbinden, war der Uebergang über den Berg oft mit den größten Mühseligkeiten, ja mit Lebensgefahr verknüpft. Der Winter mit seinen Schneemaffen und Stürmen forderte jedes Jahr seine Opfer, die Lawinen begruben oft ganze Karawanen von Menschen und Thieren in Schnee und Schutt. Es gab eine Zeit, da allein der alte rohe Saumweg hinüber- sührte, Schutzhäuser und Galerien noch nicht vorhanden, die Wanderer aus sich selbst und ihr Glück angewiesen und dem Unwetter aus diesen unwirtlichen Höhen hilflos preisgegeben waren. Erst später, inr Jahre 1431, wurde zum Schutze der auf das Coneil nach Basel ziehenden Bischöfe und Prälaten auf der Paßhöhe eine Herberge errichtet. Im Jahre 1799 aber, als Suworow seinen berühmten Uebergang über den Gotthard gegen die Franzosen erkämpfte, da wurde das alte Hospiz zerstört und das Holz zur Feuerung verwendet.

Zu Anfang dieses Jahrhunderts wurde die neue Kunststraße von den schweizerischen Kantonen Uri und Tessin hergestellt; wohl blieb auch jetzt noch im Winter und Frühling die Reise nicht ungefährlich, aber der Verkehr steigerte sich doch ganz gewaltig, so daß die Gotthardstraße der be­gangenste aller Alpenübergänge wurde. Die Postwagen und andere Fuhrwerke beförderten eine Menge Reisende und Waren, zahlreiche Fuß­wanderer zogen herüber und hinüber, viele Hunderte von unbemittelten Reisenden wurden in dem Hospiz auf der Paßhöhe kostenfrei verpflegt und mit Kleidungsstücken versehen. Die größte Anhäufung im Fremden­spital fiel unstreitig in die Zeit des Tunnelbaues 1872 bis 1880; jährlich wurden 16- bis 18000 arme Durchreisende genährt und gepflegt und zwar meistens aus dem Ertrag von milden Beisteuern. Trotzdem konnten selbstverständlich Todesfälle durch Erfrieren, Ermattung re. nicht verhindert werden. Die ausgesundenen Todten wurden bis zur Feststellung der Persönlichkeit und bis zur Beerdigung, die sich oft lang verzögerte, in der kleinen Kapelle niedergelegt, welche unsere Abbildung zeigt. Die dünne kalte Luft in dieser Höhe (2100 m) leistet der Verwesung Wider­stand. Nicht weit vom Hospiz, aus einem großen Granitfelsen, steht noch diese Todtenkapelle; wohl wird sie heute nicht mehr benutzt, aber sie bleibt doch ein warnendes Zeichen für den Wanderer, sich selbst nicht zu viel zuzutrauen.

Ire KokkswrrthschafLstehre soll neuerdings in den öffentlichen Volks­schulunterricht ausgenommen werden. Einen solchen Vorschlag macht Jende in denDeutschen Zeit- und Streitfragen" sVerlagsanstalt u. Druckerei A-G. (vorm. I. F. Richter), Hamburgs. Er geht von dem Grundsätze aus, daß bei den wirthschastlichen Verhältnissen der Gegenwart der kleinste Geschäftsmann, ja der einfache Arbeiter daraus angewiesen sei, ein kleiner Volkswirth und Finanzmann zu sein. Es unterliegt Wohl keinen: Zweifel, daß bei geeigneter Stoffauswahl für ländliche Verhältnisse und städtische Fortbildungsschulen damit ein wünschenswerther Fortschritt in der Volks­bildung erzielt würde. Klarheit über solche Begriffe wie Arbeit, Kapital, Preis, Geld, Kredit, Papiergeld, Grundrente, Arbeitslohn, Versicherungen, Unternehmergewinn ist heutzutage für jeden unentbehrlich, der im großen Getriebe unseres wirthschastlichen Lebens mitthätig ist. Der Lehrer halte sich an das Nächste, und er wird Verständniß und Aufmerksamkeit finden, ß

Werlilgung der Kreuzotter. Vor einigen Jahren haben wir wieder­holt in derGartenlaube" darauf hingewiesen, daß in Deutschland so wenig geschehe, um die einzige Giftschlange unserer Heimath, die Kreuz­otter, auszurotten. Wie dies anderwärts geschehen, haben auch wir den Vorschlag gemacht, die Behörden möchten Preise für getödtete Kreuzottern aussetzen. Der Vorschlag ist nicht unberücksichtigt geblieben, und unseres Wissens sind namentlich in Sachsen einige Gemeindebehörden mit guten: Beispiel vorangegangen und haben Preise von je 50 Pfennig bis 1 Mark für abgelieferte todte Kreuzottern ausgesetzt. Aus den in Tageszeitungen zerstreuten Berichten konnte man erfahren, daß infolge dessen Hunderte von Kreuzottern vernichtet wurden. Dieses gute Beispiel möchten wir auch anderen Gemeinden, in deren Bezirk die Giftschlange heimisch ist, zur Nachahmung empfehlen; denn die Unfälle, welche durch den Biß der Kreuzotter verursacht werden, sind zahlreicher, als man im allgemeinen anzunehmen pflegt. *

Inhalt: Flammenzeichen. Roman von E. Werner (Fortsetzung). S. 165. Scharf beobachtet. Bild. S. 169. Sklaverei und Sklavenhandel in Afrika. Von Dr. Emil Jung. S. 170. Mit einer Karte S. 171. Quitt. Roman von Theodor Fontane (Schluß). S. 173. Der Besuch. Bild. S. 173. Ungedruckte Briefe Fritz Reuters. I V. S. 176. Reisende Brieftauben. Von bw. Karl Ruß. S. 179. Mit Abbildung S. 177. Blätter und Blüthen: Denkwürdigkeiten des Herzogs Ernst von Sachsen Coburg-Gotha. S. 179, --- Die Kapelle an der Gotthardstraße. S. 180. Mit Abbildung S. 165. Die Volkswirthschaftslehre in der Volksschule. S. 180. Vertilgung der Kreuzotter. S. 180.

Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Krön er. Verlag von Ernst Keil's Nachfolger in Leipzig. Lwuck von A. Wiede in Leipzig.