Heft 
(1890) 14
Seite
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! seine am meisten breitgetretenen Pfade bieten demjenigen, der wirklich

t Arbeiten will, den weitesten Spielraum, zu streben, und Platz, sich zu

- entwickeln. Der Weg, der den Menschen zur Wohlfahrt führt, ist die alte

-Heerstraße unerschütterlichen Wohlverhaltens und guter Handlungen, und wer am beharrlichsten ist und am treuesten arbeitet, wird gewöhnlich auch am glücklichsten sein. Man hat das Glück oft wegen seiner Blindheit ge- - , -tadelt' aber das Glück ist nicht so blind wie die Menschen. Wer ins ^

praktische Leben blickt, wird finden, daß das Glück meist auf Seite der ^ n Strebsamen ist, wie der Wind und die Wogen den besten Schissen zur !

^ Seite stehen." , !

In diesen Zeilen liegt der ganze Sinn von Smiles' Schriften klar !

ff zu Tage. Er eifert dagegen, daß man das Leben als ein Lottospiel auf- !

fasse; der Mensch ist seines Schicksals Schmied, und wer glücklich sein ! will, der braucht es nur richtig anzugreifen. Selbst ist der Mann! Das muß man sich stets vor Augen halten und dann wird man siegreich durch alle Prüfungen gehen und sogar aus dem Unglück Nutzen ziehen, indem , man von ihm zu lernen sucht. Dem festen Wollen ist nichts unerreichbar. Zu den obersten Regeln gehört es dabei, den Werth der Zeit und des Geldes richtig zu schätzen; erstere wie letzteres muß man richtig zu ver­wenden wissen, sonst reichen beide nicht aus. Smiles beruft sich auf einen namhaften Naturforscher immer wieder greift er auf die lebendigen Beispiele zurück und äußert sich:Sein Leben bewies aufs klarste die Wahrheit, daß, wer am meisten zu thnn hat und arbeiten will, immer Zeit dazu findet."

Von der Sparsamkeit sprechend, die er aber nicht mit Knauserei ^ verwechselt sehen will, erinnert er an Or. Johnsons Ausspruch:Man ! fasse den Entschluß, nicht arm zu sein; man gebe stets weniger aus, als ! man hat." '

Aus Eigenem giebt Smiles derselben Lehre folgende Fassung:Die ! Klugheit gebietet, lieber seine Lebensweise auf etwas niedrigerem Fuße j Ginzurichten, als genau auf dem, welchen die Einnahmen gestatten." !

Die Sparsamkeit, betont er, fördert die Unabhängigkeit, der Schuldner z ist ein Sklave, das Schuldenmachen eine Abart von Unehrlichkeit . . . - Wer nicht verschwenderisch und nicht knauserig ist, sondern vernünftig zu ! sparen weiß, der hat den Weg der Selbsthilfe beschritteu, der erfüllt i

seine Pflicht und befindet sich auf dem Wege, seinen Charakter zu vervollkommnen das ist der Gedankenring, der feine vier Hauptbücher Sparsamkeit",Selbsthilfe",Pflicht" undCharakter" umschließt.

Als Beitrag zur Kennzeichnung unseres Moralphilosophen und auch als Antwort auf Fragen nach seinem bisherigen Lebenslaufe mag zum Schlüsse dieser flüchtigen Skizze das Wichtigste aus einem Briefe ange­führt sein, den Samuel Smiles er lebt in Kensington bei London vor etwa 4 Jahren au mich gerichtet hat: .

Während desjenigen Theiles meines Lebens, da ich am beschäftigtsten war, arbeitete ich als Sekretär zweier Eisenbahngesellschaften, und nur während meiner abendlichen Mußestunden schrieb ich die Bücher, die mich auch irr Deutschland bekannt gemacht haben. Ich wurde fünfundvierzig Jahre alt, ehe das Publikum mir die Ehre erwies, eines meiner Bücher zu lesen. Es war dies die Geschichte George Stephensons, des Erfinders der Eisenbahnlokomotive. Dieses Werk hatte Erfolg und erlebte fünf Auflagen innerhalb dreier Jahre. Mittlerweile hatte ich , Selbsthilfe' ge­schrieben, konnte aber keinen Verleger dafür finden. Ich veröffentlichte es auf meine eigenen Kosten, und feither sind in England 160 000 Exemplare verkauft worden, wie viele in Amerika, das weiß ich nicht, weil es dort auf dem Wege unbefugten Nachdruckes verbreitet wurde. Uebersetzt wurde es ins Deutsche, Holländische, Dänische, Norwegische, Schwedische, Franzö­sische, Spanische. Russische, Böhmische, Kroatische, Türkische, Japanische und in einige indische Dialekte, wie Tamil und Marathi. Während. ich meine Thätigkeit als Beamter fortsetzte, schrieb ich das ,Leben der In­genieure', die .Biographie von Industriellen', die .Hugenotten' und den ,Charakter'. Da wurde ich durch die Natur daran erinnert, daß ich mich überarbeitet hatte. Eine Lähmung warf mich nieder, und fünf Jahre ließ ich die Feder ruhen. Dann zog ich mich vom Amte zurück und erholte mich so weit, daß ich wieder einige Bücher schrieb, die mit ungewöhnlichem Wohlwollen ausgenommen wurden . . . Mein Leben geht nun dem Ende entgegen. Nächstens trete ich in mein vierundsiebzigstes Jahr. Seit zweiundvierzig Jahren bin ich verheirathet und habe Kinder und eine Menge Enkel. Im ganzen habe ich ein glückliches Dasein geführt. Ich war immer arbeitsam und ausdauernd, und darin, glaube ich, liegt eines der Geheimnisse des menschlichen Glückes." Z-erdinand chroß.

Wtcitter und Wt'ütben.

Are Ghatiferrgräber zu Kairo. (Zu dem Bilde S. 233.) Eine merkwürdige Stadt erstreckt sich im Südosten Kairos um den Fuß des Mokattamberges, eine Gräberstadt voll prächtiger Grabmale, Moscheen und Minarets. Es sind die sogenanntenChalifengrüber", kunstvolle Mausoleen, welche sich die Mamelukensultane hier erbaut haben, jene gewaltthätigen Herrscher, die 550 Jahre bald mehr bald minder unum­schränkt über Aegypten geboten und deren Macht erst 1799 in derSchlacht «an den Pyramiden" der Kriegskunst Napoleons I. erlag.

Heute freilich sind diese stolzen Zeichen einstiger Größe stark im Verfalle begriffen. Das zeigt auch das Bild des Malers Perlberg, das wir heute unfern Lesern vorführen. Prächtig ragen an dem zunächst liegenden Grabdenkmale der erhabene Kuppelbau, das schlanke, reich verzierte Minaret zum Himmel empor; aber an dem Fuße des letzteren hat der nagende Zahn der Zeit schon so viel Mauerwerk abgebröckelt, daß fast ein Drittel des mächtigen, sonst noch ziemlich unversehrten Thurmes ohne Unter­lage frei in der Luft schwebt. Wie lange wird es dauern, bis das schlanke Bauwerk Umstürzen und die kleinen Hütten der armen Fellahin, die sich in seiner Nähe angesiedelt haben, unter seinen Trümmern begraben wird. Der Künstler hat es verstanden, die Straße dieser zeitweise so öden Gräberstadt reizvoll zu beleben. Rechts im Vordergrund hat vor der armseligen Hütte eines Geflügelhändlers ein kaffeeschenkender Moslem ein buntfarbiges, schon ziemlich zerfetztes Zeltdach aufgeschlagen, unter welchem einige Araber auf dem Boden Platz genommen haben, um sich an dem braunen Lieblingsgetränk zu laben.

Vor ihnen, den arabischen Gästen zugewandt, hat ihr Diener mit den bepackten Kamelen Halt gemacht und wartet geduldig, bis die Gäste sich zur Fortsetzung der unterbrochenen Wanderung wieder von dem sandigen Boden dieser Kaffeeschänke einfachster Art erheben. Ihr gegen­über in der anderen Ecke des Bildes bemerken wir eine nicht minder- malerische Gruppe von Obst- und Taubenhändlern, zu welchen sich eine tiefverschleierte ägyptische Frau, den Wasserkrug auf dem Kopfe tragend, gesellt hat, während im Hintergrund der Straße eine heranziehende Kara­wane durch die aufwirbelnden Staubwolken hindurch sichtbar wird.

Unmittelbar hinter dem Friedhofe der Könige beginnt die syrische Wüste, und oft in der Nacht, wenn tiefe Stille über der Todtenstadt liegt und der Mond und die ewigen Sterne mitleidig auf die verfallenden Riesen­gräber jener Mamelnkenfürsten herabblicken, tönt das heisere Geheul der . Schakale aus der dürren Ebene herüber, als ein trauriges Schlummerlied für die vermodernden Beherrscher Aegyptens , welche einst diese großen und herrlichen Mausoleen erbauten. George Morin.

Kand- und Zungenfertigkeit sind uns ganz geläufige Dinge, die uns im Leben oft Nutzen oder Schaden bringen, über die wir uns freuen oder ärgern je nachdem! Ueber meinem Arbeitszimmer rast gerade eine schöne zarte Hand unbarmherzig auf den elfenbeinernen Klaviertasten, ich aber erdulde, um mit dem Afrikaforscher vr. Junker zu reden, einen schwachen Theil der vielen Leiden und Greuel wieder, welche der Elfenbeintransport im dunklen Welttheil verursacht hat, und ich erliege

der Fertigkeit einer schwachen Damenhaud. Aus derMelodie", die zu mir heruntertönt, kann ich herausrechnen, daß die Dame, einegeübte" Hand hat und dieselbe mindestens 360 mal in einer Minute oder sechsmal in der Sekunde beugen kann. Das ist gewiß eine hübsche Fertigkeit, aber die Finger sind mitunter nochfertiger" als die Hand, und unter ihnen steht der Mittelfinger in dieser Hinsicht obenan; denn ein geübter Violin­spieler kann den der linken Hand in einer Sekunde zehn Mal bewegen.

Wir bewundern solche Kunstfertigkeiten, aber bewundernswerther ist noch die Zungenfertigkeit. Ein Laut der menschlichen Sprache erscheint sehr- einfach, aber um ihn hervorzubringen, muß eine ganze Reihe von Muskeln im Kehlkopf, in der Zunge, in den Lippen re. in Bewegung gefetzt werden. Ein Physiologe hat sich selbst beobachtet und gefunden, daß er einen Hexa­meter, der aus 45 Buchstaben bestand, deutlich in zwei Sekunden hersageu konnte, und er rechnete heraus, daß, um jeden Buchstaben auszusprechen, das heißt um die jedesmal nothwendige Gruppe von Muskeln in Be­wegung zu setzen und diese Bewegung abzuschließen, nur der winzige Zeitraum von 6,044 Sekunden erforderlich war. Es giebt aber noch ge­übtere Zungen und gelefikigere Sprachwerkzeuge, die einen noch tolleren Muskeltanz in einer einzigen Sekunde hervorzuzaubern vermögenund diese würden gewiß unerträglich sein, wenn nicht die weise Natur ihrer Leistungsfähigkeit in der Ermüdung eine Grenze gesetzt hätte. *

Blitzschläge in Gas- und Wasserleitungen. Für die Verhütung der Blitzgefahr ist es von hoher Bedeutung, das Verhalten des Blitzes Gas- und Wasserleitungen gegenüber genauer, als das bisher der Fall war, kennen zu lernen. Da die weitverzweigten Röhrensysteme als Ableiter dienen, so verlaufen die meisten Blitzschläge in dieselben gefahrlos und gelangen darum selten zur öffentlichen Kenntniß. DerElektrotechnische Verein" in Berlin hat nun feiner Zeit einen Unterausschuß für die Unter­suchungen über die Blitzgefahr eingesetzt und dieser hält es für sehr wichtig, Beschreibungen von Fällen der oben erwähnten Art zu sammeln. Es wird darum öffentlich ersucht, Mittheilungen über solche Blitzschläge an Prof, vr. von Bezold, im Königlichen Meteorologischen Institut, Berlin IV., Schinkelplatz Nr. 6, zu senden. *

Desinfektion der Personenwagen. Leser sind durch den

ArtikelGesundheitspflege und Eisenbahnverkehr" im vorigen Jahrgang derGartenlaube" (Seite 488) darauf aufmerksam gemacht worden, wie viel in Bezug auf Verhütung von Ansteckung durch die Eisenbahn noch zu thun ist. Ein gutes Beispiel hat die nordamerikanische Pennsylvania­bahn gegeben, indem sie verschiedene sehr beachtenswerthe Vorsichtsmaß­regeln angeordnet hat. Es müssen nämlich die Personenwagen wenigstens einmal wöchentlich von Grund aus gereinigt, desinfiziert und der Kehricht daraus muß, soweit möglich, verbrannt werden. Große Vorsicht wird ferner angewendet bei Erneuerung des in allen amerikanischen Per- fonenzügen vorhandenen Trinkwassers; es sind Einrichtungen getroffen, um solches vorher zu kochen. Wird ein Fall einer ansteckenden Krankheit festgestellt, so ist der betreffende Wagen sofort auszusetzen und gründlich zu durchräuchern.

Inhalt: Madonna im Rosenhag. Roman von Reinhold Ortmann. S. 221. Die Störche sind da. Bild. S. 221. Herzkrank? Bild. S. 224 und 225. Bilder aus dem Landsknechtsleben. Von H. Bauer. S. 228. Mit Abbildungen S. 228, 229 und 230. Flammenzeichen. Roman von E. Werner (Fortsetzung). S. 231. Die Chalifen- graber zu Kairo, Bild. S. 233. Uralte Erbstücke. Eure kulturwissenschaftliche Skizze von vr. Gustav von Buchwald. S. 234. Nachgelassene Gedichte von Gottfried Kinkel. S. 237. Samuel Smiles. Ein Herold der Selbsthilfe und Pflichterfüllung. Mit Bildniß. S. 239. Blätter und Blüthen: Die Chalisengräber zu Kairo (zu dem Bilde S. 233). Bon George Morin. S. 240. Hand- und Zungenfertigkeit. S. 240. Blitzschläge in Gas- und Wasserleitungen. S. 240. Desinfektion der Personenwagen, S. 240.

Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröne r. Verlag von Ernst Keil's Nachfolger in Leipzig. Lrnck von A. Wiede in Leipzig.