Heft 
(1890) 25
Seite
428
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WMtter und WLÄLHen.

Gm Jahrbuch der Matur. Ein unbeschreiblicher Zauber liegt in dem Wechsel der Jahreszeiten unserer gemäßigten Zone. In stetigem Wandel zieht an uns das organische Leben in allen seinen Erscheinungen vorüber: Leben und Tod, Schlummer und Erwachen fesseln das Auge und regen den Geist zur Beobachtung an. Auch die Natur hat ihren Kalender, ihre hohen Feste und ihre Trauerzeiten, und ein großer Theil unserer mensch­lichen Feste hängt mit diesen Naturerscheinungen zusammen. Die große Masse des Volkes vermag jedoch nur die Haupterscheinungen festznhalten, den Einzelheiten kann sie nicht folgen; denn scheinbar zu groß ist die Zahl derselben. So beschränkt sich ein jeder auf die Beobachtung derjenigen Erscheinungen, die seinem Berufskreise am nächsten liegen. Dadurch geht aber der große Bortheil verloren, den uns ein allgemeiner Ueberblick über alle Naturerscheinungen bietet. Naturforscher, welche die Wissenschaft volks- thümlich darznstellen suchten, waren darum von jeher bestrebt, das heimische Naturleben im Kreislauf des Jahres in dessen Allgemeinheit der großen Masse der Naturfreunde vorznführen, und wir verfügen über einige treff­liche Werke, welche diesen Zweck erfüllen, wie z. B. die unvergleichlichen Vier Jahreszeiten" von Roßmäßler. Bis jetzt fehlte jedoch eine Dar­stellung dieses anziehenden Stoffes nach den Monaten. Sie ist nicht so leicht zu geben, denn die Natur hält sich nicht immer an die Termine des gedruckten Kalenders: die Jahreszeiten treten bald früher, bald später ein, und die Blüthezeit der Pflanzen, die Wanderzüge der Vögel, die Erscheinungen des Lebens in dem großen Heere der Insekten lassen sich nicht in engen Kalendergrenzen bestimmen. Man muß bei einer solchen Arbeit einen Kompromiß zu schließen suchen zwischen dem freieren Walten der Naturkräfte und den festen Schranken des bürgerlichen Jahres. Daß dies trotz aller Schwierigkeiten möglich ist, beweist uns ein neues Werk von Dr. Karl RußDas heimische Naturleben im Kreislauf des Jahres. Ein Jahrbuch der Natur" (Berlin, Robert Oppenheim). Es ist sozusagen ein immerwährender Naturkalender, in welchem alles aufgeführt wird, was in unserer Heimath während der einzelnen Monate im Pflanzen- und Thierreich sich ereignet, und in dem auch die menschliche Thätigkeit im Zusammenhang mit der Natur: Jagd, Vogelschutz, Forstwirthfchaft, Fischerei, Thierzucht, Gärtnerei re. berücksichtigt wird. Ein solches Werk ist bis jetzt noch in keiner Litteratur erschienen, und vr. Karl Ruß ist es ge­lungen, ein Buch zu schaffen, für das ihm ein jeder Naturfreund dankbar sein muß, und das als echtes Volksbuch in jeder Familie mit Nutzen ver­wendet werden kann. *

Girre Grsenöahn unter dem Mokarkrerfe. Hoch im Norden von Schweden, schon jenseit des Polarkreises, findet sich auf unseren Karten der Eisenberg Gellivara verzeichnet. 400 m, nach anderen Angaben 560 bis 580 m hoch und etwa den Raum einer deutschen Geviertmeile ein­nehmend, harrt hier ein ungeheurer Schatz von reinem Eisenerz der Bergung durch die menschliche Hand. Kein kunstreicher Schacht, kein Stollen ist hier­zu erforderlich: das Erz braucht einfach so, wie es zu Tage liegt, abge­graben zu werden. Man hat berechnet, daß die Tonne an Ort und Stelle nur auf etwa 2 Mark zu stehen kommt. Für deutschen Eisenstein zahlt man gegenwärtig etwa 9 bis 14 Mark.

Zur Hebung und Verwerthung jener Schätze hatte eine englische Aktien­gesellschaft eine Eisenbahn zu bauen unternommen, die sich in einer Länge von 192 üm von dem schwedischen Hafenplatze Lulea an der nördlichsten Ausbuchtung des Bottnischen Meerbusens im Thale des Luleaflusses hinauf vorläufig bis zum Gellivara erstreckt und die Beförderung der Erze vom Fundorte unmittelbar auf die Seeschiffe im großen Maßstabe zu vermitteln bestimmt ist. Es ist beabsichtigt, dieLulea-Ofotenbahn" an zwei weiteren nicht minder bedeutenden Erzbergen, dem Kurinavara und dem Luosavara, vorbei über das Kjölengebirge durch norwegisches Gebiet bis zum tief eingebuchteten Ofoten-Fjord am Atlantischen Ocean weiterzuführen von Meer zu Meer.

Neuerdings ist nun aber die englische Gesellschaft in Geldverlegenheit gerathen und hat den Bau vor seiner Vollendung einstellen müssen. Unter­handlungen behufs Uebernahme der Bahn auf den schwedischen Staat sind für den auf schwedischem Gebiet liegenden Theil im Gange, und ohne Zweifel wird Norwegen seinerseits das ihm zugehörige Stück erwerben, so daß die Fertigstellung der ganzen Bahnstrecke im Laufe der Zeit nicht in Frage steht.

Keuöäder. Wasser-, Dampf-, Sand-, Luft-, Sonnenbäder rc. das kennen wir alle, die Heubäder sind aber eine Specialität Tirols, die in der Ebene noch nicht nachgeahmt worden ist und wohl auch nicht nachgeahmt

werden wird. Unter den Bädern nehmen sie aber eine so eigenartige Stellung ein, daß sie mindestens erwähnenswerth sind. Wir folgen in dieser Beschreibung den Mittheilungen, die Ludwig v. Hörmann in seinem trefflichen WerkeDie Jahreszeiten in den Alpen" (Innsbruck, Verlag der Wagnerschen Univ.-Buchhandlung) darüber giebt.

Die Bauern, besonders die Etschländer, halten sehr viel auf die Heil­bäder. Für besonders heilsam gilt das frische kurze Gebirgsheu, und zwar muß es nochbrennend" sein.. Deshalb trifft man die übrigens höchst einfachen Vorrichtungen zu dieser Kur häufig hoch oben auf luftigen Höhen, so z. B. in der nach Völs gehörigen Alpenhütte auf dem Schlern (2561 m). An einem Balken ihrer niederen Decke klebt ein Anschlage- zettel, welcher folgende Badeordnnng enthält:

Bemerkung 1. Das derjenige, der auf das Hei geth sich fleisig den Koth abstreift. 2. Das derjenige, der von Hei hinausgehet sich fleisig das Hei abschittelt. 3. Das jeder nicht von Völs gebirtüge, welcher eine ganze oder halbe Woche im Hei liegt, 30 Kreizer zahlen muß.

Unterz. Heiinhaber."

Um die Kur zu gebrauchen, wird eine Grube im Heu gemacht, in welche sich der Badende nackt hineinlegt. Ein anderer, sei es nun ein Kurgast oder der eigens bestellteBadreiber", deckt ihn bis an den Hals zu. Auch während des Heubades muß immer jemand gegenwärtig sein, um dem Leidenden beiznstehen, sobald sich bei diesem bedrohliche Störungen der körperlichen Funktionen, namentlich des Herzens, einstellen. Wenn der Betreffende vollständig in Schweiß ist, wird erausgegraben" und vom Bad­reiber abgetrocknet; er selbst wäre vor Mattigkeit nicht imstande, es zu thun. Ankleiden kann er sich dann selbst. So liegt in den Stadeln oft Kopf an Kopf. Wie schmutzig und zerwühlt davon das Heu gegen Ende der Saison" aussieht, läßt sich denken. Die Heubäderkur ist übrigens nicht ganz ungefährlich. So wurden im August 1886 in dem Heubad zu Aldein zweiBadegäste" ohnmächtig aus dem glühend heißen Bergheu herausgezogen, was auf eine starke Störung der Lebensfunktionen deutet, da es sich hier nicht um eine jener Salonohnmachten handelt, die be­kanntlich nicht gefährlich sind. *

Mor dem Kerrathsvermrttkungsöureau. (Zu dem Bilde S. 421.) Soll sie ihn thun, den letzten Schritt über die verhängnißvolle Schwelle? Noch einmal steht das frische, gesunde Bauernmädchen und überlegt es will ihr doch nicht der richtige Weg scheinen.

Ein hübscher Bursch daheim ist ihr Schatz gewesen, und sie hat ihn gern gehabt, wahr und wahrhaftig. Da aber ist er zu den Soldaten gekommen und sie ist in einen Dienst gegangen und wie sie ihm aus den Augen war, da hat er sie vergessen und ist heimgekehrt mit einer fremden Braut. Im bitteren Ünmuth aber hat die Marie ihm auftrumpfen wollen und ihm zeigen, daß sie sich nichts um ihn und seine Untreue schert und auch wieder einen haben kann, wenn sie einen will. Und so hat sie der leichtsinnigen Person Gehör gegeben, die ihr in einem fort in den Ohren gelegen hat, was sie ihr für einen Schönen und Reichen wüßte; sie solle nur mit ihr kommen zumHerrn Sekretär", der werde ihr alles haarklein Nachweisen. Die Marie ist ihr gefolgt bis vor die Thür des Bureaus, aber jetzt, im letzten Augenblick, bricht die vernünftige Ueber- legung noch einmal sich Bahn in ihr und sie schämt sich. Eifrig, mit verführerischem Lächeln lockt dieAgentin", sie bangt um ihreProvision", glaubte sie doch, das vertrauensselige Landkind bereits sicher zu haben! In den wenigen Minuten, bis sie an die Reihe kommt es ist eben ein Herr drinnen, ein ältlicher Junggeselle, und die heirathslustige Nähterin an der Thür horcht aufmerksam, was er für Angaben zu machen hat über seinen Stand und sein Vermögen muß es sich entscheiden, wer obsiegt: die glatte Zunge der Verführerin oder der tüchtige Sinn einer unverdorbenen Natur. Hoffen wir, daß es der letztere sei! -----

Klemer Briefkasten.

(Anfragen ohne volle Namensangabe werden nicht berücksichtigt.)

G. T. in Morristown (Nordamerika). Besten Dank für Ihre freundliche Zuschrift und die beiden^Gedick^e. Wenn^vjr^auch ine letzteren nicht abdrucken können, ängste uns

Ä. O. in München. Wir verweisen Sie auf unseren ArtikelDie Wahl des Berufes" in Nr. 16. des Jahrgangs 1889 derGartenlaube".

Inhalt: Madonna im Nosenhag. Roman von Reinhold Ortmann (Fortsetzung). S. 409. Friedhofgang. Gedicht und Bild. S. 413. Der Schlaf. III. Warum schlafen wir? IV. Alpdrücken und Nachtwandeln. S. 414. Zwei neuendeckte schwäbische Tropfsteinhöhlen. Geschildert von Karl Gußmann. S. 416. -Mit Abbildungen S. 409,

achtzehnten Jahrhundert. Friedrich Freiherr von der Trenck. Vmi Rrwol^v. Gotrschall. S. 424. Mit Abbildung S. 425. Blätter und Blüthen: Ein J^rbuch^der Natur. S. 428. Eine Eisenbahn unter dem Polarkreise. S. 428. Heubäder. S. 428. Vor dem Heirathsvermittlungsbureau. (Zu dem Bilde S. 421.) S. 428. Kleiner Briefkasten. S. 428.

Wicht zu übersehen!

Mt nächster Nummer schließt das zweite Quartal dieses Jahrgangs unserer Zeitschrift. Wir ersuchen daher die geehrten Abonnenten, ihre Bestellungen auf das dritte Quartal schleunigst aufgeben zu wollen.

Die Wostabormenterr machen wir noch besonders auf eine Verordnung des kaiserlichen Reichspostamts aufmerksam, laut welcher der Preis bei Bestellungen, welche nach MegMN des WierteHahrs aufgegeben werden, sich pro Quartal um w Pfennig erhöht (das Exemplar kostet also in diesem Falle Mark 70 Pfennig statt ^ Mark 60 Pfennig).

Einzeln gewünschte Nummern liefern wir pro Nummer incl. Porto für 35 Pfennig (2 Nummern 60 Pf., 3 Nummern 85 Pf.). Den Betrag bitten wir bei der Bestellung in Briefmarken einzusenden.