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wird eine andere Lage gegeben. Niemals baut man em Haus an eurer Stelle, über die einmal eirr Weg hinwegging; man würde sonst „auf die Spur des Teufels lommen". Holzstämme, die der Sturm niederwarf, dürfen nicht zum Bauen benutzt werden; sie sind unrein, denn der Sturm ist ein Werk des Teufels^ Ist das Haus sertig, so bleibt über dem Borhaus das Dach noch ungedeckt („wird nicht mit Stroh benäht", wie die Bojken sagen), damit durch diese Öffnung „alles Böse herausfliege". Bevor man in das neue Haus einzieht, muß eirr Hahn es für eine Nacht bewohnen. Kräht der Hahn am Morgen wie gewöhnlich, so kann man ohne weiteres einziehen. Unterläßt er aber sein Krähen, so ist das von übler Vorbedeutung: offenbar hat ihn der Böse erschreckt. Will man späterhin den Grundplan des Hauses ändern, so wird man zwar die Länge, niemals aber die Breite verändern dürfen: das würde Krankheit, ja selbst den Tod des Besitzers zur Folge haben. Wird ein Haus abgetragen, so scheut sich jedermann, den Ofen und Herd abzutragen. — Natürlich bröckelt heut überall hie und da etwas von diesen Bräuchen ab, und in dem Aufstellen eines hölzernen Kreuzes auf dem Bauplatz kommt allmählich schou christliche Sitte zur Geltung.
Der König der Lüfte.
(Zu dem nebenstehenden Bild.) Mehr und mehr wird er durch die fortschreitende Kultur aus dem bebauten Land verdrängt, weiter und weiter zieht er sich
das zurück in die
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am Seegestade, der „.llönig der Lüste", dermajestä- tifche Adler. Nur selten ernmal gelingt -
es noch einem deutschen Jäger, solch edles Wild zu erjagen — um so größer war die Freude und der Stolz des Försters Jühlke aus Bergten, als er gelegentlich eines Revierganges am pommerschen Ostsee strand den Prachtadler unseres Bildes erbeutete. Prachtadler! ^guila ku1ve8een3! Er verdient seinen Namen, der königliche Vogel, dessen mächtig klafternde Schwingen ein goldenes, zwischen isabellgelb und orange schillerndes Gedeckkleid trugen. Man hielt ihn um dieser wundervollen Färbung willen für das Exemplar einer seltenen Raubvogelart, mag es aber doch wohl mit einer ausfallenden Farbenabweichung des Großen gehabt haben.
Der Kromarograph. (Zu dem nebenstehenden Bild.) Unser Bild gibt eine Erfindung wieder, die geeignet ist, Komponisten und solchen, „die es werden wollen", ein gut Teil mechanischer Arbeit abzunehmen, um ihre musikalischen Eingebungen im Augenblick des Entstehens schon sichtbar festzuhalten, so daß nicht, wie bisher, auf dem Weg vom Gedanlerr zum Notenblatt oft das Beste, Zarteste verloren geht. Der Erfinder dieses nach ihm benannten Kromarographen,
Herr Laurenz Kromar aus Wien, war ursprünglich Kanzleiratspraktikant am Wiener Ma gistrat und gab nebenbei Unterricht in Realschulfächern, hatte also mit der Musik eigentlich gar nichts zu tun.
Durch einen Zufall lernte er damals den neunjährigen Felix Mottl kennen, der ihm klagte, wie schwer und mühselig das' Notenschreiben doch sei. Das gab den ersten Anstoß zur Erfindung des Apparates, der nun, nach drei Jahrzehnten des Grübelns und Versuchens, vollendet ist. Die Fortschritte der Elektrotechnik haben wesentlich zum Gelingen des Verkehrs beigetragen, denn der „Kromarograph", der die Größe einer Schreibmaschine hat und an jedem Klavier oder Harmonium angebracht werden kann, wird mit einer elektrischen Lichtanlage in Verbindung gebracht und
Prachtadler
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Schreiadlers zu tu».
Karl Blind.
Der Kromarograph und sein Erfinder.
gibt dann in deutlicher Schrift fehlerlos wieder, was vom Künstler- gerade gespielt wird. Sogar die Ritardandi und Accelerandi sind von dem Papierstreifen, den der Apparat selbsttätig im Fünfliniensystem liniert, abzulesen.
Anstatt der Notenköpfe zeichnet der Kromarograph lange und kurze Striche, die dann mit Leichtigkeit in die moderne Notenschrift übertragen werden können. Der sinnreiche Apparat erleichtert also nicht nur die mechanische Arbeit, sondern hält auch während des Komponierens und Phantasierens jede musikalische Nuance und Eigenart fest, ehe sie dem Gedächtnis entschwinden kann.
Karl M'ind, der bekannte Politiker und Schriftsteller, beging am 4. September d. I. seinen 80. Geburtstag. Er wurde in Mannheim geboren und schon als Heidelberger Student in die politischen Unruhen hineingezogen. Seine Erlebnisse als Anführer der Struveschen Freischaren, seine Gefangennahme und Kasemattenhaft beschreibt er spannend in drei Artikeln, deren ersten die Leser in dieser Nummer finden. Nach kurzem Aufenthalt in Paris und Brüssel war er in London als Journalist der demokratischen Presse tätig. Karl Blind hat stets eine nationale Gesinnung der- treten, er
interessantesten und bekanntesten Erscheinungen jener
stürmisch bewegten Zeit. Und wenn die Schar derer, in deren Reihen er einst für Freiheit und Einiger gekämpft, auch nicht mehr allzu groß, ein jüngeres Geschlecht an ihre Stelle getreten ist — der Name Karl Blind hat doch auch heute noch seinen bedeutungsvollen Klang. Möge dem greisen Freiheitskämpfer nach allen Stürmen ein friedvoller Abend bestimmt sein.
Are heilige pfeife der Krapaho-Kndianer. Die ^ heidnische Partei der nordamerikanischen Arapaho-Jndianer
F hat dem Baseler „Missions-Magazin" zufolge eines ihrer angesehensten Stammeshäupter verloren, den greisen „Winsekbär", der als Bewahrer der „heiligen Pfeife" weit über die Stammesgrenzen hinaus im ganzen Jndianergebiet bedeutendes Ansehen genoß. Diese heilige Pfeife soll der Sage nach dem ersten Menschen von dem „Fremdling von oben" mit dem Bedeuten geschenkt worden sein, daß, solange die Pfeife in Ehren gehalten würde, es den Arapaho gut auf Erden gehen würde. Am Ende der Winterjahre aber, d. h am Ende aller Tage, werde die heilige Pfeife verschwinden, und alle verstorbenen Arapaho würden, von den Toten zu neuem Leben auferstehen. Dieser uralten Überlieferung gemäß bildete die heilige Pfeife die kostbarste Stammesreliquie. Wenn sie wanderte, wanderte die ganze Nation, und wo sie sich niederkieß, gründete man eine neue Ansiedlung. In Gegenwart des ganzen Stammes wurde der jeweilige Hohepriester zum Hüter der Reliquie geweiht und bei diesem Kultakt ein Indianer getötet, dessen Herz der Geweihte verzehren mußte. In dem „Winselbär" ist nun der letzte der also Geweihten gestorben, und da die Einsetzung eines Nachfolgers nicht mehr nach dem uralten Ritus erfolgen darf, wird jedenfalls auch die heilige Pfeife viel von ihrem Nimbus einbüßeu. Sie erfreut sich übrigens nicht nur in den Kreisen E»>,«,chWW>» der Indianer, die scharenweise aus
^ " Kalifornien und dem Norden zu den
Wigwams der Arapaho pilgern und die Pfeife den „Wagen Gottes" nennen, weil sie glauben, daß durch ihren Zauber die Seele des Sterbenden geradeswegs in die „heimatlichen Gefilde" eingehe, des höchsten Ansehens, sondern auch die amerikanischen Ethnologen sind mehrfach zu den Arapaho gereist, um die Pfeife, die in den Liedern der Ju- dianerstämme vielfach gepriesen wird, zu besichtigen. Freilich waren ihre Bemühungen bisher vergebens. Ein einziger Weißer hat die Pfeife einmal zufällig bei einer Opferzeremonie gesehen und schildert sie als sehr alt und roh, jedenfalls mit Steinmessern geschnitzt.
Druck und Verlag; Ernst Keil's Nachfolger G. m. b.H. in Leipzig. Verantwortlicher Redakteur: vr. Hermann Tischler; für den Anzeigenteil verantwortlich: Franz Voerner. beide in Berlin. — In Österreich-Ungarn sür Herausgabe und Redaktion verantwortlich: B. Wirth in Wien.
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