Heft 
(1986) 41
Seite
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Walter Hettche

Fontane und Elisabeth Mentzel Drei bisher unveröffentlichte Briefe

Im großen Bekannten- und Freundeskreis Theodor Fontanes hat die Frankfurter Lehrerin und Schriftstellerin Elisabeth Mentzel geb. Schippel (18481914) allem Anschein nach eine untergeordnete Rolle gespielt. Äußerungen Fontanes über diese Frau sind nicht überliefert, und so hat man bisher nichts von einer persönlichen Beziehung zwischen dem Dichter und seiner Kollegin gewußt. Im Nachlaß der Autorin, der im Freien Deutschen Hochstift in Frankfurt am Main aufbewahrt wird, finden sich indessen drei Briefe 1 Fontanes an Elisabeth Mentzel und ihren Ehemann, den Gerichtsrat Hermann August Christoph Mentzel (18521921), aus denen hervorgeht, daß es im Mai 1897 zu einer Begegnung zwischen Fontane und Frau Mentzel gekommen ist.

Es ist nicht festzustellen, ob Fontane jemals ein Werk Elisabeth Mentzels gelesen hat. Von ihren -wichtigsten theatergeschichtlichen Arbeiten könnte er nur die 1882 erschienene .Geschichte der Schauspielkunst in Frankfurt' gekannt haben. Elisabeth Mentzels gründliche und fundierte Aufsätze über Schiller und Goethe, vor allem in den frühen .Berichten des Freien Deut­schen Hochstifts', 2 dürfte Fontane kaum gelesen haben; anderes, wie das materialreiche Buch über die Lehrer Goethes und seiner Schwester Cor­nelia, 3 ist erst nach seinem Tod entstanden. Die drei im folgenden erstmals publizierten Briefe geben auch keinen Aufschluß über eine mögliche Kenntnis der zu Fontanes Lebzeiten gedruckten populären Romane, Novellen und Volksstücke Elisabeth Mentzels mit Titeln wie ,Feldnelken, ,Der Waldhannes' und ,Der Räuber', ein Stück, in dem der junge Schiller die Hauptfigur ist. Doch spricht aus den Briefen eine offenkundig große Sympathie Fontanes für diese Frau, wie sie sich vor allem in dem eifrigen Bemühen um das Zustandekommen eines Besuchstermins äußert. Es ist denkbar, daß Elisabeth Mentzel in ihrem Brief, den Fontane in seinem Schreiben vom 10. Februar 1897 erwähnt, einiges von sich berichtet hat, etwa von ihrer Tätigkeit als freiwillige Krankenpflegerin im Deutsch- Französischen Krieg sie wurde dafür mit dem Verdienstkreuz von 1870/71 geehrt oder von ihrer regen Teilnahme am literarischen und gesellschaftlichen Leben im Frankfurt des 19. Jahrhunderts. So war sie seit 1896 die Vorsitzende der Frankfurter Ortsgruppe des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins. Wie dem auch sei: Die drei Briefe sind, so unbedeutend sie auch erscheinen mögen, zum einen charakteristische Beispiele für den verbindlich-höflichen Altersbriefstil Fontanes, der die alltäglichsten Angelegenheiten mit Witz, aber auch mit Respekt vor dem Briefpartner behandelte. Daß der Briefpartner in diesem Fall eine um drei Jahrzehnte jüngere intelligente Dame war, mag zu dieser Sym­pathie entscheidend beigetragen haben, wie nicht geleugnet werden soll. Zum anderen liegt die Bedeutung dieser Briefe weniger in ihrem Inhalt als in dem Umstand, daß mit Elisabeth Mentzel und der persönlichen

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