Der Fuß und seine Bekleidung,
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Veränderung wird bei einem solchen Stiesel kein Spielrcuun gelassen. Am empfindlichsten werden die Zehen von diesem klebelstande betroffen; denn die übrigen Fnßknochen sind so fest ineinander gefügt, daß sie nicht nachgeben; die fingerartigen, beweglichen Zehen müssen sich daher dem engen Gefängnisse anznpasscn suchen. Dadurch, daß der Schuh die Längenentwickelnng des Fußes nicht zuläßt, werden die vorn mit ihren Spitzen anstoßenden Zehen gezwungen, sich auswärts zu krümmen. Die Haut über den gebogenen Gelenken, welche gar keinem Drucke ausgesetzt sein sollte, wird nun fest Zwischen dem unterliegenden Knochen und dem Oberleder angepreßt und erzeugt deswegen die lästigen Schwielen, welche unter dem Namen der Hühneraugen bekannt sind, und eine wahre Plage der civilisirten Welt bilden. Wenn derartiges unzweckmäßiges Schuhwerk dauernd, besonders im kindlichen Alter, getragen wird, so behalten schließlich die Zehen die gekrümmte Stellung, sie können nie mehr gestreckt werden und verlieren daher an ihrer Gebrauchsfähigkeit.
Auch der Uebelstand, daß der Fuß sich nicht der Breite nach entfalten kann, wird am meisten von den Zehen empfunden. Die große Zehe, welche, wie wir gesehen, bei dem Auftreten etwas nach einwärts abweicht, wird jetzt gezwungen, sich nach außen zu wenden. Da sie keinen andern Platz findet, wird sie unter die zweite Zehe gedrängt. Bei sehr unzweckmäßigem Stiefel geschieht dies so stark, daß die Zehe eine stumpfwinklige Richtung gegen ihren Mittelfnßknochen einnimmt. Die Gelenkfläche dieses letzteren Knochens, welche von der Gelenkflüche der Zehe bedeckt sein sollte, liegt mit ihrem innern Ende nnbeschützt unter der Haut, entzündet sich durch die dauernde Reibung am Leder, erzeugt Knochenanschwellungen und bildet den sehr unschönen, sogenannten seitlichen Ballen. Auch die übrigen Zehen müssen suchen, wie sie in dem zu engen Raume Platz finden, und bald schiebt sich die eine oder die andere über oder unter ihren Nachbar, verkrüppelt, und wird außer Dienst gesetzt. Will man daher Schnhwerk haben, welches dem Fuße die volle Gebrauchsfähigkeit gestattet, und dadurch den schönen, nicht ermüdenden Gang erlaubt, für welchen die Natur unsere Füße so wunderbar construirt hat, so muß der Schuhmacher die Conture des die Körperlast tragenden Fußes auf einem Blatte Papier abzeichnen, und nach diesem Muster die gehörige Breite und Länge geben. Selbstverständlich wird ein derartiger Schuh etwas größer ansfallen, als ein nach der gewöhnlichen Methode des Maßnehmens gearbeiteter; wenn er aber im klebrigen sich den Formen des wohlgebildeten Fußes anschmiegt, so wird er doch ein schönes Product sein.
Eltern haben natürlich auch noch die Verpflichtung, darüber zu wachen, daß das bei dem Wachsthume des jugendlichen Fußes zu klein werdende Schuhzeug zu richtiger Zeit ausrangirt werde, damit die normale Entwickelung des Fußes nicht gehindert werde.
Wenn wir nun einen Blick in ein Kupferwerk werfen, in welchem die Formen der Fußbekleidung vergangener Jahrhunderte dargestellt sind, so staunen wir über bizarre Formen, welche die Mode aus einem Dinge geschaffen hat, das ursprünglich nur zum Schutze des Fußes bestimmt war. Wir