Heft 
(1879) 25
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U). L>nscb in Bonn.

bei dem Plattfüße ein. Wir entfernen nicht nnr jeden Absatz vom Stiefel, sondern machen noch die Sohle vorn höher, als hinten. Wenn nämlich das Gewicht des Körpers nicht auf die Spitzen der Mittelsußknochen drückt, sondern die Last auf einen etwas weiter nach hinten gelegenen Punkt fallen läßt, so strecken sich die aufwärts gekrümmten Zehen aus und das Gewölbe wird

flacher. Damit wir aber in möglich kurzer Zeit die Correctur erreichen,

lassen wir das Gewicht des Körpers auch möglich lange einwirken und

rathen den Patienten daher, stehend zu arbeiten.

Der norddeutsche Stamm erfreut sich in der Regel eines zwar nicht zierlichen, aber ursprünglich wohlgeformten Fußes, aber was wird so über­aus häufig aus diesem schönen Organ gemacht. Den Freund des Schönen ergreift ein Grauen, wenn er bei irgend einer Gelegenheit aus der eleganten Umhüllung den verkrüppelten und verunstalteten Kern herausschälen sieht.

Schon bei den alten Schriftstellern finden wir die Klagen über den Unver­stand der Schuhkünstler, und in unseren Tagen klagt ein bedeutender Anatom darüber, daß man zwar Vorlesungen über den zweckmäßigsten Hnfbeschlag halte, daß man aber den Schuhmachern keine Anleitung zum zweckmäßigen Baue der Schuhe gebe. Wie viel ein guter Schuh für die Leistung des Fußes bedeutet, das weiß besonders jeder Feldherr, welchem die Beschaffung des guten Schuhwerkes, von dem die Marschfähigkeit und Leistungsfähigkeit seiner Truppe abhäugt, oft fast so viel Kopfzerbrechen verursacht, wie seine strategischen Dispositionen. Gustav Adolf und Friedrich der Große haben den Füßen ihrer Soldaten die speciellste Aufmerksamkeit angedeihen lassen; und gegenwärtig wird für die deutsche Armee, da man in derselben nicht jedem einzelnen Soldaten das Schuhwerk nach Maaß anfertigen lassen kann, der Stiefel nach den vom Anatomen Meyer gegebenen Vorschriften angefertigt.

Wenn wir der Sohle nur einen Schutz gegen die Unebenheit des Bodens zu bieten hätten, so würde die Sandale die zweckmäßigste Tracht sein. An der Sandale der römischen Kaiserzeit ist freilich durch die Art der Befestigung, bei welcher ein Riemen von der Spitze der äußern Seite schräg über die kleine Zehe läuft, Gelegenheit zu Verkrümmung dieser Zehe gegeben und mir will es scheinen, als ob die allgemeine Verbreitung dieser Fußbekleidung in dieser Beziehung auch die Kunst beeinflußt habe, indem an den Statuen aus der römischen Kaiserzeit die kleine Zehe verkümmert erscheint im Gegen­sätze zu den Statuen aus der früheren Periode.

Für unser Klima eignet sich jedoch die Sandale durchaus nicht, da wir den Fuß auch gegen Kälte und Nässe schützen müssen, wir bleiben daher ans Schuhe und Stiefel angewiesen. Der gewöhnlichste Fehler, welchen der Schuhmacher begeht, ist der, daß er das Maß nur an dem frei in der Luft schwebenden Fuße nimmt Ein nach diesen! Maße genau angefertigter Stiefel wird sich sehr bequem anziehen lassen, sobald man sitzt, und wird auch nirgends drücken. Sobald man aber aufsteht, und den Fuß belastet, wird man Schmerz und Unannehmlichkeit empfinden. Wir haben oben gesehen, daß jeder normale Fuß beim Auftreten etwas länger und breiter wird und dieser