Der Fuß und seine Bekleidung.
erlauben, zeitlebens auf den Gebrauch der Füße als Gehwerkzeuge zu verzichten, wahrend die arbeitende Elaste sich durchgehends des freien Gebrauches der Füße erfreut. Bei uns hingegen sehen wir manches hübsche Mädchen, dessen Beruf flinken und gewandten Gebrauch der Füße erfordert, sich uube- hülslicher oder schwer beweglicher durch den Stöckelschuh machen.
Bei dem zweiten Siegesläufe, welchen die Criuoline in den fünfziger Jahren durch Europa nahm, können wir die Entstehung der Mode Nachweisen. Eine hohe Fran wollte eine vorübergehende Unschönheit des Wuchses verdecken und führte deswegen diese Mode ein. Zunächst waren es ihre Anhänger, bald aber fast die ganze weibliche Welt Europa's, welche sich, ohne es nvthig zu habeil, in diese unschöne Tonneugestalt verwandelte. Aehulich wird es wahrscheinlich mit der Einführung des Stöckelschuhes gewesen sein. Wir haben oben gesehen, daß der unschöne und ungraciöse Gang Plattfüßiger durch den hohen Absatz wesentlich verbessert wird. So wird wahrscheinlich ein schlauer Jünger Crispiu's, der dieses mechanische Moment des Stöckelschuhes richtig erkannte, denjenigen seiner Clientiuneu, welche häßliche Plattfüße besaßen, den Gang verbessert haben. Da diese nun wirklich besser gingen, auch stattlich durch den Kothurn erschienen, falls sie klein waren, so wurde die Mode kritiklos nachgeahmt und hat sich nun, wie es scheint, fest eingebürgert.
Gänzlich verbannen dürfen wir daher den Stöckelschuh nicht, sondern müssen ihn für die geeigneten Fälle als wirksames orthopädisches Mittel bei- behalteu. Wenn also eine vorurtheilsfreie Dame deutlich empfindet, daß sie mit der Stelze entschieden besser geht als ohne dieselbe, so ist ihr dringend zu rathen sie beizubehalten; denn sie hat dann sicher einen fehlerhaft gebauten Fuß, welcher durch den hohen Absatz leistungsfähiger wird. Die der Mehrzahl nach schön gebauten Füße meiner Landsmänninen möchte ich jedoch gerne dem elastischen schwebenden Schritte wiedergegeben sehen, welcher das Auge des Kunstkenners erfreut. Wahrscheinlich wird dies für das Erste ein frommer Wunsch bleiben; denn die Sucht, den auf eine steile Ebene gestellten Fuß möglichst kurz erscheinen zu lassen, wird den Sieg davon tragen.
Bis jetzt haben wir zu wenig Werth auf die Bildung und Entwickelung des Schönheitssinnes gelegt, wie es am besten die kahlen und nüchternen Wände unserer Schulzimmer, auch in den höheren Anstalten, beweisen. Daher gelingt es der in ihren barocken Phantasien oft unsinnigen Tyranniu, der Mode, unserem Volke die unästhetischen Trachten aufzudrängen. Wenn aber guter Geschmack und Schönheitssinn nicht mehr wie jetzt nur in einem kleinen Bruchtheile der Nation herrschen, dann werden wir cs auch erleben, daß man den Fuß nicht als ein Anhängsel unseres Körpers betrachtet, welches vorzugsweise dazu bestimmt erscheint ein äußerlich möglichst elegantes Leder- Kunstwerk zu zeigen, unbekümmert darum, welchen verkrüppelten Inhalt dasselbe berge, sondern mau wird dafür sorgen, daß das Kunstwerk der Natur, der Fuß, in seinem für die Zweckerfüllung unvergleichlichen Baue nicht durch ein ihm imverständig auferlegtes Joch verkümmert werde.