Heft 
(1879) 25
Seite
81
Einzelbild herunterladen

Emile Au gier.

Ss

dessen Grunde, gerade wie Müsset, die Langeweile zu finden. Er ist lebens­überdrüssig geworden, er weiß, daß kein menschliches Wesen ihn wahrhaft liebt, daß er von den Weibern hintergangen, von den Schmarotzern, die sich seine Freunde nennen, in schamloser Weise ausgebeutet wird. Er faßt daher den Entschluß, den Schierlingsbecher zu leeren. Aber bevor er sich tödtet, will er sich noch ein letztes Vergnügen bereiten und sich selbst gegenüber die Berechtigung seiner Menschenverachtung klar machen. Von allen den falschen Freunden, die sich im Hause dieses komischen Timon zusammenfinden, stehen ihm Klcon und Paris am nächsten. Einer von diesen soll daher sein ungeheures Vermögen erben, und zwar derjenige, dein es gelingen wird, die schöne Sclavin Hippolyta, die er eben für eine bedeutende Summe in Cypern ange­tanst hat, zu gewinnen. Die beiden widerwärtigen alten Narren bemühen sich nun ans jede mögliche Art, Hippolytas Gunst zu erobern, natürlich ver­geblich. Als indessen jeder der Beiden in seinem Eigendünkel wähnt, daß Hippolyta sich ihm zuwende, und daß ihm daher auch die reiche Erbschaft beschieden sein werde, und als ein jeder, um seine Verächtlichkeit zu bemänteln, das Glück, von Hippolyta geliebt zu werden, in überschwänglicher Weise preist, da ändert Klimas seinen' Plan. Nun wohl, sagt er, ich sehe ein, daß derjenige, der Hippolyta und meinen Reichthum zugleich empfangen, über­mäßig belohnt werden würde; ich werde demgemäß mein Testament dahin ändern, daß der von Hippolyta Verschmähte durch die Erbschaft meines Besitzthums ent­schädigt werden soll. Nun kommt also das Gegenspiel. Paris und Kleon geben sich nun alle mögliche Mühe, sich selbst dem schönen Mädchen zu ver­leiden und die Vorzüge des Andern im glänzendsten Lichte darzustellen. Es versteht sich, daß Hippolyta inzwischen Zeit gefunden hat, sich in Klimas zu verlieben, und in dem Augenblicke, da der Verwalter den Schierlingsbecher ihm kredenzt, gesteht sie ihm ihre Liebe, heilt ihn von seinem Unglauben an die Menschheit, lind die Beiden werden ein glückliches Paar.

Nach dem ungewöhnlichen Erfolge dieses hübschen Lustspiels fing man an, sich nach dem bisher unbekannten Autor zu erkundigen. Man erfuhr ohne Mühe, daß der junge Mann am 17. September 1820 in Valence geboren und in seinem achten Lebensjahre mit seinem Vater, einem vermögenden und sehr tüchtigen Advocatcn, nach Paris übergesiedelt war. Augier bezog, nach­dem er auf einem der besten Gymnasien eine tüchtige Vorbildung genossen hatte, die Universität und studirte dem Wunsche seiner Eltern gemäß Jura. Nachdem er die juristischen Examina abgelegt hatte, wurde er von einem Advocaten und Notar, einem gewissen Masson, im Bureau beschäftigt. Aber diese Thätigkeit in dem engen, dumpfen Stübchen, das Wühlen in den bestaubten Acten, der erzwungene Verkehr mit allerhand lästigen Kunden sagte dem jungen Manne ganz und gar nicht zu. Augier hat in einem späteren Lustspiel, cksnuWStz", seinem Widerwillen gegen den Advocatenstand einen sehr beredten Ausdruck gegeben.Den Tag verbringt er in einem finsteren Zimmerchen, dessen Nacktheit durch Papierstöße verkleidet wird, er ist der Sclave jedes

6 *