- Line Naturforscher-Allee im Hoch-Jura. - ,
Der große Rath der Bürgerschaft versammelte sich in schwarzer Ceremonien- kleidung, mit Rückenmantel und Bässchen, ähnlich den protestantischen Geistlichen; und die Berathungen wurden so geheim gehalten, daß selbst kein Weibel den Saal betreten durfte, sondern das jüngste Mitglied die Thüre öffnen und schließen mußte. Die executive Behörde der Stadt bestand aus neun Mitgliedern, führte aber den Titel: UsZÄsnrs 1s8 gnatrs minmtranx. Böse Zungen behaupteten, sie hätten die geringere Zahl in dem gegründeten Bewußtsein angenommen, daß sie, obgleich Neun, doch nur für Vier Verstand hätten.
Alljährlich im August entstand große Aufregung unter den Vätern der Stadt. Es galt, die Rechnungen von la Joux zu prüfen und die Meierei zu inspiciren. Die Metzger von Nenchatel suchten Land ans, Land ab, bis in das Grcyerzer Thal hinein die größten und fettesten Kälber — denn eine oder mehrere riesige Kalbskeulen waren eine nothwendige Bedingung des Mahles. Endlich zog man aus — voraus ein vierspänniger Gepäckwagen, ein Fourgon, hoch bepackt mit Proviant aller Art und Hunderten von Flaschen des edelsten Neuenburger Weiß- und Rothweins; ihm nach eine Reihe zweispänniger Leiterwagen, vollgepackt mit Stroh, auf welchem würdevoll die Väter der Stadt mit ihren Gästen thronten. So die Ausfahrt in der Morgensonne — die Heimkehr deckte das Dunkel der Nacht. Aber man erzählt, daß die vier Pferde bei der Rückkehr tänzelten, als sei der Fourgon leer, daß dagegen die vor die Leiterwagen gespannten Pferde schwer keuchten ob der ungewohnten Last, die in dem Stroh lag. — Als nach der Revolution von 1848 „Messieurs les Quatre," wie man sie gewöhnlich abkürzend nannte, ihr Ende erreichten und neue Stadt- bchördcn eingesetzt wurden, meinten diese, daß die Leiterwagen denn doch ein gar zu alterthümliches Gepräge hätten und beschlossen deshalb, zumal da auch die große, vortreffliche Landstraße von Nenchatel nach Locle an der Meierei vorbeiführt, in Kutschen zu fahren. Der Gepäckwagen freilich mit seiner alterprobten Belastung blieb. So ging es ein oder mehrere Jahre, dann aber fanden die Väter der Stadt, daß die Leiterwagen denn doch ihre gute Seite hätten, nicht wegen der Ausfahrt, sondern wegen der Rückkehr und heute, sagt mau nur, ist man wieder zu dem Stroh der Väter zurückgekehrt. Honn^ soll, Hui mal ^ penss!
Vor etwa zwanzig Jahren kam Combe-Barin in die Hände seines jetzigen Besitzers, meines Freundes Eduard Desor. In Friedrichsdorf bei Homburg von Nachkommen französischer Colonisten aus der Zeit des Widerrufes des Edict de Nantes geboren, hatte Desor in Gießen und Heidelberg studirt, war dann nach Paris, später nach der Schweiz verschlagen worden, wo er an Agassiz's Arbeiten thätigen und selbständigen Antheil nahm. Ich selbst war in Neuchatel während fünf Jahren Beider Arbeitsgenosse gewesen. Später trennten wir uns; ich zog nach Paris, Agassiz und Desor setzten nach Nordamerika über und gingen dort bald verschiedene Wege. Desor kam zurück, wurde Professor der Geologie in Neuchatel, nahm aber später seinen Abschied, um ganz der Wissenschaft leben zu können. Der Besitz von Combe-Varin legte
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