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Larl Vogt in Genf.
dem Professor sagen." — „Was hast Dn denn in Ponts zu thun bei diesem Wetter, Eisenlohr? Du machst Dich krank bei diesem kalten Nebel!" „Frage mich nicht — ich muß!" Und Eisenlohr kam schlotternd wieder — er hatte Flasche und Glas gekauft, damit man sich nicht über seine nächtlichen Traum- Balgereien lustig mache!
Sie kommen nicht mehr nach Combe-Varin, die treuen, guten Seelen, ebensowenig als Volley, der Chemiker des Züricher Polytechnicums; und Liebig, dem der größte Baum der Allee zwischen seinem Freunde Wühler und seinein Schüler und Nachfolger Will gewidmet ist. Als Liebig hier oben hauste, war er durch einen Bruch der Kniescheibe, der nicht vollständig geheilt war, ziemlich unbeweglich geworden. Eine Whist-Partie war ihm zum unerläßlichen Bedürfnis; geworden. Aber nur Wühler verstand das Spiel; die übrige Gesellschaft kannte es nicht. „Ich habe in meiner Jugend wohl zuweilen Whist gespielt", sagte Peter Merian, der Nestor der schweizerischen Geologen, „aber es mögen wohl vierzig Jahre und mehr vergangen sein, daß ich keine Karte angerührt habe!" „Einerlei — versuchen wir es!" Man spielt. „Aber Herr Rathsherr", sagt Liebig nach einiger Zeit, „Sie haben da einen großen Bock gemacht, indem Sie auf meine Jnvitc nicht antworteten!" „Wohl möglich", antwortet Merian trocken. Das Spiel geht fort. „Um Gottes willen, Herr Rathsherr, wie können Sie so spielen! Es ist unverantwortlich! Wir verlieren den Robber!" „Glanb's schon," sagt Merian lächelnd. Man spielt weiter. „Das geht ja über das Bohnenlied!" ruft Liebig nach einiger Zeit. „Sie verhunzen ja das beste Spiel, Herr Rathsherr! Ich habe noch nie so schlecht spielen sehen! Geben Sie in Teufels Namen Acht!" Da reckte Merian seinen herkulischen Nacken in die Höhe, blitzte Liebig unter seinen dichten Brauen, die denen Heinrichs von Gagern nichts nachgeben, mit einem vernichtenden Blicke an und faltete ruhig die Karten zusammen. „Herr von Liebig", sagte er mit starker Betonung des ,voiü — „Herr von Liebig! Ich habe Ihnen zum Voraus erklärt, daß ich das Spiel nicht verstehe und mir Ihnen zu Gefallen die Karten in die Hand nehme. Da Ihnen mein Spiel aber nicht gefällt und Sie sich zu Aeußerungen Hinreißen lassen, die mir nicht gefallen, so ist das Spiel einmal für allemal zu Ende!" Liebig entschuldigte sich iu offenster und herzlichster Weise — die beiden Männer wurden die besten Freunde, denn unser alter Rathsherr ist ein „Prachtkerl" wie man zu sagen pflegt, der gründlichstes Wissen mit dem heitersten, neckischen Humor und einer unerschütterlichen Gemüthsrnhe verbindet — aber gespielt wurde iu Combe-Varin nicht wieder.
Siljeström, den schwedischen Physiker, habe ich Persönlich nicht kennen gelernt, wohl aber Wolf, den Züricher, und Dove, den Berliner, der nach Combe-Varin kam, um dort persönlich die Frage zu debattiren, ob der Föhn, der Schneevertilger, aus der zur Wüste verdorrten Sahara stamme oder nur ein vom allgemeinen Südweststrome abgelenkter mittelmeerischer Zweig sei! Welch', schönen Tag verbrachten wir mit Dove, mit von Siebold, der jetzt sein