2st^ Gustav Uirsckfeld in Königsberg. -
Herrn Nikias mit seinem Heere singen, und dann, wohl gemeinsam mit andern griechischen Städten Siciliens, das Andenken des Timoleon, dessen oben gedacht ward.
Die Sicyonier im Peloponnes begingen neben dem Geburtstag des Arat auch den Tag, an welchem er sie von der Tyrannis befreit hatte.
Die Klazomenier in Kleinasien hatten ein eigenthnmliches Fest „des Zuvorkommens" zum Gedächtniß daran, daß sie einst ihren Nachbarn in der Besetzung einer Stadt durch List zuvorgekommen. Die Bewohner von Kyzikos feierten noch zu Hadrians Zeit den Tag, da mehr als zwei Jahrhunderte vorher, Lucullus sie von einer Blokirung entsetzt hatte. Ein Festtag, der zugleich ein Fasttag war, erinnerte die Tarent in er dauernd an eine Belagerung, die sie überstanden, da eine befreundete Stadt, um ihnen zu helfen, jeden zehnten Tag sich der Nahrung enthalten hatte.
Unberechenbar und zahlreich wie die Veranlassungen, sind sicher auch die historischen Gedenktage der Hellenen gewesen, aber ebenso sicher waren sie immer von durchaus historischer Bedeutung. Wohl begingen kleine Kreise von Anhängern in später Zeit, da man die Vergangenheit gleichsam antiquarisch wieder beleben wollte, die Geburtstage des Platon, des Sokrates, des Epicur, der selber testamentarisch zu solcher Feier ein Capital bestimmt hatte: ein Festmahl vereinigte die Gleichgesinnten zu angeregten und bezüglichen Gesprächen; und in diesen Kreisen ist wohl auch die Festrede, zu der übrigens sehr frühe Ansätze nicht fehlen, als ein eigenthümliches Element der Feier herausgebildet worden. Aber allgemeine Gedenktage sind solche niemals gewesen, wie etwa in unsern Zeiten die Geburtstage Schillers und Humboldts, zu deutlichem Beweise, daß bis dahin uns nichts Anderes gemeinsam geblieben war als Sprache und Wissenschaft. Denn auch ein Zeichen dessen, was man gemeinschaftlich besitzt, sind die Gedenktage: wenn nichts Anderes, so würde bis vor Kurzem schon der gänzliche Mangel an derartigen historischen nationalen Tagen bei uns gezeigt haben, was uns eigentlich fehlte. Freilich ist es aus der andern Seite eine Umkehrung des wahren Verhältnisses, durch gemeinsame Festtage ein nationales Leben erzwingen zu wollen; das warein starker Jrrthum Wohlmeinender auch bei uns zu Lande, welche für Ursache hielten, was nur Folge sein kann, und den Bau von oben beginnen wollten statt von unken.
Der nationale Gedenktag, d. h. der gewordene, hat, wie schon im Eingang hervorgehoben, zwei Seiten: er stärkt das Gefühl der Zusammengehörigkeit, wie er auch diese selber beweist. Wir mögen uns damit zufrieden geben, daß von diesem Standpunkt aus jede Feier gut ist, so fern sie nur den Zusammenhang aller Volksglieder in würdiger Weise immer auf's Neue betont; wenngleich man beklagen darf, daß uns eine charakteristische Form, ja vorläufig wohl noch die Fähigkeit schicklicher Massenkundgebungen für gewöhnlich abgeht. Aber wir haben ja auch eben erst das Glück gehabt, wieder nationale Gedenktage zu gewinnen: sorgen wir nur dafür durch Sinn und Form, daß uns dieser werthvolle Factor nationalen Lebens nicht wieder verkümmert werde.