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Bibliographie.
des Wagner'schen Wort-Ton-Baues. In diesem Heiligthume leuchtet auf goldenem Altäre dem sehnsüchtigen Auge des Sehers ein Himmelsbild der Idee in Gestalt einer zarten Palme entgegen. Der Dichter hat derselben den Namen „Senta" gegeben. Der Erscheinung nach ist Senta ein Weib. Die Idee aber ist ein Anderes als die Erscheinung. Die ewige Idee besteht vor der zeitlichen Erscheinung. Daher besteht das Idee-Sein Sentas vor ihrem Weib- Werden. Die Idee der Senta, wie dieselbe in des Genius Bilde gewahrt ist, bedeutet mehr als das Weib, welches im Heime nur zu sehr zum Siebengestirne, d. h. zum Centrum aller Dinge sich ausspiunt. Senta offenbart Eigenschaften, welche nur aus dem Wesen der Idee, sowie des Genius und seiner Gebilde zu begreifen sind. Darum müssen wir zuerst in das Erholungs-Land der Ideen gehen, bevor wir Senta als Weib verstehen können. Für uns Menschen der Wirklichkeit bedeutet Senta,, welche den Menschen des Mythos erlöst, nach dem Schlußergebnisse des Verfassers, den Tod. Wenn er sagt „Menschen der Wirklichkeit" so versteht er darunter „nicht etwa die Menschen, welche in den Ortschaften dieses Planeten herumlaufen, in Paaren und Schaaren, sondern er denkt dabei an jene wenige Naturen, welche von der Hohe eines geistigen Lebens, das nur die Gestaltung einer Welt von Ideen ist, die wirkliche Welt ebenso überschauen, als in ihrer Tiefe ergründen". „Diese Scele n", fährt Herr von Hagen fort, „g e h en n i ch t i n H e e rd en und Schaaren, sie gehen auch nicht paarweise; alle siebenmalsiebcnzig Jahre kommt höchstens Einer. Sokrates, Christus, Servct, Bruno scheinen dem Verfasser zu diesen Auserwählten zu gehören, selbstverständlich wohl auch Richard Wagner und er selbst, obgleich die beiden letzteren doch ein Paar bilden. Wer Lust und Muth hat sich durch Herrn von Hagen auf die Höhen jenes geistigen Lebens führen zu lassen, der kaufe sein Buch. Die Menschen der Wirklichkeit mögen es wenigstens lesen: sie werden in ihrer Einfalt und Unzurechnungsfähigkeit herzlich lachen über den heiligen Ernst und Aufwand an profunder Gelehrsamkeit, mit welcher Herr von Hagen seine Theorien vertieft und vertheidigt.
Wilhelm Müller, politische Geschichte der Gegenwart. XIII. Das Jahr 1879.
Nebst einer Chronik der Ereignisse des Jahres 1879 und einem alphabetischen Verzeichnisse der hcrvorragendcnPersonen. 8. XIV und 265 S. Berlin, 1880, Julius Springer. Oi. 3.60
Auch dieser neue Band des längst bewährten Unternehmens ist durch die geschickte Anordnung des reichhaltigen Stoffs und die frische übersichtliche Art, kaum entschwundene Ereignisse darzustellen und zu beleuchten, ein sehr schätzbares geschichtliches Hand- und Nachschlagebuch/ ein um so schätzbareres, als es das einzige ist, welches die Gesammtcrgcbnisse der Geschichte des Jahres im Zusammenhänge behandelt.
Der christliche Glaube und die menschliche Freiheit. Erster Theil. Präliminarien. Mit einem offenen Briefe an Herrn R. von Beunigien als Vorwort. 8. XXXIII und 218 S. Gotha, 1880, F. A. Perthes. Ol. 4.
Das Buch behandelt den alten schweren Conflict zwischen Glauben und Unglauben, zwischen christlicher und moderner Weltanschauung von einem Standpunkt aus, der in der einschlägigen Literatur bis jetzt noch nicht vertreten ist, aber sicherlich dem Bedürfnis; einer großen Zahl Solcher cnt- gegenkommt, die für die Frage der Religion überhaupt noch Sinn und Verständnis;, und dem Verlangen nach Wahrheit, nach einer Lösung des Räthsels der Welt und des Lebens noch nicht Valet gesagt haben. In der Vorrede, dem offenen Briefe an > Herrn von Bennigsen, einen alten politischen Genossen des Verfassers, geht derselbe zunächst von patriotischen Erwägungen aus, und bemüht sich zu zeigen, daß jene Frage specicll die Frage einer Versöhnung zwischen Christenthum und Bildung, daß die Frage der Rückkehr der Gebildeten zur Kirche, und nach ihrem Vorgang, dann auch der halbgebildeten und unteren Schichten, eine Lebensfrage unserer nationalen Zukunft ist. Indes; dies beweise an sich noch nichts für dieWahrheit des Christen- thums; diese müsse vielmehr an und durch sich selbst einleuchtend gemacht werden.
Die Darstellung ist eine durchaus anziehende und von allem Schulstaub freie; der Verfasser hat ausdrücklich für alle Gebildeten schreiben wollen, und dies ist ihm auch vollständig gelungen.
Redigirt unter Verantwortlichkeit des Herausgebers.
Druck und Verlag von 5. SchottlcNNlder in Breslau.
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