Heft 
(1878) 15
Seite
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Gut und Blut. Und so laßt uns denn beten, meine Freunde, und die Gnade des Herrn noch einmal anrnfen, daß er uns die rechte Kraft leihen möge in der Stunde der Entscheidung. Das Wort des Judas Makkabäus sei unser Wort:Das sei ferne, daß wir fliehen sollten. Ist unsere Zeit kommen, so wollen wir ritterlich sterben um unserer Brüder willen und unsere Ehre nicht lassen zu Schanden werden." Gott will kein Weltenvolk, Gott will keinen Babelthnrm, der in den Himmel ragt, und wir stehen ein für seine ewigen Ordnungen, wenn wir einstehen für uns selbst. Unser Herd, unser Land sind Heiligthümer nach dem Willen Gottes. Und seine Treue wird uns nicht lassen, wenn wir getreu sind bis in den Tod. Han­deln wir, wenn die Stunde da ist, aber bis dahin harren wir in Geduld."

Er neigte sich jetzt, um in Stille das Vaterunser zu sprechen; die Orgel fiel mit feierlichen Klängen ein; die Ge­meinde, sichtlich erbaut durch die Schlußworte, verließ langsam

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die Kirche. Ans den verschiedenen Schlängelwegen, die von der Kirche ins Dorf hernieder führten, schritten die Bauern und Halbbauern ihren halbverschneiten Höfen zu. Die Frauen und Mädchen folgten. Wer von der Dorfstraße aus diesem Herab­steigen zusah, dem erschloß sich ein anmuthiges Bild: der Schnee, die wendischen Trachten und die funkelnde Sonne darüber.

Die Gutsherrschaft nahm wieder ihren Weg durch die Nußbaumallee. Als sie, einbiegend, an die Hofthür kamen, stand Krist an der untersten Steinstufe und zog seinen Hut. Die silberne Borte daran war längst schwarz, die Kokarde ver­bogen. Berndt, als er seines Kutschers ansichtig wurde, trat an ihn heran und sagte kurz:

Fünf Uhr Vorfahren! Den kleinen Wagen."

Die Braunen, gnädiger Herr?"

Nein, die Ponies."

Zu Befehl!" Mit diesen Worten traten unsere Freunde ins Haus zurück. (Fortsetzung folgt.)

persönliche Erinnerungen aus den Jahren 18481859.

Zweite Abtheilung.

Vom Ministerium Brandenburg-Manteuffel bis Olmütz.

I.

Unmittelbar nach seiner Berufung befand sich das Ministe­rium Brandenburg-Manteusfel gewissermaßen auf dem Kriegs­pfade. Die Situation erhielt auch dadurch ihren charak­teristischen Ausdruck, daß dasselbe im Kriegsministerium seine Wohnung aufgeschlagen hatte und sich dort unter dem Schutz von Wrangels Bajonetten bis auf weiteres in Permanenz er­klärte. Es war dies in der ersten Zeit, wo die Bürgerwehr zwischen demClub Unruh", zu dessen Schutz sie aufgerusen war, und der neuen Ordnung der Dinge noch unentschlossen hin- und herschwankte, eine nicht überflüssige Vorsicht, zumal da dasdemokratische Bürgerthum" bekanntlich die nicht gerade löbliche Eigenschaft besitzt, alsbald wieder politisch und opposi­tionell zu werden, sowie es sich den Rücken einigermaßen ge­deckt sieht.

Ich habe damals wiederholt Gelegenheit gehabt, schon früh am Tage im Kriegsministerium zu sein, bin aber niemals so früh gekommen, daß ich die Herren nicht schon bei der Arbeit gefunden hätte. Da im Kriegsministerium alle Nachrichten zu­sammenliefen, und man dadurch vollkommen auf dem Laufenden war, so brach sich dort bald die Ueberzeugung Bahn, daß die Berliner Revolution weniger vom Tiger und mehr vom Affen hatte als die französische, und daß auch die Mehrzahl der so­genannten Bolksführer ganz umgängliche Leute seien, mit denen man unter vier Augen nach dem bekannten Berliner Ausdruck die Muttersprache sprechen könne.

Hierbei verwahre ich mich jedoch ausdrücklich gegen die Unterstellung, daß von einem plumpen Kaufen oder Bestechen gewisser Volkssührer die Rede sein solle. Man war glücklicher­weise einsichtig genug, um zu wissen, daß man einen Partei­führer nicht kaufen kann, um gegen das Interesse und die Prinzipien seiner Partei zu agiren, da, wenn jemand sich auf ein solches Geschäft einlassen sollte, derselbe dann eben nichts mehr Werth sein würde.

Es ist deshalb auch unwahr, wenn später von verschie­denen Seiten behauptet wurde, daß das Ministerium diesen und jenen Parteiführer, und daß es namentlich den damals bei der Masse der Bevölkerung sehr einflußreichen Herrn Held bestochen oder gekauft habe. Die Dienste, welche insbesondere der letztere der Regierung leistete, waren der natürliche Aus­fluß seiner eigenen Parteistellung, kraft deren er seinen An­hängern eine mehr soziale Richtung gab und die Arbeiter wiederholt und eindringlich warnte, sich nicht durch die poli­tischen Phantasmagorien der Demokratie ködern und hinter­gehen zu lassen. So viel ich weiß, war es deshalb auch der Regierung durchaus nicht unbequem, den Herrn Held und seine Gesinnungsgenossen als lebendiges Eniento rnm-i der Demo­kratie fungiren zu sehen.

Nach Auflösung der revolutionär gewordenen preußischen

Nationalversammlung und nach Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung auf der Straße mußte es selbstverständlich als eine der ersten Aufgaben des Ministeriums erscheinen, das unterbrochene Verfassungswerk wieder aufzunehmen und auf eine oder die andere Weise zum Abschluß zu bringen. Man griff dabei zu dem, wenngleich zunächst liegenden, doch nicht gerade besten Auskunftsmittel, in der Hauptsache das Werk der be­seitigten Nationalversammlung die sogenannteKarte Waldcck" als Ausgangspunkt zu wählen.

Freilich hätte einem tieferen staatsmännischen Blicke schon damals nicht verborgen bleiben können und sollen, daß man mit jener Wahl auf einen Weg einlenke, der nieman­den auf die Dauer befriedigen werde, doch lag die Theorie des falschen Konstitutionalismus wie ein ansteckendes und be­täubendes Miasma in der Zuft, und hatte insbesondere die Bureaukratie und die höheren Stände in einer Weise inficirt, daß bekanntlich selbst der vereinigte Landtag, welcher doch die konservative Blüte der Nation in sich fassen sollte, den demokrati­schen Postulaten, und selbst der Vereidigung der Armee auf die Verfassung fast ausnahmlos (nur die Herren von Bismarck und von Thadden traten ausdrücklich dagegen auf) zugestimmt hatte. Man faßte sich damals oft unwillkürlich an den Kopf, um sich zu vergewissern, ob man selbst den Verstand verloren habe oder die verehrlichen Mitbürger.

Mag es deshalb auch richtig sein, daß zu jener Zeit die politische Aufregung nicht größer gewesen sein würde, wenn man sofort alles dasjenige aus dem Verfassungsentwurfe entfernt hätte, was mit dem monarchischen Charakter und den histori­schen Lebensbedingungen Preußens als unvereinbar erschien, so haben doch alle diejenigen kein Recht zu einem derartigen Vorwurf, deren zweites Wort stets war:Nur um des Him­mels willen keine Reaktion." Ueberdies hätte eine solche Pnri- fizirung vorausgesetzt, daß man im Stande gewesen wäre, mit Verständniß auf die instinktiven Postulats der Masse des Volkes einzugehen und sich insbesondere in der ländlichen und bäuerlichen Bevölkerung denjenigen Rückhalt zu schaffen, welcher unent­behrlich war, wollte man dem liberalen Bürgerthnm die an­gemaßte Befugniß, dasVolk" zu repräsentiren, mit Erfolg streitig machen. Der Graf Pfeil hatte nicht ganz Unrecht, wenn er damals die Behauptung aussprach, daß im Jahre t848 die höheren Schichten der Bevölkerung alle freiwillig oder gezwungen den revolutionären Ideen gehuldigt, wogegen in dem Organisationstriebe der niederen Schichten die gesunden Tendenzen, wenn auch vielfach mit revolutionärem Schlamm und Gerölle bedeckt, zum Ausdruck gelangt seien. Sprach doch sogar der bereits genannte Volkssührer Held in seinem PlakateMeine Idee" drei Grundsätze aus, welche da­mals selbst dieReaktionäre" kaum zu verlautbaren gewagt hätten, nämlich,daß die Nationalversammlung ganz unfähig