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Die Hungersnoth in den nördlichen Provinzen Chinas, die nun schon so lange anhält, spottet nach den Berichten des Missionars Richard jeder Beschreibung und scheint an Ausdehnung und schrecklichen Folgen selbst die indische Hungersnoth vom vorigen Jahre zu übertreffen. Der genannte englische Geistliche fand auf einer Reise durch Scheinst die Landstraße mit Verhungerten und Sterbenden förmlich eingefaßt. Aus seinem Berichte entnehmen wir das folgende: „7. Februar 1878. Dies war der schrecklichste Tag für mich. Wir sahen zahlreiche Menschen Thon oder Steine verzehren. Ich kaufte drei Steinkuchen, die aus demselben Material wie unsere weichen Schieferstifte bestehen. Die Masse wird pulverisirt und mit den Hülsen von Hirse in größerer oder geringerer Menge vermischt und dann gebacken. Das so erhaltene Brod sieht nicht schlecht aus, schmeckt aber wie Staub. Die Todten, die ich heute zählte, waren zahlreicher, als an allen vorhergehenden Tagen. Auf die Entfernung von 55 Li nordwärts von Lingschihien zählte ich allein 20. Ermordete sind nicht selten; mein Diener schritt an der einen Seite eines Baches hin, ich an der andern; er fand ein beraubtes, erschlagenes Weib, das sich noch bewegte, ich einen Mann, dem das Haupt abgeschnitten war. Wölfe, Hunde, Raubvögel hielten ihre reiche Ernte an den Todten am Wege." — Ebenso wie es an Nahrung fehlt, mangelt auch Brennmaterial und man reißt selbst Häuser nieder, um mit dem erlangten Vretter- werk das Feuer zu speisen. Dabei stieg im kohlenreichsten Lande der Welt der Preis der Steinkohlen mehr und mehr, weil niemand es wagte, in die Kohlendistrikte zu reisen, da die Lastthiere unterwegs geraubt, geschlachtet und verzehrt werden. Als Missionar Richard nach dem Grade der Sterblichkeit sich erkundigte, erfuhr er, daß in einem Distrikte jeder dritte Mensch, in einen: andern sechs von zehn Leuten gestorben waren. Dörfer, die 300—500 Seelen zählten, waren jetzt auf 100 reduzirt und sollte hierbei, meint Richard, auch Uebertreibung unterlaufen, so ist eine Verminderung um die Hälfte der Menschen doch sicher. Das allerschrecklichste unter diesen Umständen ist aber, daß die Menschenfresserei an den verschiedensten Orten auftaucht. Ganze Häuser werden zu leichenerfüllten Gräbern und der Missionar fragte sich mehr als einmal: „Bin ich unter Lebendigen oder unter Todten?"
Was thut nun die chinesische Regierung gegenüber so fürchterlichem Unglück? Gewiß hat sie guten Willen, allein ihre Mittel sind dem Uebel nicht gewachsen und die Entfernungen zwischen den nothleidenden Gegenden und den kornreichen Bezirken sind ungeheuer groß. Eisenbahnen besitzt China nicht und die einzige kurze Strecke, welche zwischen Wusung und Schanghai erbaut war, hat dieselbe aus konservativen: Chinesenthun: wieder vernichtet. Selbst Geld und Rsichthum vermögen unter solchen Umständen nicht die Noth zu lindern. In Tientsin und an einigen anderen Orten lagert genug Korn, das der Regierung gehört, doch die wenigen übrig gebliebenen Lastthiere in Schansi können es nicht sortbringen. In der Nähe der Hauptstadt, wo Richard wohnt, ist die Sache nicht ganz so schlimm und dort kann man mit Geld wenigstens Hilfe schaffen. Von Europa, aus Indien, von den in China und Japan angesessenen Europäern sind große Summen gespendet worden, allein das ist ein Tropfen auf einen heißen Stein. In Schansi allein leiden mehrere Millionen Menschen auf das äußerste und in Tschili, Scheust, Schantung und Honan ist es mehr oder weniger ebenso. Das Ganze umfaßt einen Landstrich so groß wie das Deutsche Reich und Oesterreich zusammengenommen. Da unter solchen Umständen natürlich die Aecker nicht ordentlich bestellt werden konnten, weil es an Saat und Arbeitskräften fehlte, so ist auch für das folgende Jahr eine ähnliche Noth zu befürchten. Eine weitere Folge ist das Ausbleiben der Steuern, die Regierungskassen sind leer, die Beamten werden auf die Zukunft vertröstet; Papiergeld wird in nicht dagewesenen Mengen gedruckt und ist daher fast werthlös, der Sold der Provinzialtruppen ist um 3/10 verringert worden. Wo soll das hinführen?
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Die neuen Missionsstationen auf Neu-Guinea. Im Norden von Australien liegt dis große Insel Neu-Guinea, welche ausgedehnter als das Deutsche Reich ist. Ihr Inneres ist noch fast völlig unbekannt und nur in: Nordwesten ist man über die schwarzen, kraushaarigen und menschenfressenden Einwohner einigermaßen unterrichtet. Daß der Osten des reichen, schönen und fruchtbaren Eilandes uns jetzt besser bekannt wird, verdanken wir englischen Missionaren, welche dort seit ein paar Jahren ein günstiges Feld für ihre Arbeiten gefunden haben. In: Herbste 1877 sind unter Leitung deS Missionars Mac Farlane nun wieder drei neue Stationen eröffnet worden, worüber wir einem Berichte des genannten, sehr thätigen Glaubensboten das Folgende entnehmen. Die Bevölkerung an der Ostspitze Neu-Guineas ist zahlreich, physisch sehr kräftig und den Weißen gegenüber freundschaftlich und friedlich gesinnt, so daß sie die Errichtung von Mssionsstationen begrüßte, was völlig in: Gegensätze zu den feindlichen Stämmen im Nordwesten und Süden der Insel steht. Mac Farlane, ein anderer Missionar und seine Frau, sowie mehrere auf den benachbarten Inseln für den Missionsdienst ausgebildete Eingeborene begaben sich am 19. Oktober 1877 im Missionsschiffe „Bertha" zunächst nach dem an der Südküste gelegenen Port Moresby und unternahmen auf dem Flusse Laloki eine Fahrt ins Innere. Die Bevölkerung zeigte sich intelligent, ihre Dörfer waren ungewöhnlich sauber und nett, ihre Häuser und Canoes wohlgebaut und ihre Pflanzungen sahen wie wohl- kultivirte englische Gärten aus. Alle waren von Hecken umgeben, sorgfältig ausgejätet, die jungen Bananen und sonstigen Gewächse in schnurgeraden Linien gepflanzt. Die Bearbeitung geschieht in der Weise, daß zwei Tage gearbeitet und am dritten Tag als Ruhetag gefeiert wird. Ein Theil der Bewohner beschäftigte sich so mit Landbau, während ein anderer Fischerei betreibt und die Frauen täglich auf dem Marktplatze Gemüse und Fische verkaufen. Die erste neue Missionsstation wurde auf der Testinsel an: südöstlichen Ende Neu-Guineas gegründet. Hier zeigten die Eingeborenen der volkreichen Dörfer den Missionaren die an den Häusern hängenden Schädel und gaben jenen zu verstehen, daß dies die Reste von Feinden seien, welche sie gegessen hätten. Die Missionare aber seien ihre Freunde. Bald entwickelte sich hier ein lebhaftes Bild; das Missionsschisf war von Böten umgeben und das Deck füllte sich mit lärmenden Wilden, die alle begierig waren, Bandeisen zu kaufen. Gemüse, Fische, Keulen, Speere, Schmuckgegenstände, Steinäxte, Canoeruder, Fischnetze, alles, was sie besaßen, waren sie bereit, für starkes gutes Bandeisen hinzugeben. Im Dorfe wurde um den Werth
von wenigen Mark ein Haus gekauft, und als nun die Bewohner eines zahlreich bevölkerten Nachbardorfes darüber neidisch wurden, da auch sie die Missionare unter sich haben wollten, so wurde auch bei ihnen ein Haus gekauft. Am Abend wurde einer der polynesischen Lehrer als Pioniermissionar der Testinseln feierlich installirt, wobei Mac Farlane mit Hilfe seines Wörterbuches eine Ansprache hielt. Darauf segelte das Missionsschiff nach der malerischen Fortescue-Straße und gründete dort an der Mündung eines Flüßchens abermals eine Station in dicht bevölkerter Gegend. Es wurde ein schönes neues Haus, 10 Meter lang, 3 Nieter breit, für die Missionare gemiethet und in Gegenwart von 600 Eingeborenen Gottesdienst gehalten, wobei die Eingeborenen sich besonders für den Gesang zu interessiren schienen. Noch eine Station wurde auf der Stacey-Jnsel am Südkap errichtet, wo die Schwarzen bei Errichtung des Missionshauses halfen, in welchem der Engländer Chalmers und Frau sich niederließen. „Am 4. Dezember, schließt Mae Farlane seinen Bericht, nahmen wir von Chalmers Abschied, indem wir ihn der Fürsorge des Himmels empfahlen. Selten sind Missionsstationen unter günstigeren Aussichten gegründet, als diese im Osten Neuguineas. Lebensmittel sind gegen Bandeisen in Menge zu haben und das Klima scheint das gesündeste in allen bekannten Theilen der Insel zu sein."
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Es wird jetzt vielfach die Frage in Erwägung gezogen, ob man die Straußenzucht nicht in Europa einführen und diesen afrikanischen Riesenvogel wie die amerikanischen Truthühner oder die auch dem Süden entstammenden Fasanen züchten solle? Jedenfalls ist der Strauß unter allen Vögeln derjenige, welcher an: meisten Geld einbringt und in Afrika sind durch ihn Leute binnen ganz kurzer Zeit zu erheblichen Reichthümern gelangt. Denn der Strauß ist nicht mehr ein bloßer Jagdgegenstand sondern die Quelle ganz respektablen Einkommens geworden, seitdem inan ihn rationell züchtet. Noch vor zwanzig Jahren kamen nur solche Straußfedern in den Handel, welche durch Jagd erzielt waren, jetzt aber hat die Zucht dieses Thieres zumal in Südafrika einen solchen Aufschwung genommen, daß die meisten Federn im Handel von gezüchteten Straußen 'kommen. Natürlich ist nun auch die Frage aufgetaucht, ob man bei uns in wärmeren Landstrichen den Strauß nicht akklimatisiren könne? Es hat sich nämlich gezeigt, daß dieser afrikanische Vogel, dessen eigentliche Heimstätten man in ganz heißen Länderstrichen vermuthete, selbst auf den kühleren Grassteppen und der schneebedeckten Karru Südafrikas fröhlich gedeiht und auch in unseren zoologischen Gürten gut aushält. Versuche würden sich immerhin lohnen, da ein Straußen- pärchen leicht zu beschaffen ist. Da jeder ausgewachsene Vogel in: ganzen etwa hundert Federn erster Güte im Jahre liefert, die an: Produktionsorte (Port Elisabeth im Kaplande) etwa 10 Mark das Stück kosten, auf europäischem Markte aber doppelt so viel werth sind, so kann man sich eins Gewinnliste leicht feststellen. Wo die Strauße gezüchtet werden erhalten sie einen mehr oder weniger weitläufigen eingezäunten ebenen Raun:, in welchen: sie bequem umherlaufen können. Gegen Unbilden der Witterung schützt inan sie durch Holzstallungen und nur große Nässe und feuchter Boden werden ihnen nachtheilig. Haben sich die Vögel auf ihrem Standorte emgewöhnt, so legt das Weibchen durchschnittlich zweimal im Jahre je 10 bis 15 Eier, die man in Brütvorrichtungen oder Jncubatoren innerhalb sechs Wochen zur regelmäßigen und sicheren Ausbrütung bringt. Die Jungen entwickeln sich verhältnismäßig langsam und ihre Pflege erheischt keine geringe Sorge. Hauptsache ist es wieder, sie vor klimatischen Einflüssen zu schützen und ihnen eine regelmäßige Nahrung von Luzerne, Klee und Kornfrüchten zukommen zu lassen. Bei der Fütterung der alten Thiere entfallen alle Umstünde, nur darf man nie ihren Futterplatz wechseln. Haben sich die Vögel einmal an einen solchen gewöhnt, so umstellt man ihn derart mit mannshohen Pfählen, daß nur ein Eingang für ein Thier frei bleibt, durch den es nur mit dem halben Körper eindringen kann, so daß Schwanz- und Flügelenden außerhalb der Pfahleinfriedung bleiben. Nun tritt inan hinzu, erfaßt jede der einzelnen Federn, die abzunehmen sind, an: Kiel und schneidet sie mit einer scharfen Scheere zwei Zoll über der Wurzel ab. Das Ausziehen ist unstatthaft, da es dem Thiere
Schmerzen verursacht. Was die steigende Produktion dieses Artikels in der Kapkolonie anbetrifft, so genügt eS hervorzuheben, daß 1804 17,873 Pfund in: Werthe von 1,634,00» Mark, 1874 dagegen 86,829 Pfund im Werthe von 4,112,000 Mark zur Ausfuhr gelangten. Der durchschnittliche Werth einer schönen Feder beträgt in Europa 20 Mark. Der Gewinn, der aus einer Straußenfarn: erzielt wird, ist ein ganz beträchtlicher und das Anlagekapital ist unbedeutend zu nennen gegenüber dem großen Erträgnisse.
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Während der Pariser Weltausstellung konnte inan jetzt sehen, mit welcher Geschicklichkeit und Solidität japanische Handwerker die Baulichkeiten herstellten, in denen die aus Japan gesandten Jndustrieprodukte aufgestellt wurden. Nüchterne, ruhige und fleißige Leute erwarben sie sich die Anerkennung aller derjenigen, welche mit ihnen zu thun hatten oder die ihr Treiben beobachten konnten; vortheilhaft stachen sie ab gegenüber so vielen europäischen Arbeitern auf demselben Platze, die in Freistunden und Trinken erkleckliches leisteten. Nun schreibt jetzt Herr H. Brunton, der in Japan Eisenbahnen und Häuser gebaut hat, daß er die Japanesen als Handwerker nicht genug loben und selbst für Europa empfehlen könne. „Die Leute kannten, als sie mir unterstellt wurden, nicht ein einziges europäisches Werkzeug und doch habe ich mit ihnen vierzig Staatsgebäude in Japan aufgeführt, die mit allen europäischen die Konkurrenz bestehen. Ich stellte einen europäische:: Werkmeister an, dem ich 50 einheimische Zimmerleute übergab und bald waren seine Schüler so weit, daß ich sie fast alle wieder als Werkführer benutzen konnte, so geschickt und gelehrig benahmen sie sich. Ich glaube auf einen Ruf aus Europa würden massenhaft tüchtige Arbeiter aus Japan dorthin strömen, so begierig sind sie unsere Erfahrungen sich zu eigen zu machen und unser Land kennen zu lernen. In Japan erhalten die Leuts täglich Istz bis 2 Mark Lohn, wobei sie nüchtern, fleißig, fröhlich arbeiten und vor allem folgsam und fügsam, ohne Strikegedankenund socialistische Phantasien sind. Ich bin überzeugt, daß man sie mit Erfolg in Europa verwerthen könnte, man müßte aber z. B. den Zimmerleuten ihre eigenen Instrumente lassen, mit denen sie übrigens dasselbe leisten, als wir mit den unsrigen."