Heft 
(1987) 43
Seite
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schon in Leipzig und Dresden mit Erfolg gehaltenen Vorträge über deutsche Literatur auch in der preußischen Hauptstadt zu lesen, woraus sich vielleicht die Möglichkeit ergeben würde, diese als ständigen Aufenthaltsort zu wählen. In Berlin zu wohnen, wünschte Wolfsohn damals nicht zuletzt des Freundes wegen. Er begann seine Lesungen am 8, Februar 1848 mit einer Gratisvor­lesung überLuther und Lessing" imHotel de Russie". Daran schloß sich von Mittwoch, 16. Februar, eine Reihe von Vorträgen überDeutsche Dichter und Dichtwerke". Damals schrieb Bernhard von Lepel, nachdem er die Gratis­varlesung besucht hatte, am 14. Februar (nicht 24. Januar) 1848, Fontane mit Wolfsohn zu sich einladend und um ein Billett für den 16. Februar bittend: Eins für mich nehm ich jedenfalls und bedaure, wenn Dein Freund kein zahlreiches Auditorium haben sollte, weniger ihn als unsere berühmte Resi­denz, da sie so ungebildet erschiene, sich einen solchen Genuß entgehen zu lassen. Denn ein Genuß ist es wirklich, diesen beredten Menschen zu hören, mag das, was er sagt, nun ihm allein gehören oder ein Resultat seiner Studien des Gervinus oder sonst wessen sein. Bring ihn doch am Sonntag mit in den Tunnel, wenn es ihm bei uns gefällt, so tritt er vielleicht ein und wir machen eine gute Acquisition, die unsere verlorenen kritischen Elemente ersetzen dürfte." 3

Leider ist vorläufig nicht nachzuweisen, wo Wolfsohn im Januar 1848 Unter­kunft fand. Möglicherweise wohnte er bei Emilie Rouanet-Kummers Adoptiv­eltern Karl Wilhelm und Bertha Kummer, bei denen ja auch Fontane und sein Bruder Max oft für länger Station machen durften, wenn sie bei ständigem Wohnsitz in Letschin in Berlin weilten. So hat z. B. Fontane die Zeit vor sei­nem Apothekerexamen (2. März 1847) durch Emilies Vermittlung in der Zim­merstraße 2 bei Rat Kummer zugebracht. Damals hatte Emilie selbst seit einem Tag Gast in Letschin am 28. Dezember 1846 den Pflegevater gebeten: Theo und Max [Fontane] sind fest entschlossen, nie wieder zu Fontanes (Onkel August und Tante Pinchen, die noch im Sommer 1846 Fontanes Gast­geber gewesen waren] zu gehen, mir ist es recht, kann ich doch auch nur da­durch gewinnen. Theodor kommt den 7. oder 8ten Januar nach Berlin, ich habe mit ihm gesprochen, ob er bei Lepel wohnen wird, es schien mir aber, daß es ihm nicht ganz recht ist, weil dort so vielerlei ist, was ihn von seinem Examen abzieht. Du mein lieber, teurer Vater hast Dich ja immer so liebevoll und aufopfernd gegen mich benommen, daß ich fest überzeugt bin, wenn ich Dich recht herzlich bitte und Dir sage. Du erfüllst mir einen großen Wunsch, Du nimmst meinen Geliebten so lange bei Dir auf; Du bist ja so gut, und auch gegen Theodor stets so gewesen, daß Du es auch noch diesmal sein wirst. Wenn Du es mir erlaubst, so sage ich es ihm an seinem Geburtstag und grüße ihn von Dir.'"' 1

Auch die Novemberwochen 1847, die dem Einzug in dieSchandkneipe" vor­ausgingen, verlebte Fontane bei Rat Kummer, wie die Adressenangabe im Brief an Wolfsohn vom 10. November 1847 zeigt. Man kann sich unschwer vor­stellen, daß auch Wolfsohn diese Gastfreundschaft erfuhr und Zimmerstraße 2 derHafen" war, in den Fontane den Freund im Januar 1848 lotste. Zumin­dest war Wolfsohn in diesen Wochen in Berlin ein häufiger Gast im Hause von Emilies Adoptiveltern. Am 2. Juli 1848 dankte er Bertha Kummer für erwiesene Freundschaft mit überschwänglichen Worten:Wenn ich Ihnen nur

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