Issue 
(1897) 13
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Linksrheinisch.

ich nehme es ihm nicht übel; ich habe ja überhaupt Ursache genug, dankbar zu sein. Die beiden andern Bezirksoffiziere sind Leute, die erst seit kurzem ver­heiratet sind; da mag man nicht lästig fallen. Die Herren Fabrikanten aber meiden uns wie das böse ! Fieber; ohne die Herren Merkle und Martelet wäre ich zu einer Einsamkeit verurteilt, die mir trotz meiner landwirtschaftlichen Beschäftigungen doch viel- ^ leicht etwas lästig fallen könnte. Wenn aber gar das gnädige Fräulein mir dann und wann ein Stündchen"

O nein! nein, nein," unterbrach ihn Jeanne mit tiefem Erröten,das ist gar nicht in der Ord­nung das liegt auch nicht in meiner Absicht."

Nachträglich that es ihr leid warum war sie nur so schroff und schnell von ihm weggeeilt? Hatten die Dinge, die er gesagt hatte, sie nicht bereichert, beruhigend auf ihr Inneres gewirkt? Sie sehnte sich plötzlich nach Monsieur Martelet; es war so reizend, wie die beiden, durch das Schicksal zu Feinden bestimmten Menschen voneinander sprachen. Der alte Herr hatte sie bei ihrer Heimkehr begrüßt, sich aber seither nicht wieder blicken lassen ganz gewiß wegen seines schlechten Gewissens, weil er nicht Wort gehalten hatte. Was aber konnte den Kapitän abhalten, wie es sonst seine Art war, über den Freund loszuziehen und ihr so ein wenig die Zeit zu vertreiben?

Er war mit einer Idee beschäftigt, er war auf einer Spur; er fuhr nach Kolmar hinüber und kam spät abends mit einem länglichen Gegenstand Zurück, dem er die größte Sorgfalt angedeihen ließ. Er mußte damit durch das Städtchen, und da es ein lauer Frühlingsabend war, befand sich alles auf der Gasse. Tie Fabrikmädchen laut schwatzend und sich bei den Händen fassend, die Burschen rauchend und singend hinter ihnen her; von Zeit Zu Zeit flog irgend ein Held aus einer der Wirtschaften heraus und torkelte mit wüstein Geschrei durch die Gaffe.

Ah, der Kapitän," hieß es, als der dicke Herr des Weges kam,bonebour, Noimisur la eaMaiue!"

Er grüßte auf das freundlichste nach rechts und links :Lon soir, ni68 enkaiit8, bon 8oir, E8 6iikaat8" und sie alle lachten, denn sie wußten, auch er hatte eins über den Durst getrunken; denn er war nur liebenswürdig, wenn er was im Kopf hatte.

Am andern Morgen begab sich Martelet, wie er das seit einiger Zeit that, schon zu ziemlich früher Stunde in das Hänschen des Hauptmanns. Bijou saß vor der Gartcnthür und überlegte, ob er ein gehorsamer Hund sein wolle und draußen bleiben, oder nicht doch lieber hinein ging, trotz der Aussicht auf Prügel. Es war noch ein junges Tierchen, das gern spielte, und darauf ließ sich sein Herr nicht ein; dagegen drüben, der Hauptmann, der Ver­stands; sie tollten sich manchmal im Garten herum wie zwei Kameraden, und Bijou saß nun da im Kampfe zwischen Pflicht und Neigung, zitterte mit den Vorderpfoten und winselte dazu.

Wenig Schritte von ihm entfernt kämpfte der brave Tröndle mit seinem Gewissen und hatte es fast noch schwerer. Das Mädel stand wieder jenseits

Ueber Land und Meer. Jll. Okt.-Hcfle. XIV. 13.

des Gitters, und so oft er von seiner Gartenarbeit aufsah, sah sie von der ihren ans uud lachte ihn an.

Mer ischt au nit von Holz," brummte er vor sich hin,i werd' emol im Herr Hauptmann mi Minung sage, so geht's bigott nimme weiter"

Da fuhr er erstaunt in die Höhe:Was war das woher kamen diese Töne?"

Auch Theres ließ das Liebäugeln sein und eilte auf die Straße; Martelet kam aus dem Hause, hinter ihm der Hauptmann. Mademoiselle Jeanne, die im Garten gesessen hatte, gesellte sich zu ihnen; die Gärtnerslente liefen herbei, das ganze Gesinde des Monsieur Merkle, uud alles starrte zu den Fenstern des Kapitäns hinauf und lachte und schrie: Horche, horche, der Kapitän blost uf der Flöte!"

Bijou fing an wie besessen darauf los zu heulen, und der Spektakel ließ nichts zu wünschen übrig.

Martelet begab sich schleunigst in das Haus seines Freundes:Mensch," schrie er ihn an,haben Sie den Verstand verloren?"

Allein der Kapitän war so vertieft in sein Musizieren, daß er nichts sah und nichts hörte; er hatte einen dunkelroten Kopf, mit von der An­strengung geschwollenen Adern, die Augen traten ihm aus den Höhlen. Martelet packte den Freund bei den Schultern und schüttelte ihn. Da ließ der Kapitän die Flöte finken, wischte sich den Schweiß von der Stirn und sagte, indem er dem Freund siegesgewiß zunickte:Ich wette, das treibt ihn fort."

Ich fürchte, er wird's auShalten, aber Sie nicht, mein armer Freund," gab ihm Martelet zur Ant­wort und führte ihn vor den Spiegel.

Hm," machte der .Kapitän,glauben Sie?"

Flöte blasen bei dieser Konstitution," fuhr ihn der Franzose an,mit diesem kurzen, dicken Hals"

Ich wollte handeln "

Und sich dabei töten!"

Und Sie thun gar nichts."

O ja, ich warte auf einen günstigen Bioment."

Der nie eintreten wird."

Wenigstens blamiere ich mich nicht."

Wer thut das?"

Wenn ich boshaft wäre, würde ich Sie ans Fenster führen. Sie haben sich da ein ansehnliches Auditorium zusammengeblasen; Bijou sang die zweite Stimme; kein Auge blieb thränenleer."

Der Kapitän nahm seine Flöte, die ein sehr ausgedientes, altes Möbel war, schaute sie grimmig an und warf sie in die hinterste Ecke des Zimmers.

Mloim," sagte Martelet und klopfte dem Kapitän auf die Schulter,ich habe uns soeben bei Ma­demoiselle Jeanne für den Abend angesagt; es han­delt sich darum, daß wir Ihre musikalische Leistung als einen Spaß hinstellen lassen Sie mich nur machen, ich werde Sorge tragen, daß wir die Lacher auf unsrer Seite haben; nur, bitte, verderben Sie mir nicht alles durch Ihr Gesicht!"

In der That, Martelet schwindelte etwas zu­sammen von einer Wette, die er verloren und der Kapitän gewonnen habe; es war ja immer so, daß er den kürzeren zog, er hatte es längst gelernt, sich in sein Schicksal zu ergeben.

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