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Ueöer Land und Meer.
Zwischen dem alten Franzosen, der es nicht lassen konnte, den Liebhaber zu spielen, und Mademoiselle Jeanne sand die lebhafteste Unterhaltung statt; jedes bemühte sich, das Thema vom deutschen Offizier um Gottes willen nicht aufkommen Zu lassen, denn Martelet schämte sich, daß er trotz seines Versprechens noch immer keinen Versuch gemacht, den Fremden aus der Nachbarschaft wegzubringen, und Jeanne schämte sich noch viel mehr, weil sie es überhaupt nicht mehr wünschte.
Sie war nicht ohne Schlauheit, was die Flasche Neichenweier Riesling verriet, diese Perle des Elsasses, womit sie des Kapitäns verbissenen Groll zu besänftigen suchte. Er schwand auch wirklich völlig dahin, denn der berühmte Elsässer Weinspruch besagt nicht umsonst:
Zu Thnnu im Nnngen,
Zu Gebwciler in der Wnunen,
Zu Tiivckhcim im Brand Wächst der beste Weiu im Land,
Doch gegen die Rcichcnwcier Sporen Haben sic all das Spiel verloren.
Nur Monsieur Merkte, der sich sonst ganz gern mit den beiden Herren herumstritt, schwieg und Zog zum Entsetzen seiner Tochter ein und das andre Mal die Uhr aus der Westentasche. Martelet merkte es wohl, aber es machte ihm Freude, den Fabrikanten noch ein Weilchen Zappeln zu lassen.
Als Martelet ausbrach, entschuldigte er sich auf das lebhafteste und beschwor den Hausherrn, sie um Gottes willen nicht länger auszuhalten.
„Sehen Sie sich den Kapitän an: er lächelt schon, der Unglückliche, — höchste Zeit, daß ich ihn nach Hause bringe, denn wenn er im gewöhnlichen Leben ein Bär ist, so ist das lange noch nicht das schlimmste. In der Weinlaune wird er sentimental."
Jeanne saß wieder einmal in ihrem Hüttchen; es war dies der einzige Ort, wo sie's stundenlang anshielt, ohne von ihrer inneren Unruhe gequält zu werden. Einigemal schon war sie in ihrem Hellen Kleid am Gitter vorbeigegangen, der Hauptmann war nicht gekommen. Nun ja, er hatte ganz recht, es wäre sogar taktlos gewesen, wenn er es gethan hätte, nachdem sie es ihm so deutlich gezeigt, daß sie diese Unterhaltungen am Gitter nicht in der Ordnung finde.
Natürlich waren sie nicht in der Ordnung, aber was sollte sie denn thun, um dieser Oede in ihrem Innern zu entfliehen, diesem entsetzlichen Gefühl der Verlassenheit! Wenn sie hier saß und hörte den Hauptmann lachen, das Zerstreute sie doch wenigstens; er war so munter; es ging immer so laut her da drüben; entweder er schall mit Bijou, fuhr seinen Burschen an oder plauderte mit Bichette; diese war am besten bei ihm angeschrieben; ganze Zwiegespräche hielt er mit der Katze, die ihm schnurrend um die Beine strich. Heute kan: die Waschfrau; sie war voll dem Weg heraus ein wenig außer Atem, und der Hauptmann befahl sofort:
„Tröndle, einen Stuhl und ein Glas Wein."
„Nur ei Kemmer hatt' i," meinte die Alte, nachdem sie sich, aus das umständlichste für die Ehre, die ihr zu teil wurde, bedankt hatte. „Mit Ehre
Kücheschürz', Herr Hauptmann, des isch doch züe arg; jetzt hän mer bald in jede nein Schürz e Loch nei brennt; des kann nit so fort geh —"
„Tröndle," rief der Hauptmann, „kommen Sie mal her! Was soll denn das heißend Warum brennen Sie denn in jede Schürze ein Loch?"
„Das kommt halt von der Kocherei, Herr Hauptmann," entschuldigte sich der Bursche.
„Eh," sagte die Wäscherin, „andre Leut koche oi, des Loch muß nit si, Ihr min halt e Weng Obacht gebe, Mannla."
„Merken Sie sich das!" fuhr der Hauptmann seinen Burschen an.
„So Mannslitt allei, des esch halt schwer," meinte die Alte, „Sie sollte hirote, Herr Hcinpt- lnann, do ging's anders in Ihrem Haushalt Züe."
„In meinem Haushalt geht's ganz recht zu," sagte der Hauptmann, „da herrscht vor allen Dingen die Sauberkeit; sehen Sie nur nach, Sie finden kein Stäubchen; elegant ist's freilich nicht, aber das ist auch Nebensache."
Die Alte ging, indem sie den ganzen Gartenweg entlang vor sich hinkicherte. Auch Jeanne lachte; es fuhr ihr durch den Kopf: ,Welch ein Feld für eine Frau, die ihn liebte!' — als des Hauptmanns Stimme ganz in ihrer Nähe sie erschreckt zusammen- fahren ließ.
„Nun, was giebt's? Haben Sie noch was auf dem Herzen, Tröndle?"
„Jawohl, Herr Hauptmann, ich Hab' im Herr Hauptmann nur sage wolle, daß es nimmer so weiter goht, das Mädle giebt kei Nuh' — und immer kann man an nit widerstehe."
„Hm," sagte der Hauptmann, „ich kann Ihnen nur wiederholen, lieber Tröndle, es geht nicht, daß mein Bursche mit einem Mädel in der Nachbarschaft anbandelt. Können Sie nicht anders, so muß ich Sie eben ablösen lassen, dann trifft mich keine Verantwortung mehr. Immerhin gebe ich Ihnen zu bedenken, das Mädel ist blutjung und ordentlicher Leute Kind; sind Ihre Absichten eigentlich ernster Natur — oder —"
„Ich weiß nit recht, Herr Hauptmann, sie giebt halt kei Ruh' -"
„Nun, wissen Sie, so ein junges Ding, das tappt in seiner Dummheit auf den ersten Burschen zu und weiß selber noch nicht recht, warum; sie wird schon zur Besinnung kommen, und daun dankt sie's Ihnen vielleicht noch einmal, wenn Sie ein anständiger Kerl waren. Was meinen Sie, Tröndle, überlegen Sie sich den Fall —"
Eine Pause entstand; dann sagte der Bursche:
„Wenn der Herr Hauptmann erlaube, aber so schnell goht's bei.mir nit."
„Dann lassen Sie sich Zeit."
Jeanne saß mäuschenstill da; sie wagte sich nicht zu rühren, aus Furcht, entdeckt zu werden, was nach dem, was sie gehört, sie mit einem wahren Entsetzen erfüllte. Sie nahm sich vor, zu warten, bis der Hauptmann den Garten verlassen habe; sie konnte das durch einen Spalt des Gartenhäuschens beobachten; sie hatte die ganze Zeit diesen Spalt