Issue 
(1897) 13
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Hkeöer Land und Weer.

Jagdschlößchen er ging barfuß er wollte nie im Zimmer bleiben, wenn wir da waren; ich ging ihm einmal nach - im Holzschuppen fand ich ihn da haben wir uns geprügelt"

Das war der geschwisterliche Instinkt," sagte der Hauptmann;Geschwister prügeln sich immer."

lieber Jeannes verweintes Gesicht flog der Schatten eines Lächelns, aber nur für einen Augenblick, dann schüttelte sie das Haupt:

Es ist noch heute so, ich ich kann zu diesen: Menschen kein Herz fassen; ich wäre unglücklich, mit ihm zusammen leben zu müssen ach, was hat mein Vater gethan so etwas sollten Eltern nicht thun dürfen es ist nun so vieles anders ich bin wie ans die Straße geworfen wie verlassen ich kann ihn ja doch nun nicht mehr achten"

Sie fing von neuem zu schluchzen an, indem sie das Gesicht in ihren Händen vergrub.

Sie müssen die Sache ruhiger beurteilen lernen," tröstete der Hauptmann.Ihr Vater ist trotz allem ein tüchtiger Mann und hat Eigenschaften genug, die Ihre Achtung verdienen; vollkommene Menschen giebt es überhaupt nicht; wir fehlen alle, so oder so. Freilich, ein junges, wohlbehütetes Mädchen mit seinem rein bewahrten Gewissen muß wohl erschrecken, wenn ihm zum erstenmal ein Licht aufgeht, was Liebe, Ehrgeiz, Gewinnsucht alles auf der Welt an- stellen können. Aber die Stunde kommt an uns alle, in der uns einmal die Kraft verläßt und wir der Stimme nnsers Gewissens zum erstenmal kein Gehör schenken. Von diesem Augenblick an ver­stehen wir dann vieles besser."

Jeanne war plötzlich dunkelrot geworden.

Ich auch ich," stotterte sie;ich wußte recht wohl, es war nicht recht, daß ich mich in dieses Hüttchen gesetzt habe, so oft Papa und Sie Zusammen plauderten, und that es doch"

lieber des Hauptmanns Züge flog ein Lächeln, und er sah Jeanne mit einem so glücklichen Aus­druck an, daß sie ganz verwirrt die Augen senkte.

Ihre Seelen waren sich in diesen: Augenblick sehr nahe, und so kurz die Pause war, Jeanne fand sich selbst wieder; die Last, die ihre Seele so tief darniedergedrückt hatte, gab sie frei, ein unbeschreib­lich hoffnungsfreudiges Gefühl durchzitterte sie, und sie atmete tief auf.

Ich will versuchen," flüsterte sie,ich habe dei: besten Willen." ^

Dann geht's auch," nickte er,es geht alles!" Wieder kam ihr ein halbes Lächeln:Sie sind so zuversichtlich Sie sind ein wahrer Trostspender, alles kommt zu Ihnen -- Papa, Monsieur Mar- telet, ich, und Gott weiß, wer sonst noch"

Ja, es ist merkwürdig, wie leicht die Menschen einen: zulausen, wenn nian's gut mit ihnen meint."

Ich begreife deshalb noch immer nicht Sie sind so anders gar nicht so stramm wie die andern Offiziere"

In: Dienste wohl, mein gnädiges Fräulein, aber ich finde es geschmacklos, diese Eigenschaft auch außerhalb desselben zur Schau zu tragen." ^

Ich dachte, weil Sie so große Freude an Ihren landwirtschaftlichen Beschäftigungen finden und dieses stille Leben hier Ihnen so behagt, die militärische Lauf­bahn sei Ihnen eigentlich nicht nicht so"

Wie ihr das Herz schlug, als er ihr mit der größten Lebhaftigkeit ins Wort siel:

Ich bin mit Leib und Seele Soldat, mein gnädiges Fräulein; wenn ich mich trotzdem hier sehr wohl befinde, so kommt das daher, weil es mir wirklich ein Anliegen ist, die Lücken meiner Bildung ein wenig ausznfüllen; inan muß sich zu sehr her­geben im Dienst, als daß man noch Frische genug für andre Dinge übrig haben könnte. Es ist nicht mehr zeitgemäß, auf den alten Blücher anzuspielen, der nicht einmal richtig schreiben konnte und trotz­dem ein großer Feldherr war. Jetzt hat eben jeder seinen guten Schulsack, und der Offizier muß wohl oder übel mit vorwärts, wenn er im Kreise der Gebildeten etwas gelten will. Nun, und je mehr er weiß, je tüchtiger er ist, um so besser wird es seinen Soldaten bekommen. Ein Compaguie- führer ist ja eigentlich auch nichts andres als ein Lehrer; es ist die Stellung, die ich für die schönste in der ganzen militärischen Laufbahn halte; jeder Mann im Glied hängt von seinem Hauptmann ab, und ist der ein ganzer Kerl, so gehen die Leute für ihn durchs Feuer. Es ist die Stellung, die mich erwartet, mein gnädiges Fräulein, und auf die ich mich freue."

Jeanne sprang ans; die Französin regte sich wieder in ihr; sie war blaß geworden und hatte

Mühe, ihre Fassung zu behaupten; zu dem eben er­lebten Schmerz hatte sich ein neuer gesellt, und der erschien ihr noch viel herber.

Ihr Blick hatte etwas Fremdes, beinahe Kaltes, als sie sich von Dnmont verabschiedete. Er verbeugte sich, und sie bemerkte plötzlich an der Art, wie er dies that, daß er auch stramm sein konnte. Sie

nahm sich vor, nie wieder in den Garten zun: Gitter

zu gehen, aber sie bemerkte von: Fenster aus, auch

der Hauptmann kam nicht. Nie in ihrem Leben hatte sie sich so einsam und verlassen gefühlt. Mon­sieur Merkte war so zerstreut, so ganz und gar nur mit seinen eignen Gedanken beschäftigt, daß er kaum hinhörte, wenn seine Tochter ihn in eine Unterhaltung zu ziehen suchte.

Sie wußte wohl, was ihn beschäftigte, was ihn veranlagte, seine Schritte immer wieder nach dem Portierhäuschen zu lenke::. Dort wohnte der Sohn, und Monsieur Merkte schien in diesem Augenblick für nichts andres Sinn zu haben als für jenen blassen, hart blickenden Burschen, der Jeanne so unsympathisch war.

Die Unterredung hatte stattgefunden; sie war so außerordentlich nüchtern ausgefallen, daß Monsieur Merkle, der doch an Kaltblütigkeit etwas zu leisten vermochte, sich nachträglich nicht genug über des Burschen äußere Haltung wundern konnte. Der junge Mann stand nahe bei der Thür, den Hut in der Hand, den Blick an Monsieur Merkle vorbei aus das Fenster gerichtet. So hörte er's mit an,