Issue 
(1897) 13
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Ueöer Land nnd Weer.

sich's aus dem Tiefblau des Meeres empor als eiu dunkler Koloß, von blauem Dunste ganz und gar umhüllt. Bald sah man unter diesem Schleier das Rötliche des Gesteins hervorschimmern nnd wilde Zinnen und Zacken sich in die blaue Lust verlieren. Das Farbenspiel noch mehr zu be­leben, trat das Weiß der Brandung hinzu. Dunkle Linien, die in fast regelmäßigen Abständen die mächtigen Wände hernnterliefen, gaben sich als schmale, tiefgesurchte Thäler zu erkennen, die die einzelnen gewaltigen Bergrücken von­einander trennen. An der steilen Küste entlang fahrend, steuerte das Schiss einer Stelle der Insel zu, wo sich eine Senkung zwischen den Bergmanern kenntlich macht und sich eine größere Landfläche weniger steil zum Strande herab­zieht. Hier an dem breiteren Knstensaume zeigte sich Santa Cruz, die Hauptstadt von Teneriffa.

Wenn du dich nun, werter Leser, mit mir ans Land rudern laßt, so wundere dich nicht zu sehr, wenn dir da­selbst manches spanisch vorkommt; du betrittst ja spanischen Boden. Stellst du ferner nicht allzu hohe Ansprüche an die spanische Küche und fürchtest du Moskitos und andre Insekten nicht, so logiere mit mir in einer kleinen und billigen spanischen Fonda und sieh dir das teure englische Hotel, in dem es sehr steif hergeht, lieber nur von außen an.

Wer nun meinen möchte, Santa Cruz, das mit seinen kleinen, weißen Häusern, den platten Dächern und den schmalen Straßen einen afrikanischen Anstrich zeigt, sei der Kultur entrückt, der merke, daß die Stadt ein Schlacht­haus besitzt, cbenso eine Markthalle. Und sieht man die Menge der Geschäfte auch deutsche Firmen entsenden dorthin ihre Waren, so begreift man, daß Handel und Verkehr den Ort lebendig machen. Das Bild der Bevölkerung freilich (die Stadt zählt 20 000 Einwohner) ist keineswegs so bunt, als man wohl erwartet. Die meisten scheinen Leute zu sein, die einem schon einmal be­gegnet sind. Eine geringe Minderheit zeigt branngelbe Gesichtsfarbe. Unter den weiblichen Wesen fallen viele durch einen ziemlich stark ausgeprägten Anflug von Schnurr­bart ans. An allen Ecken und Enden hört man das Ge­belfer von Hunden, die sich in Unzahl auf der Insel finden, wie um den NamenKanarische Inseln", das heißt Hunde- Jnseln, zu rechtfertigen. Der Reisende allerdings, der dort ausschaut nach einem Theater oder Konzertlokal, nach einem Cuts eliuukuuk oder ähnlichein, sieht sich enttäuscht. Nur Sonntag abends hat er die Freude, am Korso teilzunehmen, den die Bevölkerung oben im jaräino pudlieo unter Pfeffer- und Lorbeerbäumen bei dem Klange der Musik der spanischen Garnisonskapelle unternimmt. Außerdem werden im Winter, wenn der Andrang von Spaniern und Fremden ein größerer ist, in der Arena Stiergefechte ab­gehalten, bei denen die abgetriebenen Postgäule ihr kläg­liches Ende finden.

Sobald die Sonne im Niedergange begriffen ist, sitzt es sich vor dem Hauptcafe des Orts guatro natioueW auf offener Straße recht angenehm. Eine Erfrischung, der norwegisches Eis die erwünschte Kühle giebt, labt Herz und Gemüt. Ein großes, steinernes Kruzifix ist

die einzige Zierde des Marktplatzes. Die Bänke an seinen Längsseiten sind von Erwachsenen dicht besetzt; unter deren Augen vergnügt sich die Jugend beim Ball­spiel, durch Springen über die Schnur, mit Herumbalgen auf dem Pflaster. Dann und wann zieht ein Trupp an­geheiterter Matrosen über die Bildfläche nach der Mole zu. Auf der eineu Seite macht sich die fünf- oder sechs­spännige Post zur Abfahrt in die Berge bereit, an der andern zieht eine Eselkarawane heraus; die Tiere keuchen unter dem Drucke der Last und den Stockschlägen der rohen Treiber. Schließlich kommt eine spanische Patrouille rote Hosen, blaue Juppe, weißer Tschako, mit aus­gepflanztem Bajonette im Geschwindschritt vorübereilend.

Der Brennpunkt alles Lebens im Orte ist selbstverständ­lich der Hafen. Die wildzerrissenen Höhen präsentieren sich hier in ihrer ganzen Großartigkeit. An ihrem Klippen­gürtel bricht sich die schäumende Gewalt der wühlenden Wogen. Kleinere Fahrzeuge aller Gattungen beleben das durch die Mole geschützte Becken. Weiter draußen liegen in majestätischer Ruhe die großen Dampfer, die die Kohlen- schlepper erwarten, die ans den geräumigen Schuppen der englischen Gesellschaft die schwarzen Diamanten bringen. Tagsüber wird die Mole nicht leer von Bootsleuten, die die Passagiere an Bord rudern, von Anglern, die der zappelnden Beute das Genick dnrchbeißen, von Jungen, die in Adamskostüm baden nnd den Promenierenden bitten, ihre Tanchknnst ans die Probe zu stellen. Gegen Abend erscheint die Weiblichkeit der feineren Kreise mit ihren Bediensteten, im Schwimmanznge ein kühles Bad zu nehmen. Drollig ist es anzusehen, wenn die Garnison am Strande erscheint und abteilungsweise badet: für die Menge der Köpfe scheint dann die Fläche zu klein zu sein.

Ausflüge von Santa Cruz ans in die benachbarten Küstenstriche lassen erkennen, welchen Einfluß die vom heißen Festlande herübcrwehendcn Winde ausüben. Die ans­gedörrten Berghänge sind mit Euphorbien und Kakteen beseht. Von letzteren sehen manche wie mit Spinnweben überzogen ans; sie sind die Brutstätten der Cochenille. Versucht man, den weißlichen Ueberzug zu entfernen, so färben sich die getroffenen Stellen rot. Aus den Fels­spalten schauen neugierig die glänzenden Rosetten der Echeverien hervor. Ans der dnrchglühten Sohle des steinigen Flußbetts wimmelt's von Eidechsen, die durch ihre Länge aussallen. Prächtig muß das Schauspiel sein, wenn hier zur Regenzeit die Gebirgswasser in rasendem Gefälle aus dem malerischen Hintergründe hcrvorschießen. Die vereinzelt stehenden Palmen verstärken das melancholische Gepräge der dürstenden Sommerlandschaft.

Je weiter wir auf der Insel nach Westen kommen, desto mehr sieht man die Vegetation an Ueppigkeit und Mannigfaltigkeit zunehmen, denn die in den westlichen Ge­bieten vorherrschenden Westwinde bringen vom Ozean die befruchtende Feuchtigkeit. Während in Orotava, dem Hauptorte von Teneriffas Westküste, die Tage seltener sind, an denen die Sonne vom wolkenlosen Himmel niederstrahlt, ist in Santa Cruz das Umgekehrte der Fall. Der Hoch­gelegene, plateauartige Kern der Insel, der früher seenreich gewesen sein muß der Name des HanptortesLaguna" mit seinem englischen HotelAguerre" erinnert daran, ist eine echte Kornkammer. Pfirsich und Melone gedeihen hier in besonderer Güte. Auch Neste des uralten Wald­bestandes sind noch vorhanden, so der Mercedeswald und der Wald von Aqua Garcia. Sie sind oft des Sonntag? das Ziel unsrer dortigen marsch- und reitlustigen Lands­leute, die unter Heide- und Lorbeerbäumen im Grün des Epheus und der Farne die Sorgen des Geschäfts ver­gessen wollen. Seltsam mögen dann den uralten Stämmen die deutschen Weisen klingen, zumal sie überhaupt nicht an Gesang gewöhnt sind. Die kleinen Vögel von Sperlings­größe und Sperlingsfarbe, echte Kanarien, die sich in ihrem dicken Geäst piepend und zwitschernd vergnügen, zeigen einzig bei uns gesangliche Begabung. Es kommt wohl kein Handelsdampfer aus Deutschland, der hier nicht unsre Harzer, oft zu einem sehr hohen Preise, absetzte. Ueberall auf der Insel findet man in Bauern den gelben Fremdling und seinen ungeschulten Vetter beisammen. Vielleicht meinen die guten Leute, auf diese Weise das wilde Reis zu veredeln.

Die nach Westen führenden wohlgepflegten und be­lebten Straßen werden schwerlich von unfern Obstbaum- alleen übertroffen, selbst wenn die Bäume im schönsten Frühlingsschmuck prangen. Baumartige Pelargonien und Oleander bilden ihre prächtige Einfassung. Dann und wann