Linksrheinisch.
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Vergnügt war nur der Bijou; er machte wahre Lnftsprünge in seiner Seligkeit und kehrte dann wieder zum Kapitän zurück, von dem er in letzter Zeit immer nur angefahren und angeschnanzt worden war.
Der arme, alte Herr, jetzt dachte er nicht daran; er gab sich eine krampfhafte Mühe, die nötige Artigkeit anfzubringen; die Worte des verstorbenen Freundes lagen ihm im Sinn, jene Prophezeiung: ,Es stehe ihm noch was bevor'. Nun war es da — in Gottes Namen, er wollte sich fügen — dem Kameraden zuliebe; darum war er ja auch mitgegangen, denn daß dieser Ausflug einen Zweck hatte, das war nicht schwer zu erraten. Der alte Herr fuhr sich von Zeit zu Zeit mit dem Taschentuch über die Stirn, leicht wurde ihm die Sache nicht; er hätte so gern sein allerbösestes Gesicht gemacht, aber dann fielen ihm wieder die letzten Worte seines Freundes ein: ,Die Welt geht ihren Lauf — üben Sie sich einstweilen in der Grazie?
Es kam vor, daß auch Dnmont und Jeanne zuweilen nebeneinander gingen, aber ihre Unterhaltung war eine gezwungene, sie sahen beide vor sich nieder, und das Gespräch kam ins Stocken. Jeanne litt unsäglich unter dem Bewußtsein: ,Jch allein bin schuld, ich habe ihm seine Unbefangenheit, seine herzliche Freundlichkeit durch meine Kälte, durch mein Fremdthnn vergällt — ach, jetzt das rechte Wort!'
Dnmont kam ihr nicht entgegen; er hatte nicht Lust, sich ein zweites Mal einer Erfahrung auszusetzen, wie die, welche er am Grabe Martelets gemacht hatte.
So stiegen sie über drei Stunden bergan. Zuweilen gab's einen kleinen Aufenthalt durch den Esel der Tante Juliette, der plötzlich störrisch wurde und nicht weiter wollte. Wenn dann der junge Bursche, der ihn führte, recht auf das Tier einhieb, legte sich jedesmal der Hanptmann ins Mittel und brachte es fertig, ohne Schlüge, nur durch seinen Zuspruch den Eigensinn des Esels zu brechen.
Als auf die Frage der alten Dame, ob das Tier immer so sei, der Bursche zur Antwort gab: „Er walzt sich halt gern im Drack," durfte der Hauptmann gar nicht mehr von Tante Juliettes Seite weichen, bis sie endlich oben standen auf den: Gipfel des Bergfürsten, der sich wie ein Riese über all dein kleinen Bergvolk erhebt.
Is voilä," rief Tante Juliette ans, „der oldi Babbe Rhien — sutin," fügte sie mit einem Seufzer hinzu, „Is bon Visa U 0 U 8 1'u xris — ulloim Nonsisur Is eapitaios, net traurig si —- js insurs äs kailn — i denk', i gang ins Wirtshüs, nach de Forelle schaue. Sie bliebe so lang bi de ssrms8
gsuö, n'68t-es M8?"
Der Kapitän, der nach den beiden hingeblickt hatte, fuhr mit dem Kopf herum:
„Das ist nicht nötig," stotterte er, „Hanptmann Dnmont ist ein durchaus zuverlässiger Mensch."
„Sie Han rächt," sagte die alte Dame und nahm des Kapitäns Arm, „II a In xb^iognomis rnngss?'
Jeanne und der Hanptmann standen allein; vor ihnen lagen die Höhen und Thäler der Vogesen, die gesamte Rheinebene dehnte sich vor ihnen aus,
weit hin, bis nach Straßburg und dem „heiligen Grenzwald" bei Hagenau. Dahinter lagen die Alpen im Duft der mittäglichen Beleuchtung, aber in schönen, dunkeln Wellenlinien zogen sich der Schwarzwald und die Vogesen rechts und links am Nheinufer hin.
,Dies ist vielleicht der einzige Moment? sagte sich Jeanne, ,der einzige und letzte Augenblick?
Sie war der Verzweiflung nahe, denn das Wort, das sie beide erlösen sollte, es kam ihr noch immer nicht — jene unglückselige Scheu wollte sie nicht frei geben, und es stand doch alles auf dem Spiel.
Da mit einemmal, nach einem tiefen Atemzug, kam's leise, fast stoßweise von ihren Lippen:
„Der Schwarzwald, die Vogesc —
Sie sehn si frimdlich an —"
Ein freudiger Schreck durchfuhr die Seele des neben ihr stehenden Mannes; in fragendem Tone fiel er ein:
„E nachbarliches Wese?"
Und sie flüsterte unter Thränen, mit halb erstickter Stimme:
„Ja — ja — Sie sin sie zuegcthan."
Ihre Hände fanden sich, sie sahen sich in die Angen; es bedurfte keiner Worte mehr.
Die SLauffacher-Kapelle kei Siemen im Kanton Schwyz.
(Siehe die Abbildung Seite 325.)
er ans seiner Wanderung durch die schöne Schweiz ans der Landstraße von Steinen nach Schwyz dahinschreitet, nimmt schon ans einiger Entfernung eine schmucke Kapelle wahr, und näher gekommen, versäumt er gewiß nicht, vor der traulichen Stätte Rast zu machen und das Freskogemälde zu betrachten, das die Front des Gotteshauses ziert. Das Bild stellt die Scene dar, von der Werner Stauffacher seiner treuen Gertrud berichtet. Um ihm die trüben Gedanken zu verscheuchen, erinnert sie ihn an seinen stolzen Besitz, an das stattliche Hans, „reich wie ein Edelsitz, von schönem Stammholz neu gezimmert". Er aber weist sorgenvoll darauf hin, daß der böse Landvogt ihm diesen Besitz nicht gönne und ihm höhnisch den Bau des schönen Hauses vorgeworsen habe:
„Ich bin Regent im Land an Kaisers Statt Und will nicht, daß der Baner Hänser baue Auf seine eigne Hand und also frei Hinleb', als ob er Herr war' in dem Lande.
Ich werd' mich unterstehn, euch das zu wehren!"
Teneriffa,
Von
Erich Aeyer.
(Siehe die Abbildungen Seite 338/37, 344/45 und 349.)
dritte Tag war zur Hälste verronnen, seit wir Gibraltar verlassen hatten. „Land in Sicht", erscholl es, und sämtliche Passagiere fanden sich auf Deck ein, sich von der Wahrheit der frohen Kunde zu überzeugen. Ein grauer Nebelstreif lag vor uns, mit jeder Viertelstunde an Gestalt und Farbe gewinnend. Immer deutlicher hob