Issue 
(1897) 13
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Uelier Land und Weer.

tauchen zwischen ihnen die Blütenkandelaber der Agaven auf. Stellenweise Helsen gewaltige Pfefferbäume den Straßenrand befestigen, die Lust weithin mit ihrem nar­kotischen Dufte erfüllend. Und sieht man endlich, nach mühseliger Postfahrt bergauf und bergab, das blaue Meer wieder, so geht einem das Herz auf beim Anblick der lachenden Gefilde, die sich zum Strande hinabsenken. Zucker­rohr- und Bananenplantagen versorgen die ganze Insel mit ihren reichen Erträgen. Selbst Kaffee wird hier und dort angebaut. Die Rebe reift noch in einer Höhe von weit über tausend Meter. Was das feuchtwarme Klima Tene­riffas im Westen zu erzeugen vermag, zeigt ein Blick in den kleinen, aber schönen botanischen Garten nahe bei Orotava. Außer einer sehr großen Anzahl stattlicher Palmen aus aller Herren Länder fesseln die Araucarien und Mangroven den Besucher am meisten. Vor dem Eingang des Gartens fallen einem einige Drachenbäume auf, die an ihren mehrere tausend Jahre alten Ahn erinnern, der bis zum Jahre 1868 nicht weit von ihnen gestanden hat. Während dieser in seinen Jugendtagen wenigstens das Glück gehabt hatte, das friedlich schöne Leben eines harm­losen Völkchens belauschen zu können, weiß sein Enkel von achthundert Jahren, der im Klostergarten von Laguna zu sehen ist, nur von traurigen Tagen zu erzählen. Die blutigen Hetzen, in denen die armen Guanchen, die Ur­bewohner der Kanarischen Inseln, von den Spaniern teils niedergemetzelt, teils als Sklaven sortgeführt wurden, kann er schwerlich vergessen. Und auch unter der jetzigen, aus der Vermischung von germanischem und romanischen Blute hervorgegangenen Bevölkerung gärt's, das spanische Regi­ment zu vertreiben, das rechten Wohlstand und wahre Zufriedenheit doch nicht aufkommen läßt. Alan wird weh­mütig berührt, wenn man beim Durchstreifen der von der Natur reichgesegneten Insel auf die elenden Höhlen­wohnungen der armen Steinarbeiter stößt.

Weder die Plantagen noch der botanische Garten dürften es fein, die den Touristen nach der Westseite Teneriffas locken, vielmehr etwas andres, das wohl mit Recht als der Edelstein der ganzen Insel bezeichnet wird: der Pik von Teneriffa, auf spanisch Uieo äkl Veiäv geheißen. Alexander von Humboldt, der vor hundert Jahren die Insel besuchte, schreibt von ihm:Es ist, als ob der Vulkan die kleine Insel, die ihm zur Grundlage dient, erdrückte; er steigt aus dem Schoße des Meeres dreimal höher auf als die Wolken im Sommer ziehen. Wenn sein halb erloschener Krater Feuergarben auswürfe wie der Stromboli, so würde der Pik von Teneriffa dein Schiffer in einein Umkreis von mehr als 260 Meilen als Leucht­turm dienen."

Wie eiir Bergkönig auf gewaltigem Throne sitzend, so präsentiert er sich dem Reisenden in Orotava. Man er­blickt vor sich einen langgestreckten, tafelförmigen Berg, den Monte Verde, und auf denselben aufgesetzt, mehr in der Ferne, den steilen Hügel des eigentlichen Piks, bei dem aber wiederum die Spitze, das ist der eigentliche Aschen­kegel, als künstlich daraufgestellt erscheint.

Der Führer auf dem Lasttier mit den Vorräten, ich hinter ihm auf einem munteren, kleineren Reitpferd kanarischer Rasse und der Pserdediener als der letzte, wir bildeten die ganze Reisekarawane. Noch vor dem Morgengrauen waren wir aufgebrochen. Im Zickzack erklommen wir auf felsigem Pfade den Monte Verde. Während sich beim Hinaufreiten der Kegel des Piks unfern Blicken entzogen hatte, tauchte er nun, nachdem wir nach vierstündigem Ritte auf der Kante des Plateaus augekommen waren, in überraschender Nähe, Größe und Schöne vor uns auf. Dunkle Rillen ziehen sich an den Seiten des Kegelstumpfes herunter, auf dem sich der aufgesetzte Aschenkegel viel deutlicher zeigt als vom Strande aus. Die etwa 1800 Meter hoch gelegene Fläche,

das Plateau von Kanadas genannt, macht in ihrer Oede einen trostlosen Eindruck. Freudig blickt man auf, wenn man das Klingeln einer Ziege hört, die sich furcht­sam dem Wanderer nähern will. Die Sonne versendet in Wahrheit glühenden Brand, der vom Boden doppelt heiß zurückstrahlt. Letzterer ist über und über mit losem Bims­steinsand bedeckt, der unter den Füßen eigenartig klirrt. Der traurige Eindruck des Ganzen wird ein wenig ge­mildert durch die grünen Tamasträucher, die den Boden an manchen Stellen beschatten und aus ihren weißen Schmetter­lingsblüten einen angenehmen Duft verbreiten. Nack- kurzer Rast und bescheidener Mahlzeit den Tieren wurde ein wenig Wasser in die Nüstern eingegossen ging es nach der nördlichen Abdachung des Piks, wo sich der Sand in gewaltigen Massen zu Hügeln aufgetürmt hat. Hie und da sieht man riesige schwarze Steinblöcke von Kugel­form und mehreren Metern im Durchmesser. Es sind die Spielbälle des tückischen Berggeistes" gewesen, der sie mit furchtbarer Gewalt so weit geschleudert hat. Nach langem, ermüdendem Ritte über und durch die Sand­massen war der eigentliche Abhang erreicht. Wir mar­schierten nun zu Fuß weiter, die Pferde wurden geführt. In zahllosen Windungen ging es wieder hinan. Mehr und mehr verloren sich Sand und gröberes Gestein, viel­fach schillernder Obsidian bildete den Untergrund. Je höher wir kamen, desto deutlicher traten die Lavaströme hervor, die von weitem sich wie dunkle Strahlen dein Auge zeigten, in der Nähe sich aber als gigantische Felskämme erwiesen. Bald hat man sie erreicht, und nun steigt der Weg zwischen den Lavablöcken hindurch und über sie hinweg bedenklich steil ail. Ernstlich ermüdet erreicht Ulan endlich das Ziel, die Schutzhütte. Dieselbe blickt nach Osten und befindet sich etwa in einer Höhe von 3000 Metern, in mächtige Lavaströme eingebettet. Eine Agenzia hat sie er­baut und erhebt von jedem Touristen, der in ihr ein primitives Nachtquartier nehmen will, 6,75 Pesetas (etwa 5 Mark). Die Hütte ist ans Lavasteinen fest zusammen­gefügt und enthält für die Pferde, die Führer und die Senores besondere Abteilungeil. Die nötigen Schlüssel bekommt der Führer von der Agenzia in Orotava ein- gehändigt. Die Blechthür der Abteilung für dieHerren" ist gewissermaßen das Fremdenbuch. Sinnreiche Sprüche lassen die Stimmung der Besucher erkenneil.

Etwa elf Stunden hatten wir gebraucht, um bis zur Schutzhütte zu kommen; es war vier Uhr, und wir hatten nuil hinreichend Zeit, das immerhin noch begrenzte Pano­rama zu betrachten. Von dem luftigen Höhensitze schaut das Auge auf eine unheimlich wilde Gebirgsscenerie herab. Vor sich sieht man ein Halbrund von Bergketten in den verschiedensten Farbentönen, vom rötlichen Braun bis zum bläulicheil Schwarz. Gleichsam dem fruchtbaren Gelände all der Außenseite als Schutzwehr dienend, umschließen sie das Sandmeer der Kanadas. Ein schattenhaftes Dreieck senkt sich weit über sie hinweg dem Horizonte zu, um so spitzer werdend, je näher die Zeit des Sonnenunterganges rückt. Vergraben in einem Labyrinth wüster Steinmassen, fühlt man so recht die Oede und Einsamkeit der Höhe.

Die niedrige Temperatur, die rasch zunehmende Dunkel­heit und die Ermüdung ließen mich bald die Matratze der Hütte aufsuchen. Doch der rechte Schlaf wollte nicht kommen, und ich war froh, als der Führer, noch ehe der erste Strahl der Morgenröte zu flimmern begann, das Zeichen gab, den letzten Aufstieg zu wagen. Der matte Schein der Sterne beleuchtete ein wenig den kaum mar­kierten Pfad. Ueber Geröll führt er im Zickzack höher und höher, bald sich im Gewirr der Lavablöcke verlierend, bald ans die freie Höhe hinaustretend. Nachdem man so das letzte Stück des Kegelstumpfes bezwungen hat, befindet man sich auf einem Felde von sandartigem Bimsstein, dicht