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Melier Land und Meer.
jüngste Mitglied zählt nur sieben Sommer, das älteste über sechzig, und es ist schwer zu sagen, wer von beiden enthusiastischer ist. Wenn man keinen Gegner findet, kann man ebensogut allein spielen, denn zwei Gegner stehen einem stets zur Verfügung. Der erste ist der eigne Rekord (die niedrigste Zahl der gemachten Schläge), den herabzusetzen immer des Golfers Ehrgeiz ist, der andre ist der „Oberst Bogey", ein fingierter, mystischer, dämonartiger Spieler, die Verkörperung der tadellos gespielten Runde. „Oberst Bogey" macht niemals einen Fehler. Seine Leistung ist stets die nämliche, niemals phänomenal, doch immer normal gut. Die Zahl seiner Schläge ist wohlbekannt, und man hat nur zu versuchen, seinem Rekord möglichst gleich zu kommen. Ich brauche nicht zu sagen, daß der tüchtige „Oberst" nur ein Begriff und keine Person ist.
Golf ist außerdem ein wissenschaftliches Spiel. Mit dieser scheinbar kühnen Behauptung meine ich, daß die Natur des Spiels eine derartige ist, daß sie den wissenschaftlich gebildeten, denkenden Menschen interessieren muß, denn eine Partie Golf ist eigentlich nur eine Reihe von Experimenten über die Ballistik. Nur wenn der Ball genau rechtwinklig vom Schläger getroffen wird, fliegt er geradeaus. Kommt die Bewegung ein wenig von rechts nach links, so fliegt der Ball in einer mehr oder weniger breiten Kurve nach rechts, und umgekehrt: wird der Ball zu tief getroffen, so fliegt er hoch in die Höhe und infolgedessen nicht so weit wie sonst. Ist man aber nicht so weit vom Loch entfernt, und will man den Ball „tot", das heißt unbeweglich auf das „Green" legen, so trifft man ihn absichtlich etwas tief, damit eine Gegenumdrehung erzeugt wird, was beim Aufschlagen des Balles gleichsam als Bremse wirkt und ihn verhindert, weiter zu rollen. Mit einem Tennis-Racket ist diese Bewegung leicht zu erzeugen, mit einem schmalen Golsschläger aber erfordert es viel Hebung. An einem windigen Tage sind die Prinzipien der Ballistik ebenfalls streng zu beachten, und das Gefühl für die Dynamik muß besonders ausgebildet werden, damit man nicht zu weit oder nicht weit genug schlägt. Ja, lieber Leser, das Golfspiel läßt sich nicht in einem Tage erlernen! Seine Geheimnisse sind schwer zu enthüllen, und gerade hierin liegt ein Hauptreiz des Sports. Der bejahrte Mann, der seit seiner Jugend dein edeln Spiel ergeben war, kehrt von der letzten Partie voll Enthusiasmus über einen besonders gelungenen „Putt" oder einen wunderbaren Schlag — aus dem tiefsten Graben direkt ins Loch — zurück. Das ganze Jahr durch ist er auf dem „Links" zu finden, und selbst wenn der Schnee seine weiße Decke über den harten Boden gezogen hat, spielt er ruhig weiter, in diesem Falle mit roten Bällen.
Die Anziehung, die das Spiel für seine Verehrer besitzt, gleicht an Stärke nur der Gleichgültigkeit derjenigen, die es nicht verstehen. Man glaube nicht dem frevelhaften Spötter, der behauptet, das Golfspiel bestehe darin, einen kleinen weißen Ball vormittags ins Blaue hinaus zu schlagen und ihn nachmittags zu suchen! Der Golfenthusiast erkennt nur einen Nachteil seines Lieblingssports an, nämlich, daß man dazu eines ziemlich ausgedehnten Terrains bedarf, das nicht überall bequem zu haben ist. Doch selbst in diesen: Falle liegt eine Aushilfe in der Elasticität des Wortes „bequem". Man braucht nur etwas weiter zu gehen, und das Nötige wird schon zu finden sein. Um ein Beispiel zu wählen: Der Golfplatz der Berliner liegt im Westend, eine gute halbe Stunde per Bahn von der Mitte der Stadt, und doch scheint diese Entfernung zu keinen Beschwerden geführt zu haben. Im Gegenteil nehmen die meisten Mitglieder die Gelegenheit wahr, einen Sport in den Dienst des andern zu stellen, und radeln fröhlich hinaus durch die schöne Schwesterstadt Charlottenburg nach dem kleinen Klubhaus im Fürstensaal.
Nun denn, man spiele Golf! Es wird jedes Jahr in Deutschland populärer, und wir werden es zweifellos erleben, daß, wie in Großbritannien und den Vereinigten Staaten, in nicht allzulanger Zeit auch bei uns die Gols- klubs zu Ehren gelangen. Dies wäre zu wünschen, denn alsdann würden vielleicht unsre Mädchen etwas weniger Schlummerrollen und dergleichen sticken und unsre Studenten etwas weniger zechen.
Unter den besten Golfspielern Deutschlands sind die Berliner Dame Fräulein Alice Wobring, Professor Vr. Miller von der Universität Berlin, Prinz Albert zu Schleswig- Holstein, Mr. Twist, Herr Richard Leo, Herr Knowles, Redakteur der Zeitschrift „Sport im Bild", und der englische Botschaftssekretär, Mr. Spring-Rice, zu nennen. In Wiesbaden wohnen zwei Damen, Frau vr. Monk und Frau Dr. Strecker, die ehrenvolle Erwähnung verdienen. Die Meisterschaft von Deutschland und Oesterreich gewann 1896 und 1897 der Schreiber dieser Zeilen.
vr. Edward Breck.
Die Wiener Zubitäums-AussiellAng.
(Siehe die Abbildung Seite 320 und 321.)
Regierungsjahre sind ein seltenes und denk- d würdiges Ereignis in der Geschichte der Staaten; deshalb rüsten sich die Völker Oesterreich-Ungarns, um der Feier des Regierungsjubiläums Kaiser Franz Josephs, der bekanntlich am 2. Dezember 1848 den Thron bestieg, einen imposanten Ausdruck zu geben. Unter den festlichen Veranstaltungen im Jubiläumsjahre müssen in erster Linie zwei bedeutende Ausstellungen in der Reichshauptstadt verzeichnet werden: die Kunstausstellung, die einen internationalen Charakter besitzt, und die große österreichische Jubiläums-Ausstellung, die eine Schaustellung alles dessen ist, was in Oesterreich aus den Gebieten der Industrie und Technik, der Volkswohlfahrt und Bildung, der Landwirtschaft und des Verkehrs während der Regierung des Monarchen geschaffen wurde.
Weit über die Marken des Reiches ragt die Bedeutung dieser Jubiläums-Ausstellung hinaus, die infolge ihrer von der hergebrachten Schablone abweichenden Anordnung als eine Generalprobe zur Bethütigung Oesterreichs an der Pariser Weltausstellung angesehen wird und einen wertvollen Beitrag zur Geschichte heimischen Gewerbefleißes bildet. Diesen Erfolg dankt man dem Zusammenwirken der bewährten Fachmänner des Niederösterreichischen Gewerbevereins, an deren Spitze die Herren Vr. Ausspitzer, Breßler und Wüste stehen. Der Schauplatz ist wieder die gewaltige Rotunde im Prater, die seit fünfundzwanzig Jahren wohl schon ein Dutzend Ausstellungen beherbergt hat, jetzt aber durch den vergrößerten Park mit den zahlreichen schmucken Bauten alle früheren an räumlicher Ausdehnung weit übertrifft.
Wir betreten die Rotunde durch das Kaiserzelt, woselbst Kaiser Franz Joseph am 7. Mai die feierliche Eröffnung vornahm, und finden unter dem Riesendach eine Fülle der zumeist für diese Jubiläums-Ausstellung angefertigten gewerblichen Meisterstücke. Hier sind die Gruppen „Wohnung", „Verkehr" und „Kleidung" untergebracht, während in den Seitengalerien dem Publikum Gelegenheit geboten ist, ganze Musterwerkstätten in Betrieb zu sehen und zu beobachten, wie aus den rohen Materialien, Holz, Metall, Leder, der Gespinstfaser und so weiter, die fertigen Gebrauchsgegenstände entstehen. Im „Seidenhof", einem schönen Portalbau mit korinthischen Säulen, haben die Seidenindustriellen ihre kostbaren Tücher, sarbenglänzenden Stoffe und Bänder überaus geschmackvoll vorgeführt. Auf