Heft 
(1897) 13
Seite
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Ueber Land und Meer.

rührender, sehnsüchtiger Ausdruck ruhte auf seinen bleichen Zügen, den Zügen eines Märtyrers.

Und als Lala an das Bett geführt wurde, stürzte sie sich mit erschütterndem Schluchzen über die Leiche ihresarmen, kleinen Arlecchino" und flüsterte ganz trostlos:Und ich hatte ihn ja doch so lieb . .

Dann las sie den Brief und wurde sehr krank.

Der Pack Papiere:Meine Personalien" wurde zur Polizei getragen, und den Brief an Lala las der Direktor, damit die Todesursache festgestellt werden konnte. Und nach acht Tagen erfuhr Lala durch die Zeitungen, daß sie den größten italienischen Dichter der Gegenwart in den Tod getrieben habe...

Da hat sie furchtbar gelacht und ist sofort wieder gesund geworden.

Am nächsten Tage hat sie mit dem Herrn ganz allein zu Abend gegessen, und ein Jahr später ist sie in: Mailänder Krankenhaus gestorben...

Warum war der arme, kleine Arlecchino auch so häßlich?" das waren ihre letzten Worte.

politische Rechte der Nrauen.

Von

Richard Wulckow.

6^er Aufruf der Berliner Frauenrechtlerinnen an ihre Gesinnungsgenossen, bei den bevorstehenden Reichsiags- wahlen nur für solche Kandidaten zn wirken, die willens sind, im Parlament die Frauenrechte zu vertreten, hat die Oeffentlichkeit in keine sonderliche Erregung versetzt. Un­bedingter Beifall ist ihm nur in geringem Maße zn teil geworden; dagegen hat es, wie ja zn erwarten war, an Ironie und Spott keineswegs gefehlt. Man würde nun aber viel zu weit gehen, wenn man hiernach das Vorgeheir selbst als verfehlt und zwecklos bezeichnen wollte, denn man darf den Einfluß der Frauen im politischen Leben und also auch bei den Wahlen nicht unterschätzen. Wie es von jeher der Fall gewesen ist, so werden in gewissem Sinne und Um­fange die Frauen auch heute politischen Einfluß ausüben, und dieser wird um so größer sein, je klüger, vorsichtiger und liebenswürdiger sie diesen Einfluß geltend zu machen wissen. Nur in diesem Sinne glauben wir des Fürsten Bismarck be­kanntes Wort verstehen zu sollen, nach dem esin Deutsch­land wohl bestellt ist, wenn sich die Frauen zur Politik halten". Davon aber weit entfernt liegt die von den fort­geschrittensten Frauenrechtlerinnen geforderte politische Gleich­berechtigung mit dem Manne und die Erstrebung des aktiven und passiven Wahlrechts, Forderungen, die an sich mit dem erwähnten Aufruf wenig zu thun habeil.

Wenn nun die Frauen den gegenwärtigen Moment für geeignet hielten, für die Wahlen in gewissem Sinne mobil zn machen, so leitet das seine wesentliche Berechtigung daraus her, daß der Reichstag bisher keineswegs durch Gründlichkeit und Tiefe der Debatten sich über ein aus ernsteil Studien hervorgehendes Urteil bezüglich der Frauenfrage ausgewiesen hat. Das zeigte sich so recht deutlich bei den vor etwa zwei Jahren gepflogenen Ver­handlungen über das Vereins- und Versammlungsrecht; aber auch sollst trat bei Beratungen, die wichtige und schwierige Probleme sozialer Natur betreffen, mit peinlicher Deutlichkeit zu Tage, daß nur die Oberfläche berührt, über die tiefere ethische Bedeutung aber leicht hinweggegangen lvurde. Das wäre nicht denkbar, wenn solche tiefgehende Fragen, mit denen die Frauenbewegung eng zusammen-

hängt, für alle Volksvertreter Gegenstand eines ernsten Studiums geworden wären. Das ist bis jetzt leider nicht in dem gewünschten Maße der Fall, wenn auch anerkannt werden muß, daß neuerdings in den Parlamenten ein wachsendes Interesse für die Frauenfrage wahrzunehmen ist.

Ob der erwähnte Aufruf praktische Erfolge zeitigen, das heißt eine bedeutende Zahl von wahren Freunden der Frauenbewegung in den Reichstag bringen wird, ist zu­nächst gleichgültig; es kommt vielmehr für jetzt darauf an, immer wieder auf die Notwendigkeit hinzuweisen, der Frauen­frage ernstlich und unbefangen näher zu treten und ans die Unhaltbarkeit der jetzigen Zustände hinzuweisen.

Es kann doch kaum etwas Widerspruchsvolleres gedacht werden als die Festsetzungeil über das Vereins- und Ver- saminlnngsrecht der Frauen. Sie dürfen an politischen Versammlungen als Besucherinnen wie als Rednerinnen teilnehmen; politischen Vereinen dürfen sie aber nicht an­gehören, ja nicht einmal den Festen derselben-beiwohnen. Null ist aber der Begriff eines politischen Vereins keines­wegs klar und feststehend, sondern durchaus strittig und dehnbar. Das Reichsgericht nimmt nach seinen Entscheidungen ail, daß unterpolitisch" das zn versteheil ist, was die Verfassung, die Verwaltung und Gesetzgebung des Reiches, sowie die internationalen Angelegenheiten angeht; es be­zeichnet aber auch wirtschaftliche Fragen mitpolitisch", wenn es sich um Aenderungen bestehender Verhältnisse durch staatliche Anordnung handelt oder überhaupt um soziale Fragen oder soziale Gesetzgebung. Man möchte in der That die Frage aufmerfen, was heilte im öffentlichen Leben keine politische Frage ist? Ein Urteil des Kammergerichts will unterPolitik" alles gefaßt wissen, was unter den Begriff der Staatswissenschaften fällt oder falleil kann. Man sieht, wie schwankend der Begriff ist, und wie schwer sich praktisch mit ihm operieren läßt, ganz besonders dann, wenn bei der Regierung Neigung zu Beschränkungen vor­handen ist. Im Königreich Sachsen hat man ganze Arbeit gemacht: die Frauen sind sowohl von'politischen Vereineil als auch von politischen Versammlungen allsgeschlossen. Das mag ganz konsequent sein, paßt aber nicht in ein modernes Staatswesen hinein, und daher sind die Frauen in ihrem Rechte, wenn sie dagegen polemisieren, wie es kürzlich Frau Schulrat Caner in ihrer ZeitschriftFrauen­bewegung" ganz herzhaft gethan hat.*)

Vielleicht käme man aus jedem Begriffszwiespalt heraus, wenn man hier unterPolitik" die Beschäftigung mit den Fragen des öffentlichen Lebens verstände und die Frage so stellte, ob sich die Frauen in Versammlungen und Vereinen, in Wort und That am öffentlichen Leben beteiligen können oder nicht.

Die Frauen lediglich bei ihrer häuslichen und wirt­schaftlichen Bestimmung festhalten zu wollen, geht heute schon auswirtschaftlichen" Gründen nicht mehr an, und es klingt wie ein offenbarer Anachronismus, wenn man im Parlament die Frauen vorsichtig aufsHaus" verweist und mit der Einräumung gewisser politischer Rechte sogleich amerikanische" Zustände befürchtet. Die Zahl der für das öffentliche und politische Leben interessierten Frauen wird in Deutschland voraussichtlich niemals bedeutend sein, und schon deshalb ist es allzu ängstlich , wenn man bei dem Fernhalten der Frauen von dem Forum des öffentlichen Lebens die Erhaltung guter deutscher Frauensitte im Auge hat; es kollidiert aber mit der Strömung der heutigen Zeit, in der ein jeder die ihm eigne Kraft und Befähigung auch in den Fragen des öffentlichen Lebens bethätigen will, gleichviel, ob als Mann oder als Frau. Warum sollen die Frauen denn nicht über soziale, wirtschaftliche, politische

ch Die Zweite sächsische Kammer hat kürzlich ihr Votum für das Versammlungsrccht der Frauen abgegeben.