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Weber Land und Meer.
ausschickt, sich dabei ganz gut stehen wird. Daß es weibliche Diplomaten zu allen Zeiten gegeben hat, mag ja ganz richtig sein, aber von dieser Diplomatie hinter den Kulissen bis zum beglaubigten Gesandten an sremden Höfen scheint mir denn doch ein etwas weiter Schritt zu sein. Um übrigens das den Frauen gemachte Kompliment stark abzuschwächen, fügt Herr v. Wildenbruch noch so beiläufig hinzu, daß „die Frau einen ganz vortrefflichen Detektiv abgeben würde".
Der Bildhauer Reinhold Begas sagt: „Warum soll das Weib nicht fähig sein, sich an der Gesetzgebung zu beteiligen; seine Anschauung ist natürlicher, unverdorbener. Das weibliche Gehirn wird nicht überladen mit mathematischen Problemen und griechischen Vokabeln, die keinen Raum mehr übrig lassen für irgend eine naive Anschauung der Dinge". Daß es gerade die gelehrten Frauen sind, die auf die politischen Rechte aspirieren, vergißt Begas in der „Naivität" seiner Anschauung vollständig. Theodor Mommseu spricht sich über das heikle Thema mit knappen, ablehnenden Worten aus: „Einem Blatte, wie ,Budapesti Naplo' es ist, schlägt ein deutscher Schriftsteller nicht gern eine Bitte ab. Aber ich kann dennoch nicht umhin, Ihre Forderung abzulehnen. Ich bin grundsätzlich ein Gegner dieser Gattung allgemeiner Enqueten, habe mich nirgends auf eine solche eingelassen und kann davon nicht abgehen. Auch haben mir die Frauen des neunzehnten Jahrhunderts so viel zu raten aufgegeben, daß es ebenso unhöflich wie unmöglich sein würde, sich über die Frau des zwanzigsten in einigen Zeilen zu äußern." Ich glaube, daß das Votum des großen Historikers nicht leicht genommen werden darf, wenn es auch nicht mit deutlichen Worten präzisiert ist. Eine Zustimmung zu den Strebungen der Frauen nach dem Stimmrecht enthält es sicher nicht.
Der Mann kam: vermöge seines kräftigeren Naturells den politischen Erregungen und Kämpfen größeren Widerstand entgegensetzen, aber je größer dieser Widerstand ist, desto mehr wächst auch sein Bedürfnis, das gestörte innere Gleichgewicht wiederherzustellen durch das friedliche Bild seiner Häuslichkeit, durch den Anblick seiner Kinder und des Wirkens und Waltens seiner Gattin. Stellt man sich im Gegensatz dazu eine ernste, vielleicht sogar leidenschaftliche Fortsetzung der politischen Debatten „am stillen Herd" vor, so wird man sich eines unheimlichen Gefühls nicht erwehren können. Es geschah deshalb aus einer psychologisch richtigen Erwägung, daß ein großer Teil der Vorkämpferinnen für das politische Stimmrecht der Frauen im gepriesenen „Musterlande" England dasselbe zunächst nur für die unverheirateten und verwitweten Mitglieder des Geschlechts beanspruchte. Thöricht war nur, daß jene eifrigen Damen die absolute Verschiedenartigkeit der Geschlechter in ihren Programmen und Aufrufen ignorierten und von der Frauenwelt als von einer Klasse sprachen, wie man etwa von Adel, Geistlichkeit oder Bürgerstand spricht. Und ebenso thöricht war es, daß sie sich den Anschein gaben, als erhofften sie von der thätigen Mitwirkung der Frauen am politischen Leben eine Milderung der Härten und Schroffheiten in den Parteikämpfen, denn in Wirklichkeit wurden die politischen Verhandlungen der Frauen oft mit großer Schärfe und Bitterkeit geführt und so jeden: unbefangenen Beurteiler die Besorgnis nahegelegt, daß eine Folge der Frauenbeteiligung an politischen Verhandlungen überhaupt die Abirrung des weiblichen Sinnes nach der Richtung der Verhärtung und Erbitterung sein werde. Wer Berliner Versammlungen mit weiblichen Teilnehmern beigewohnt hat, wird diese Besorgnis nachempfinden.
Und damit wären wir denn an einen Punkt gelangt, der deutlich darauf hinweist, daß die Betätigung der Frauen am öffentlichen Leben auch für alle Zukunft nur eine geringe sein wird. Wer vor die Oeffentlichkeit tritt
und von seinen Anschauungen und Ueberzeugungen Rechenschaft ablegt oder auf das öffentliche Leben bezügliche Vorschläge macht und begründet, muß allemal auf Widerspruch gefaßt sein und darf keine zarte Rücksicht, keine freundliche und verbindliche Form erwarten. Er kann vielmehr in jedem Augenblick hart und schroff ungefaßt und ungerecht behandelt werden. Der im öffentlichen Leben stehende Mann ist an Widerspruch und Kampf gewöhnt — sie bilden einen Teil seines Lebens und Wirkens —, die Frauen bringen dafür aber nicht die nötige Kraft und Widerstandsfähigkeit, in vielen Fällen wohl auch nicht die nötige Geistesgegenwart und Schlagfertigkeit mit und wissen nicht, fest und unbeirrt durch Einwände und Widerspruch, ihre Anschauungen zu verteidigen und durchzusetzen. Empfindlichkeit und Gereiztheit werden unausbleiblich sein. Keine Frau wird sich daher leichthin zur thätigen Anteilnahme an der Behandlung öffentlicher Fragen entschließen; immer wird, mit seltenen Ausnahmen, eine gewisse Scheu eintreten oder ein innerer Kamps vorausgehen, hinter dein die sorgende Frage lauert, ob nicht Enttäuschungen oder Kränkungen dem Eintritt in die öffentliche Wirksamkeit folgen werden. Wenn man also auch den freien Willen der Frauen achten und ihnen die Bahn zum thätigen Eingreifen in die Fragen des öffentlichen Lebens frei machen soll, so darf immer noch die Frage aufgeworfen werden, ob die wahren und wohlmeinenden Freunde der Frauenbewegung gut daran thuu, die Ausübung dieses Rechts im Interesse der Frauen zu empfehlen. Es liegt doch nach dem Gesagten sehr nahe, hier die Frage aufzuwerfen, ob nicht gerade diejenigen Eigenschaften, die man im schönen Sinne des Wortes „weiblich" zu nennen pflegt, und die uns die Frauen so wert und teuer machen, durch eine aktive Anteilnahme an: öffentlichen und politischen Leben eine Schädigung erleiden könnten, und ob mit dieser Schädigung nicht die traditionelle Verehrung, die die Frauei: bei allen Kulturvölkern genießen, sich verflachen und sinken würde. Unter allem, was als Schönheit Gewalt über den Menschen hat, ist nach der ewigen Ordnung der Dinge die Frau das gewaltigste. Nicht etwa nur die von den Dichtern in tausend Formen gepriesene Frauenschöuheit an sich, sondern auch die von ihr ausströmende Macht: die Milde, die Versöhnlichkeit, die Harmonie, die sie um sich zu breiten weiß, die mit ihrem stillei: Walten die ganze Umgebung umfaßt und „mit jedem Morgen denselben holden Sonnenblick auf alles wirft, in dessen Mitte sie gestellt ist". Es ist selbstverständlich, daß das auch von unfern Mädchen mit ihrer Unschuld und Unberührtheit, ihrer Unbefangenheit und jungfräulichen Scheu gilt.
Man kann mit allen: Eifer für die größere Selbständigkeit der Frauen im bürgerlichen Erwerbsleben, für die Vertiefung ihrer Bildung und für die Nutzbarmachung ihrer Kräfte als Lehrerin, Aerztin, Apothekerin, Anwaltin, Post- beamtiu und in andern noch zu erringenden Berufsfächern wirksam sein und doch, nur aus Gründen des wahren Fraueninteresses, gegen ihre thätige Teilnahme an: öffentlichen und politischen Leber: seine schweren Bedenken haben. Ich bin weit davor: entfernt, zu leugnen, daß verschiedene Damen in der Oeffentlichkeit als vorzügliche Rednerinnen hervorgetreten sind und klares, sachkundiges Urteil mit den besten Formen vereinigt Habei:, aber solchen Leistungen stehen die Vorträge andrer, minder begabter und sicherer Rednerinnen gegenüber, die an Klarheit und angenehmer Form sehr viel zu wünschen übrig ließen und bisweilen sogar eine durchaus nicht beabsichtigte Heiterkeit entfesselten. Doch es kommt hier keineswegs darauf an, die rhetorischer: Leistungen der Damen nach ihren: Wert zu klassifizieren; es liegt mir vielmehr am Herzen, dei: logischen Nachweis zu führen, daß das Heraustreten der Frauen in die Oeffentlichkeit und ihre Thätigkeit auf dem Podium der Versammlungssäle ernstliche Gesahrei: birgt für die Entfaltung