politische Aechte der Krauen.
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und Wirksamkeit derjenigen weiblichen Eigenschaften, die für die Bedeutung der Frau im Weltgefüge stets maßgebend waren und für die sittlich-soziale Entwicklung des Menschengeschlechts unentbehrlich sind. Je mehr Frauen sich zur Bethätignng ihrer Kräfte im öffentlichen Leben drangen, je häufiger man sie in Vereinen und Versammlungen diskutieren hört, desto unwiderstehlicher wird sich die stets vorhandene Gegenströmung an die Oberfläche drängen und nicht eher ruhen, bis die Frauen von dem politischen Bann befreit und in ihre alten, schönen Rechte wieder eingesetzt sind: Seele und Gemüt von politischem Kampf und Haß frei zu halten und ihr unbefangenes, unbeirrtes Empfinden zu pflegen. Dann werden sie um so wirksamer sich an allen Wohlfahrtseinrichtungen und Humanitären Bestrebungen beteiligen; sie werden erfolgreicher an sich und ihrer Bildung arbeiten, vor allem aber für die Erweiterung ihrer Erwerbsfähigkeit kraftvoller thätig sein können.
Man wendet gegen diese „Beschränkung" wohl ein, daß die heutige „rauhe Zeit" die Mädchen und Frauen in die Oeffentlichkeit drängt und sie dort zur Wahrung ihrer Rechte zwingt. In dieser Allgemeinheit hat der Einwand keine Berechtigung. Wer von den Frauen sich fest genug und innerlich berufen fühlt, den Interessen feines Geschlechts im Versammlungssaale Geltung zu verschaffen, dem mag es nicht verwehrt sein; es aber als eine allgemeine Forderung und Pflicht für jede Frau hinzustellen, ist falsch und schadet der vernunftgemäßen Entwicklung der Fraueninteressen. Je zurückhaltender die Frauen in der Oeffentlichkeit sind, desto mehr werden sich die denkenden und vorurteilslosen Männer verpflichtet fühlen, für die Interessen der Frauen einzutreten und ihnen auf den bezeichnten Wegen kräftig zur Seite zu stehen.
Die „rauhe Zeit" nötigt viele Frauen, sich wirtschaftlich auf eigne Füße zu stellen, und deshalb ist es die Pflicht der besonnenen und denkenden Männer, ihnen bei der Erweiterung der Erwerbsfähigkeit kräftig zu helfen und ihrer Kraft und ihrem Können weitere und neue Bahnen zu eröffnen; zur Teilnahme am politischen Leben, zu Reden und Diskussionen in öffentlichen Versammlungen drängt die vielberufene rauhe Zeit nicht. Selbst im gepriesenen England befestigt sich die Ueberzeugung von der Richtigkeit dieses Standpunktes immer mehr und mehr, und nicht ohne innere Genugthuung las ich vor einiger Zeit im „Nineteenth Century" eine dahingehende Erklärung von zahlreichen Damen der besten Kreise Englands. Die Damen bekunden dort, daß nichts ihnen ferner liegen könne, als die Bedeutung und Stellung der Frauen herabzusetzen, „aber," so fahren sie fort, „gerade weil wir tief erfüllt sind von dem großen Werte dessen, ivas die Frauen ihrerseits zur Wohlfahrt des Gemeinwesens beitragen, widersetzen wir uns einer Bewegung, die diesen Beitrag schwer zu schädigen geeignet ist. Wir sind überzeugt, daß das Streben nach einer bloß äußerlichen Gleichheit mit der Männerwelt für die Frauen nicht bloß ein vergeblicher Versuch ist, sondern auch entsittlichend wirken muß. Persönliche Kämpfe und Eifersüchteleien werden dadurch erzeugt, anstatt daß das einzige Bemühen der beiden großen Abteilungen der menschlichen Familie dahin gehen sollte, daß jede die ihr eigentümliche Arbeit und die besten, ihr besonders verliehenen Gaben zum gemeinsamen Nutzen verwertet." Dann heißt es am Schluffe ausdrücklich: „Es würde das Frauenstimmrecht bei Parlamentswahlen der großen Mehrheit des weiblichen Geschlechts als eine widerliche, unnötige Maßregel erscheinen, die ebenso verderblich für die Frauen als für den Staat wirken müßte."
Wer Jahrzehnte hindurch aufmerksam deutsche Frauen- art beobachtet und eine klare Vorstellung von ihren Strebungen und Neigungen gewonnen hat, wird diese Erklärung eng
lischer Frauen in noch weit höherein Maße ans unsre deutschen Verhältnisse anwendbar finden. Wenn man uns darauf hinweist, daß die politische Thätigkeit der Frauen durchaus nichts Ungewöhnliches sei und sich im Anfänge dieses Jahrhunderts nach den großen Befreiungskriegen in sehr vorteilhaftem Lichte gezeigt habe, so muß eben jene Zeit in ihrer charakteristischen Erscheinungsform etwas näher ins Auge gefaßt werden. Als nach der Niederwerfung des Erbfeindes in Deutschland die traurige Reaktion eintrat und das unheilvolle Metternichsche Polizeispitzelsystem die Männer von freier Gesinnung grausam verfolgte, da drängte sich den deutschen Frauen mit vollem Rechte die brennende Frage nach dem Grunde dieser trüben Erscheinungen auf die Lippen und Haß und Verbitterung ins Herz darüber, daß ihre Gatten, Brüder und Söhne in Verbannung und Tod getrieben wurden, obgleich ihre Ueber- zeuguug und ihr Handeln aus reinster patriotischer Empfindung entstanden war und ihnen keine Spur einer niedrigen oder an sich verwerflichen Gesinnung nachgewiesen werden konnte. Es war nun kein Wunder, daß sich ein trotziger Mut und eine gewisse Kampfeslust iu ihnen zu regen begann, eine Lust, mitstreiten zu wollen im Kampfe der Männer für die gefährdeten heiligen Güter: für Recht, Freiheit und Wahrheit in Staat, Kirche und Gesellschaft. Wir müssen uns dabei aber immer gegenwärtig halten, daß solche Mannesnaturen unter den Frauen, die mit eisernem Willen die Fähigkeit streng logischen Denkens verbanden, immer recht selten waren, und ferner noch, daß sich mit solchem Streben nach Freiheit der Gedanken in sehr vielen Fällen das Streben nach Freiheit der Empfindung paarte oder im Gefolge hatte. Diese Freiheit der Empfindung aber, dis gleichbedeutend ist mit Mangel an sittlicher Zucht, kann der Staat und die allgemeine Wohlfahrt nicht ertragen; sie ist es, die den Frieden des Hauses und der Familie zerstört. Die verehrten Leserinnen mögen sich hierbei besonders der schöngeistigen Frauen unsrer deutschen Romantik zu Anfang dieses Jahrhunderts erinnern!
Die Freundinnen politischer Bethätignng hätten mit demselben Recht auf eine viel frühere Periode historischer Entwicklung, nämlich auf die ersten Zeiten des Peloponnesi- schen Krieges, zurückgreisen können, wo die Frauen von Athen vor mehr als zweitausend Jahren ebenfalls für Beteiligung am öffentlichen Leben und für Volksversammlungen schwärmten und dafür Aristophanes, der „ungezogene Liebling der Grazien", seine erbarmungslose Komödie gegen die „Frauen in der Volksversammlung" (Ekklesiazousai) vom Stapel ließ. Die Neigung der Frauen zur Beteiligung am öffentlichen politischen Leben ist genau so alt als der Kampf gegen diese Neigung, und auch unsre fortgeschrittene Zeit wird darin nichts ändern, weil zu allen Zeiten in dieser Neigung eine Gefahr für Staat und Familie erblickt werden wird. Je hartnäckiger die Frauen immer wieder aufs neue die völlige politische Gleichstellung mit dem Manne prätendieren, um so leichter wird die Gefahr heraufbeschworen, die vernünftige Entwicklung der Frauenfrage auf andern Gebieten zu verzögern und zu schädigen. Die Debatten des Abgeordnetenhauses vom 30. April und die Erklärung des preußischen Kultusministers bezüglich seiner Ablehnung des Breslauer Mädchengymnasiums haben deutlich genug gezeigt, daß die Frauen auf eine Unterstützung ihrer politischen Agitationen durch die Regierung in keiner Weise zu rechnen haben, und daß ruhige Vorsicht für sie das erste und dringendste Gebot ist. Noch unerfreulicher als die Gymnasialdebatte vom 30. April gestaltete sich die Behandlung der bekannten Petition der Fräulein Helene Lange und Marie Meisten um Zulassung der Frauen zum Univerfitätsstudium und zu den Staatsprüfungen , die am 3. Mai zur Besprechung kam. Die Kommission hatte Erledigung durch Uebergang zur Tages-