Neues vom Büchertisch.
Von
Aaul von Szczepanski.
/Wine Neue Folge seiner „Harmlosen Plaudereien Ak eines alten Münchners" ließ Otto Freiherr von Völderndorfs erscheinen (München, C. H. Becksche Verlagsbuchhandlung), sicher zur Freude aller derer, die den vor einigen Jahren erschienenen ersten Band seiner Plaudereien gelesen haben. „.ldie suit pn8 dien earwer di veut,' so lautet das Sprichwort," sagt Freiherr von Völderndorfs, indem er zum Eingang über das Wesen der Plauderei selbst plaudert; „nein, das Plaudern ist eine Kunst und hängt wie jede Kunstleistung nicht vom freien Willen, sondern von der glücklichen Stimmung und dem günstigen Momente ab. Ein hoher Herr srug einmal unfern berühmten Dialektdichter Franz vonKobell: ,Sagen Sie mir doch, Herr Professor, zu welcher Zeit des Tages machen Sie denn Ihre hübschen Gedichte?' Kobells echt oberbayrische Antwort war: ,Ja, bal mir was einfallt, Königliche Hoheit.' Erstaunt bemerkte der Prinz: ,So, ich dachte, ein Dichter könnte immer Verse machen, so oft er wolle?' ,Das schon,' erwiderte Kobell trocken, ,aber sie sind dann danach.' So läßt sich auch unter allen Umständen ein ,Geplauder' Hervorbringen, aber es ist dann eben keine ,Causerie'. Denn eine solche muß, wenn sie ihren Namen verdienen soll, zwar leicht dahinfließen, sie darf von diesem zu jenem abspringen, sie soll anscheinend ganz willkürlich ihre Themata wechseln, aber es muß, dem kundigen Auge leicht erkennbar, ein Grundgedanke als roter Faden durchgeflochten sein, sie muß kurz geschürzt, mit zierlichen Schritten ihren Weg gehen und unter ihrer heiteren und harmlosen Außenseite stets eine tiefere Bedeutung und eine dem, den es angeht, fühlbare Spitze haben." — Wer sich das merken nnd danach ein Causeur wie Freiherr von Völderndorfs werden wollte, würde doch bald vor der verschlossenen Pforte stehen: snit pns dien enuser gui
vsuk." Denn da diese Art der Causerie eine Kunst ist, muß man für sie wie für jede Kunst geboren sein. Wer plaudern will, dem muß die Natur das Talent znr Plauderei mitgegeben haben, ein gewisses Mitteilsamkeitsbedürfnis in erster Linie, geistige Elasticität, ein gutes und auf die leiseste Anzapfung hin reagierendes Gedächtnis, den Sinn ßür das Große und für das Kleine, nnd Ernst und Humor
in guter Mischung. Diese angeborenen Eigenschaften aber bringt erst ein langes Lebeir znr Reife, indem es ihnen den nötigen Zusatz von langjährigen Erfahrungen, von vielen: Wissen — es braucht nicht ein übermäßig gründliches zu sein —, von Erinnerungen an Erlebtes und an interessante Persönlichkeiten nnd von heiterem Drnberstehen über dem Stoff giebt. Vollendete Plauderer sind deshalb immer nur ältere Leute, aber Leute von jenem seltenen Alter, das innerlich jung geblieben ist. Und deshalb, weil die Kunst des Plauderns in ihrer Vollreife die Kunst alter Herren nnd alter Damen ist, hat man wohl von ihr zu jeder Zeit behauptet, sie sei eine Kunst, die im Absterben begriffen sei. „Wenn mein Vater oder mein Großvater erzählte," — das sagt jeder mit einer Betonung, als ob er andeuten wolle, daß zu Vaters oder Großvaters Zeiten überhaupt viel besser erzählt worden sei als heutzutage, und als ob mit ihnen eine Kunst zu Grabe getragen worden sei. Daß diese Kunst auch heute noch lebendig ist, beweist Freiherr von Völderndorfs. Er zeigt sich auch darin als vollendeter Plauderer, daß er die gute Stunde abwartet, trotzdem er wohl zu denen gehört, denen immer „was einfallt". So ist sein Buch interessant, wo man es auch aufschlägt, und am wenigsten giebt der Plauderer da, wo er nichts oder wenig von sich giebt, wie in den Briefen von Oskar von Nedwitz. Ob er von seiner Familie, von einer Begegnung mit dem Fürsten Bismarck, von Helene von Dönninges — Nacowitza — Friedmann — Shewitsch, von Münchener Hinrichtungen, dem unglücklichen König Ludwig, vom Reichskanzler Fürsten Hohenlohe, von guten und schlechten Schweizer Hotels erzählt, ob er sich ernsthaft oder scherzend giebt — man hört ihm nicht nur gerne zu, sondern man nimmt auch etwas zum Nachdenken mit. So wirft die Bemerkung Bismarcks, die Freiherr von Völdern- dorff in eine Besprechung von Sybels Geschichte der Entstehung des Deutschen Reiches einflicht, ein so Helles und warmes Licht auf den Charakter des eisernen Kanzlers, daß ich mir nicht versagen kann, sie zu citieren. „Vielleicht würde ich nur weniger Mühe geben," sagte Bismarck 1868 zu Freiherrn von Völderndorfs, der die Aeußerung nach seinen sofort gemachten Aufzeichnungen wiedergiebt, „den