Heft 
(1897) 13
Seite
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Weues vom

Krieg mit Frankreich zu vermeiden, wenn ich nicht die böhmischen Schlachtfelder in der Erinnerung trüge und die Lazarette und Spitäler besucht hätte. Allein das Elend, die Leiden, welche ich da gesehen, kann ich nicht vergessen. Es ist möglich, ja sogar wahrscheinlich, daß schließlich der Krieg uns doch aufgezwnngen wird, und ich zweifle keinen Augenblick, daß wir ihn siegreich beendigen werden. Aber andrerseits bleibt es doch auch möglich und bei den Zu­ständen in Frankreich jedenfalls nicht völlig unmöglich, daß nur nur den Krieg hernmkommen. Und der müßte ein schlechter Christ und ein gewissenloser Mensch sein, der nicht schon um dieser Möglichkeit willen alles ausbieten würde, seinen Mitbürgern einen wenn auch siegreichen Krieg zu ersparen, solange es ohne Schaden für den Staat und ohne der nationalen Ehre zu nahe zu treten geschehen kann." Auch tolerant ist Freiherr von Völderndorff, eine Eigen­schaft, die gleichfalls von einem vollendeten Plauderer un­zertrennlich ist. So urteilt er über Helene von Dünniges, die er im Hanse ihrer Eltern als ganz junges Mädchen kennen lernte:Wer Helene Dünniges nicht persönlich ge­kannt hat, kann sich kaum einen richtigen Begriff machen von der Zaubergewalt, welche sie über Männerherzen aus- znüben im stände war. Ich sagte oft zu ihr im Scherze: ,Daß Sie, wie Ihre berühmte Namenspatronin, einen trojanischen Krieg entzünden könnten, ist ohnehin gewiß. Aber Sie wären auch im stände, das größere Kunststück anfznführen, daß Ihr Menelaus, wenn Sie eine zehnjährige Exkursion bei Herrn von Paris und sonstigen Amanten hinter sich hätten, noch verliebt genug wäre, Ihnen alles zu verzeihen und ganz vergnügt wieder mit Ihnen nach Hanse zu ziehen? Ich wenigstens habe mir oft Mühe gegeben, recht böse auf sie zu sein, und war es auch, so­lange ich sie nicht sah. Aber wenn ich dann wieder mit ihr sprach, ihr Aug' in Auge das Ungehörige, mir An­stößige ihres Verhaltens vorstellig machte, und sie in ihrer ich möchte sagen wahrhaft ,brutalen' Naivität gar nicht begreifen konnte, daß sie etwas Unrechtes gethan haben sollte, mußte ich immer wieder sagen: ,man darf ihr nicht böse sein, sie kann nichts dafür, sie ist eben so wie sie ist? Darf man den Panther schelten, wenn er, seiner Raubtier­natur folgend, die wehrlose Gazelle zerreißt?" Diewehr­losen Gazellen" finde ich, auf die Verehrer der Helene von Racowitza angewandt, ganz reizend.Nur ihr Buch über Lassalle," fährt Freiherr von Völderndorff fort,und wie sie darin von ihrer Mutter spricht, von der vortrefflichen Frau, die ich so hoch verehrte und noch verehre, das habe ich ihr nicht verzeihen können. Von da an brach unser Verkehr ab." Gemeint ist das vor ungefähr fünfzehn Jahren erschienene BuchMeine Beziehungei: zu Ferdinand Lassalle von Helene von Racowitza", das ebenso wie das von Paul Lindau herausgegebene Jugendtagebuch Ferdinand Lassalles ein ausgezeichnetes Agitationsmittel gegen die Sozialdemokratie abgeben müßte, wenn diejenigen unter den Sozialdemokraten, die zu lesen verstehen, zwischen den Zeilen lesen wollten. Dann erzählt Helene dem Autor, wie sie eigentlich es gewesen ist, die ihrem Ferdinand die Gedanken für seinen Kriegslast vom 1. März 1863 eingeblasen hat. Es ist sehr spaßhaft, wie viel Muhe sich diese dreimal verheiratete Frau, die durch ihre galanten Abenteuer so viel von sich reden machte, als sie sich auf der Bühne zur Schau stellte, giebt, ihren Namen mit demjenigen Lassalles, dessen Schicksal sie war, in Verbindung zu halten, und wie sie immer wieder posiert, als habe sie die geistigen Interessen dieses Mannes geteilt. Ob sie immer noch hofft, daß die Zeiten kommen könnten, in denen man Lassalle ein Denkmal setzt? Das wäre vielleicht so ganz unmöglich nicht man braucht dazu noch nicht mal an eine siegreiche, sondern nur an eine versöhnte Sozialdemokratie zu denken. Aber Helene von Racowitza wird schwerlich in diesem Ueber Land und Meer. Jll. Okt.-Hefte. XIV. 13.

Aücherlisch.

Denkmal mit verewigt werden, trotzdem sie sich vor ihren Verehrern in der Garderobe des Berliner Residenztheaters in einem Kostüm zu zeigen liebte, das Bildhauer reizen konnte.

Von Fridtjof NansensIn Nacht und Eis" erschien eine neue, revidierte und, soweit es die wissen­schaftlichen Ergebnisse seiner berühmten Polarexpedition be­trifft, stark erweiterte Ausgabe (Leipzig, F. A. Brockhaus). Ich habe bei dem Erscheinen der ersten Auflage das Buch so ausführlich besprochen, daß ich dem nichts hinzuznsügen habe als höchstens meinen Wunsch , daß auch die zweite Auflage schnell vergriffen sein möge und eine dritte, vierte und fünfte nötig werden, bis das Buch Eigentum jedes deutschen Hauses geworden ist. Aber der Erfolg, den Nansen mit diesem Buche und mit den Vorträgen über seine Polarexpedition gehabt hat der materielle Erfolg, der hat eine Erscheinung gezeitigt, über die man wohl einige Worte verlieren kann einen ganz gemeinen, häß­lichen Neid, der sich leider auch in deutschen Zeitungen in allerhand hämischen Bemerkungen unter dem Strich Luft gemacht hat. Dumm waren diese Bemerkungen alle, am dümmsten von denen, die mir zu Gesicht ge­kommen sind, diejenige, wonach Nansen in Petersburg eine Aktiengesellschaft mit zwanzig Millionen Rubel zur Ausbeutung des Mineralreichtums der arktischen Zone ge­bildet haben sollte. Das wurde gläubig von einer Zeitung in die andre übernommen, und ich habe nirgends einen redaktionellen Zusatz gefunden, der sich über den höheren Blödsinn lustig machte. Aber am erbittertsten äußerte sich dieser Neid darüber, daß Nansen seine Vorträge über­feine Polarexpedition nicht um der Ehre willen, sondern nur dann hielt, wenn ihm von den gelehrten Gesellschaften, die ihn einluden, ein beträchtliches Honorar garantiert wurde. Ja, warum sollte er das nicht thun? Daß Nansen nicht der Alaun ist, der sich aus festlichen Empfängen, ans Banketten, Orden und goldenen Medaillen viel macht, das konnte jeder wissen, der sein Buch gelesen hat. Da ist so wenig Eitelkeit darin und so viel berechtigtes Selbstbewußt­sein, wie nur einem Manne eigen sind, der sich ans Aeußer- lichkeiten verzweifelt wenig macht. Was also hätte Nansen bewegen sollen, seine Familie, von der er schweren Herzens Jahre getrennt gewesen ist, auch nur auf vierundzwanzig Stunden zu verlassen, wenn nicht ein ernster Zweck oder der Wunsch, diese Familie sicherznstellen? Die Neugierde eines deutschen, amerikanischen, englischen oder russischen Publikums zu befriedigen, konnte ihn doch nicht reizen. Und Neugierde, den Alaun kennen zu lernen, ist es doch in erster Linie gewesen, die das Publikum in seine Vor­trüge trieb; wer sich für seine Erlebnisse und die Resultate seiner Expedition interessierte, der konnte sich besser darüber orientieren, wenn er sein Buch las, als wenn er ihn zwei Stunden sprechen hörte. Aber daß ein Mann der Wissen­schaft in einem Jahr beinahe eine Million verdiente, wie ihm mit Recht oder Unrecht nachgerechnet wurde, das ging den Leuten über den Strich. Einige thaten sogar, als sei Nansen ehrenhalber verpflichtet, diese Million, die wahr­scheinlich etwas hoch gegriffen ist, nun schleunigst in einer- neuen Nordpol- oder Südpolexpedition anzulegen. Warum denn? Warum soll er sich nicht eine Villa dafür bauen, wenn er Lust hat, oder das Geld in Staatspapieren an- legen! Es ist ja doch ehrlich und sauer verdientes Geld. Höchstens kann man sich doch darüber freuen, daß der Held derFram" sich auch nach seiner Rückkehr als der praktische Mann gezeigt hat, den das Glück begünstigt. Oder wäre es den Leuten lieber, wenn dieser Mann der Thatkrast, des Mutes und der Umsicht schließlich darauf angewiesen wäre, sein Leben von einer ihm in Anerkennung seiner Verdienste und seiner Dürftigkeit verliehenen Staatspension zu fristen?

Der RomanEin Hohenzoller inItalie n" von

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