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Weber Land und Weer.
sich die Hauptsache selber leisten. Ich schneide mich sonst, was dann hinterher immer ganz schändlich aussieht. Uebrigens muß ich erst Schaum schlagen, und so lange wenigstens kann ich Ihnen Red' und Antwort stehen. Ein Glück nebenher, daß hier, außer der kleinen Lampe, noch diese zwei Leuchter sind. Wenn ich nicht Licht von rechts und links habe, komme ich nicht voll der Stelle; das eine wackelt zwar (alle diese dünnen Silberlenchter wackeln), aber ,wenn gute Reden sie begleiten . . Also strengen Sie sich an. Wie fanden Sie die Gundermanns d Sonderbare Leute — haben Sie schon mal den Namen Gundermann gehört?"
„Ja. Aber das war in ,Waldmeisters Braut- fahrt'."
„Nichtig; so wirkt er auch. Und nun gar erst die Frau! Der einzige, der sich sehen lassen konnte, war dieser Katzler. Ein Karambolespieler ersten Ranges. Uebrigens eisernes Kreuz."
„Und dann der Pastor."
„Null ja, auch der. Eine ganz gescheite Nummer. Aber doch ein wunderbarer Heiliger, wie die ganze Sippe, zu der er gehört. Er hält zu Stöcker, sprach es auch aus, was neuerdings nicht jeder thut; aber der ,neue Luther', der doch schon gerade bedenklich genug ist — Majestät hat ganz recht mit seiner Verurteilung —, der geht ihm gewiß nicht weit genug. Dieser Lorenzen erscheint mir, im Gegensatz zu seinen Jahren, als einer der allerjüngsten. Und zu verwundern bleibt nur, daß der Alte so gut mit ihm steht. Freund Woldemar hat nur davon erzählt. Der Alte liebt ihn und sieht nicht, daß ihm sein geliebter Pastor den Ast absägt, aus dem ersitzt. Ja, diese von der neuesten Schule, das sind die aller-schlimmsten. Immer Volk und wieder Volk, und mal auch etwas Christus dazwischen. Aber ich lasse mich so leicht nicht hinters Licht sichren. Es läuft alles darauf hinaus, daß sie mit uns aus- rüumen wollen, und mit dem alten Christentum auch. Sie haben ein neues, und das überlieferte behandeln sie despektierlich."
„Kann ich ihnen unter Umständen nicht verdenken. Seien Sie gut, Rex, und lassen Sie Kon- ventikel und Partei mal beiseite. Das Ueberlieferte, was einen: da so vor die Klinge kommt, namentlich wenn Sie sich die Menschen ansehen, wie sie nun mal sind, ist doch sehr reparaturbedürftig, und auf solche Reparatur ist ein Mann wie dieser Lorenzen eben ans. Machen Sie die Probe. Hie Lorenzen, hie Gundermann. Und Ihren guten Glauben in Ehren, aber Sie werden diesen Gundermann doch nicht über den Lorenzen stellen und ihn überhaupt nur- ernsthaft nehmen wollen. Und wie dieser Wassermüller aus der Brettschneidebranche, so sind die meisten. Phrase, Phrase. Mitunter auch Geschäft oder noch Schlimmeres."
„Ich kann jetzt nicht antworten, Czako. Was Sie da sagen, berührt eine große Frage, bei der man doch aufpassen muß. Und so mit dem Messer in der Hand, da verbietet sich's. Und das eine wacklige Licht hat ohnehin schon einen Dieb. Erzählen Sie mir lieber was von der Frau von Gundermann. Debattieren kann ich nicht mehr, aber wenn Sie plaudern, brauch' ich bloß zuzuhören. Sie haben ihr ja bei Tisch wen langen Vortrag gehalten."
„Ja. Und noch dazu über Ratten."
„Nein, Ezako, davon dürfen Sie jetzt nicht sprechen; dann doch noch lieber über alten und neuen Glauben. Und gerade hier. In solchem alten Kasten ist man nie sicher vor Spuk und Natten. Wenn Sie nichts andres wissen, dann bitt' ich um die Geschichte, bei der wir heute früh in Cremmell unterbrochen wurden. Es schien nur was Pikantes."
„Ach, die Geschichte von der kleinen Stubbe. Ja, hören Sie, Rex, das regt Sie aber auch auf. Und wenn man nicht schlafen kann, ist es am Ende gleich, ob wegen der Natten oder wegen der Stubbe."
V.
Rex und Czako waren so müde, daß sie sich, wenn nötig, über Spuk und Natten weggeschlafen hätten. Aber es war nicht nötig, nichts war da, was sie hätte stören können. Kurz vor acht erschien Engelke mit einem alten silbernen Deckelkrug, aus dem der Wrasen heißen Wassers aufstieg, einem der wcnigen Renommierstücke, über die Schloß Stechlin
verfügte. Dazu bot er den Herren einen guten Morgen und stattete seinen Wetterbericht ab: Es gebe gewiß einen schönen Tag, und der junge Herr sei auch schon auf und gehe mit den: alten um das Rundell herum.
So war es denn auch. Woldemar war schon gleich nach sieben unten im Salon erschienen, um mit seinem Vater, von dem er wußte, daß er ein Frühauf war, ein Familiengespräch über allerhand difficile Dinge zu führen. Aber er war entschlossen, seinerseits damit nicht allzufangen, sondern alles von der Neugier und dem guten Herzen des Vaters zu erwarten. Und darin sah er sich auch nicht getäuscht.
„Ah, Woldemar, das ist recht, daß du schon da bist. Nur nicht zu lang im Bett. Die meisten Langschläfer haben einen Knacks. Es können aber sonst ganz gute Leute sein. Ich wette, dein Freund Rex schläft bis neun."
„Nein, Papa, der gerade nicht. Wer wie Rex ist, kann sich das nicht gönnen. Er hat nämlich einen Verein gegründet für Frühgottesdienste, abwechselnd in Schönhausen und Finkenkrug. Aber er ist noch nicht perfekt geworden."
„Freut mich, daß es noch hapert. Ich mag so was nicht. Der alte Wilhelm hat zwar seinen: Volke die Religion wieder geben wollen, was ein schönes Wort von ihm war — alles, was er that und sagte, war gut — aber Religion und Landpartie, dagegen bin ich doch. Ich bin überhaupt gegen alle falschen Mischungen. Auch bei den Menschen. Die reine Rasse, das ist das eigentlich Legitime. Das andre, was sie nebenher noch Legitimität nennen, das ist schon alles mehr künstlich. Sage, wie steht es denn eigentlich damit? Du weißt schon, was ich meine."
„Ja, Papa..."
„Nein, nicht so; nicht immer bloß ,ja, Papa'. So fängst du jedesmal an, wenn ich auf dies Thema komme. Da liegt schon ein halber Refus drin, öderem Hinausschieben, ein Abwartenwollen. Und damit kann ich mich nicht befreunden. Du bist jetzt zweiunddreißig, oder doch beinah', da muß der mit der Fackel kommen; aber du fackelst (verzeih den Kalauer; ich bin eigentlich gegen Kalauer, die sind so mehr für Handlnngsreisende) — du fackelst, sag' ich, und ist kein Ernst dahinter. Und so viel kann ich dir außerdem sagen, deine Tante Sanctissima drüben in Kloster Wutz, die wird auch scholl ungeduldig. Und das sollte dir zu denken geben. Mich hat sie zeitlebens schlecht behandelt; wir stimmten eben nie zusammen und konnten auch nicht, denn so halb Königin Elisabeth, halb Kaffeeschwester, das is 'ne Melange, mit der ich mich nie habe befreunden können. Ihr drittes Wort ist immer ihr Rentmeister Fix, und wäre sie nicht sechsundsiebzig, so erfänd' ich mir eine Geschichre dazu."
„Mach es gnädig, Papa. Sie meint es ja doch gut. Und mit mir nun schon ganz gewiß."
„Gnädig machen? Ja, Woldemar, ich will'es versuchen. Nur sürcht' ich, es wird nicht viel dabei herauskominen. Da heißt es immer, man solle Familiengefühl haben, aber es wird einem doch auch zu blutsauer gemacht, und ich kann umgekehrt der Versuchung nicht widerstehen, eine richtige Familienkritik zu üben. Adelheid fordert sie geradezu heraus. Andrerseits freilich, in dich ist sie wie vernarrt, für dich hat sie Geld und Liebe. Was davon wichtiger ist, stehe dahin; aber so viel ist gewiß, ohne sie wär' es überhaupt gar nicht gegangen, ich ineine dein Leben in deinem Regiment. Also wir haben ihr zu danken, und weil sie das gerade so gut weiß, wie wir, oder vielleicht noch ein bißchen besser, gerade deshalb wird sie ungeduldig; sie will Thaten sehen, was vom Weiberstandpnnkt aus allemal so viel heißt wie Verheiratung. Und wenn man will, kann man es auch so nennen, ich meine Thaten. Es ist und bleibt ein Heroismus. Wer Tante Adelheid geheiratet hätte, hätte sich die Tapferkeitsmedaille verdient, und wenn ich schändlich sein wollte, so sagte ich das Eiserne Kreuz."
„Ja, Papa..."
„Schon wieder ,ja, Papa'. Nun, meinetwegen, ich will dich schließlich in deiner Lieblingswendung nicht stören. Aber bekenne mir nebenher — denn das ist doch schließlich das, um was sich's handelt — liegst dn mit was im Allschlag, hast du was auf den: Korn?"
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„Papa, diese Wendungen erschrecken mich beinah'. Aber wenn denn schon so jägermäßig gesprochen werden soll, ja; meine Wünsche haben ein bestimmtes Ziel, und ich darf sagen, mich beschäftigen diese Dinge."
„Mich beschäftigen diese Dinge . . . Nimm mir's nicht übel, Woldemar, das ist ja gar nichts. Beschäftigen! Ich bin nicht fürs Poetische, das ist für Gouvernanten und arme Lehrer, die nach Görbers- dorf müssen (bloß, daß sie meistens kein Geld dazu haben), aber diese Wendung ,sich beschäftigen', das ist mir denn doch zu prosaisch. Wenn es sich um solche Dinge wie Liebe handelt (wiewohl ich über Liebe nicht viel günstiger denke wie über Poesie, bloß daß Liebe doch noch mehr Unheil aurichtet, weil sie noch allgemeiner auftritt) - wenn es sich um Dinge wie Liebe handelt, so darf mall nicht sagen, ,ich habe mich damit beschäftigt.' Liebe ist doch schließlich immer was Forsches, sonst kann sie sich ganz und gar begraben lassen, und da möcht' ich denn doch etwas von dir hören, was ein bißchen wie Leidenschaft aussieht. Es braucht ja nicht gleich was Schreckliches zu sein. Aber so ganz ohne Stimulus, wie man, glaub' ich, jetzt sagt, so ganz ohne so was geht es nicht; alle Menschheit ist darauf gestellt, und wo's einschläft, ist so gut wie alles vorbei. Nun weiß ich zwar recht gut, es geht auch ohne uns, aber das ist doch alles bloß etwas, was einem von Verstandes wegen anfgezwungen wird; das egoistische Gefühl, das immer unrecht, aber auch immer recht hat, will von dem allem nichts wissen und besteht darauf, daß die Stechlin weiterleben, wenn es sein kann, in aeternunr. Ewig weiterleben; — ich räume ein, es hat ein bißchen was Komisches, aber es giebt wenig ernste Sachen, die nicht auch eine komische Seite hätten . . . Also dich ,beschäftigen' diese Dinge. Kannst du Namen nennen? Auf wem haben Eurer Hoheit Angen zu ruhen geruht?"
„ Papa, Namen darf ich noch nicht nennen. Ich bii: meiner Sache noch nicht sicher genug, und das ist auch der Grund, warum ich Wendungen gebraucht habe, die dir nüchtern und prosaisch erschienen sind. Ich kann dir aber sagen, ich hätte mich lieber anders ausgedrückt; nur darf ich es noch nicht. Und dann weiß ich ja auch, daß du selber einen abergläubischen Zug hast und ganz aufrichtig davon ausgehst, daß man sich sein Glück verreden kann, wenn inan zu früh oder zu viel davon spricht."
„Brav, brav. Das gefällt mir. So ist es. Wir sind immer von neidischen und boshaften Wesen mit Fuchsschwänzen und Fledermausflügeln umstellt, und wenn wir renommieren oder sicher thun, dann lachen sie. Und wenn sie erst lachen, dann sind wir schon so gut wie verloren. Mit unsrer eignen Kraft ist nichts gethan, ich habe nicht den Grashalm sicher, den ich hier ausreiße. Demut, Demut. . . Aber trotzdem komm' ich dir mit der naiven Frage (denn man widerspricht sich in einem fort), ist es was Vornehmes, was Pikfeines?"
„Pikfein, Papa, will ich nicht sagen. Abel- vornehm gewiß."
„Na, das freut mich. Falsche Vornehmheit ist mir ein Greuel; aber richtige Vornehmheit, -- ä in boirns llsure. Sage mal, vielleicht was vom Hofe?"
„Nein, Papa."
„Na, desto besser. Aber da kommen ja die Herren. Der Rex sieht wirklich verdeubelt gut ans, ganz das, was wir früher einen Garde-Assessor nannten. Und fromm, sagst dn, — wird also wohl Carriere machell; ffromm' is wie 'ne nntergelegte Hand."
Während dieser Worte stiegen Rex und Czako die Stufen zum Garten hinunter und begrüßten den Alten. Er erkundigte sich nach ihren nächtlichen
Schicksalen, freute sich, daß sie „dnrchgeschlafen" hätten, und nahm dann Czakos Arm, um vom Garteil her auf die Veranda, wo Engelke mittlerweile unter der großen Marquise den Frühstückstisch hergerichtet hatte, zurückznkehren. „Darf ich bitten, Herr von Rex." Und er wies auf einen Garten- stnyl, ihm gerade gegenüber, während Woldemar nnd Czako links und rechts neben ihm Platz nahmen. „Ich habe neuerdings den Thee eingeführt, das heißt nicht obligatorisch; im Gegenteil, ich persönlich bleibe lieber bei Kaffee, ,schwarz wie der Teufel, süß wie die Sünde, heiß wie die Hölle', wie bereits