Heft 
(1898) 03
Seite
46
Einzelbild herunterladen

Aeber Mand und Meer.

46

M 3

Richtig; den Hab' ich auch noch gekannt. Ja, der verstand es. Ueberhaupt immer in der Furcht des Herrn. Dann geht alles am besten. Der Haupt­regente bleibt doch der Krückstock."

Der Krückstock," bestätigte Krippenstapel.Und dann freilich die Belohnungen."

Belohnungen?" lachte Dubslav.Aber Krippen­stapel, wo nehmen Sie denn die her?"

O, die hat's schon, Herr von Stechlin. Aber immer mit Verschiedenheiten. Ist es was Kleines, so kriegt der Junge bloß 'nen Katzenkopp weniger, ist es aber was Großes, dann kriegt er 'ne Wabe."

'ne Wabe? Richtig. Davon haben wir schon heute früh beim Frühstück gesprochen, als Ihr Honig auf den Tisch kam. Ich habe den Herren dabei gesagt, Sie wären der beste Imker in der ganzen Grafschaft."

Zu viel Ehre, Herr von Stechlin. Aber das darf ich sagen, ich versteh' es. Und wenn die Herren mir folgen wollen, um das Volk bei der Arbeit Zn sehen es ist jetzt gerade beste Zeit."

Alle waren einverstanden, und so gingen sie denn durch den Flur bis in Hof und Garten hinaus und nahmen hier Stellung vor einem offenen Etage­schuppen, drin die Stöcke standen, nicht altmodische Bienenkörbe, sondern richtige Bienenhäuser, nach der Dierzonschen Methode, wo man alles herausnehmen und jeden Augenblick in das Innere bequem hinein gucken kann. Krippenstapel zeigte denn auch alles, und Rex und Czako waren ganz aufrichtig interessiert.

Nun aber, Herr Lehrer Krippenstapel," sagte Czako,

nun bitte, geben Sie uns auch einen Kommentar. Wie is das eigentlich mit den Bienen? Es soll ja was ganz Besondres damit sein."

Ist es auch, Herr Hauptmann. Das Bienen­leben ist eigentlich seiner und vornehmer als das Menschenleben."

Feiner, das kann ich mir schon denken; aber doch nicht vornehmer. Was Vor­nehmeres als den Menschen giebt es nicht. Indessen, wie's damit auch sei, .ja' oder ,neiw, Sie machen einen nur immer neu­gieriger. Ich habe mal gehört, die Bienen sollen sich aus das Staatliche so gut verstehen; beinah' vor­bildlich."

So ist es auch, Herr Hauptmann. Und eins ist ja da, worüber sich vielleicht reden läßt. Da sind nämlich in jedem Stock drei Gruppen oder Klassen. In Klasse eins haben wir die Königin, in Klasse zwei haben wir die Arbeitsbienen (die, was für alles Arbeitsvolk Wohl eigentlich immer das beste ist, geschlechtslos sind), und in Klasse drei haben wir die Drohnen; die sind männlich, worin zugleich ihr eigentlicher Berus besteht. Denn im übrigen thun sie gar nichts."

Interessanter Staat. Gefällt mir. Aber immer noch nicht vorbildlich genug."

Und nun bedenken Sie, Herr Hauptmann. Winterlang haben sie so dagesessen und gearbeitet oder auch geschlafen. Und nun kommt der Frühling, nnd das erwachende neue Leben ergreift auch die Bienen, am mächtigsten aber die Klasse eins, die Königin. Und sie beschließt nun, mit ihrem ganzen Volk einen Frühlingsausflng zu machen, der sich für sie persönlich sogar zu einer Art Hochzeitsreise gestaltet. So muß ich es nennen. Unter den vielen Drohnen nämlich, die ihr auf der Ferse sind, wählt sie sich einen Begleiter, man könnte sagen einen Tänzer, der denn auch berufen ist, alsbald in eine noch intimere Stellung zu ihr einzurücken. Etwa nach einer Stunde kehrt die Königin und ihr Hoch­zeitszug in die beengenden Schranken ihres Staates zurück. Ihr Dasein hat sich inzwischen erfüllt. Ein ganzes Geschlecht von Bienen wird geboren, aber weitere Beziehungen zu dem bewußten Tänzer sind ein für allemal ausgeschlossen. Es ist das gerade das, was ich vorhin als fein und vornehm bezeichnet

habe. Bienenköniginnen lieben nur einmal. Die Bienenkönigin liebt und stirbt."

Und was wird aus der bevorzugten Drohne, aus dem Prinzessinnen-Tänzer, dem Prince-Consort, wenn dieser Titel ausreicht?"

Dieser Tänzer wird ermordet."

Nein, Herr Lehrer Krippenstapel, das geht nicht. Unter dieser letzten Mitteilung bricht meine Begeisterung wieder zusammen. Das ist ja schlimmer als der Heinesche Asra. Der stirbt doch bloß. Aber hier haben wir Ermordung. Sagen Sie, Rex, wie stehen Sie dazu?"

Das monogamische Prinzip, woran doch schließlich unsre ganze Kultur hängt, kann nicht strenger und über­zeugender demonstriert werden. Ich finde es großartig."

Czako hätte gern geantwortet; aber er kam nicht dazu, weil in diesem Augenblicke Dubslav darauf aufmerksam machte, daß man noch viel vor sich habe. Zunächst die Kirche.Seine Hochwürden, der Wohl eigentlich dabei sein müßte, wird es nicht übel­nehmen, wenn wir auf ihn verzichten. Aber Sie, Krippenstapel, können Sie?"

Krippenstapel wiederholte, daß er Zeit vollauf habe. Zudem schlug die Schuluhr, und gleich beim ersten Schlage hörte man, wie's drinnen in der Klasse lebendig wurde und die Jungens in ihren Holzpantinen über den Flur weg auf die Straße stürzten. Draußen aber stellten sie sich militärisch ans, weil sie mittlerweile gehört hatten, daß der gnädige Herr gekommen sei.

Die Boecklin-Medaille. Entworfen von Za ns Sandreuter.

Morgen, Jungens," sagte Dubslav, all eineil kleinen Schwarzhaarigen herantretend.Bist von Globsow?"

Nein, gnäd'ger Herr, von Dagow."

Na, lernst auch gut?"

Der Junge griente.

Wann war denn Fehrbeüin?"

Achtzehnte Juni."

Und Leipzig?"

Achtzehnter Oktober. Immer achtzehnter bei uns."

Das ist recht, Junge. . . Da."

Und dabei griff er in seinen Rock und suchte nach einem Nickel.Seheil Sie, Hauptmann, Sie sind ein bißchen ein Spötter, so viel Hab' ich schon gemerkt; aber so muß es gemacht werden. Der Junge weiß von Fehrbellin und von Leipzig und hat ein kluges Gesicht und steht Red' und Antwort. Und rote Backen hat er auch. Sieht er aus, als ob er einen Kummer hätte oder einen Gram ums Vaterland? Unsinn. Ordnung und immer feste. Na, so lange ich hier sitze, so lange hält es noch, Aber freilich, es kommen andre Tage."

Woldemar lächelte.

Na," fuhr der Alte fort,will mich trösten. Als der alte Fritz zu sterben kam, dacht' er auch, nu ginge die Welt unter. Und sie steht immer noch, und wir Deutsche sind wieder obenauf, ein bißchen zu sehr. Aber immer besser als zu wenig."

Inzwischen hatte sich Krippenstapel in seiner Stube proper gemacht: schwarzer Nock mit dem Jnhaberband des Adlers von Hohenzollern, den ihm sein gütiger Gutsherr verschafft hatte. Start des Hutes, den er in der Eile nicht hatte finden können,

trug er eine Mütze von sonderbarer Form. In der Rechten aber hielt er einen ausgehöhlten Kirchen­schlüssel, der wie 'ne rostige Pistole anssah.

Der Weg bis zur Kirche war ganz nah. Und nun standen sie dem Portal gegenüber.

Rex, zu dessen Ressort auch Kirchenbauliches gehörte, setzte sein Pincenez auf und musterte. Sehr interessant. Ich setze das Portal in die Zeit von Bischof Luger. Prämonstratenser-Bau. Wenn mich nicht alles täuscht, Anlehnung an die Brandenburger Krypte. Also sagen wir zwölfhundert. Wenn ich fragen darf, Herr von Stechlin, existieren Urkunden? Und war vielleicht Herr von Quast schon hier oder Geheimrat Adler, unser bester Kenner?"

Dubslav geriet in eine kleine Verlegenheit, weil er sich einer solchen Gründlichkeit nicht gewärtigt hatte.Herr von Quast war einmal hier, aber in Wahlangelegenheiten. Und mit den Urkunden ist es gründlich vorbei, seit Wrangel hier alles nieder­brannte. Wenn ich von Wrangel spreche, mein' ich natürlich nicht unsern Mater Wrangel', der übrigens auch keinen Spaß verstand, sondern den Schillcr- schen Wrangel. . . Und außerdem, Herr von Rex, ist es so schwer für einen Laien. Aber Sie, Krippen­stapel, was meinen Sie?"

Rex, über den plötzlich etwas von Dienstlichkeit gekommen war, zuckte zusammen. Er hatte sich an Herrn von Stechlin gewandt, wenn nicht als an einen Wissenden, so doch als an einen Ebenbürtigen, und daß jetzt Krippenstapel aufgefordert wurde, das ent­scheidende Wort in dieser Angelegenheit zu sprechen, wollte ihn: nicht recht passend erscheinen. Ueberhaupt, was wollte diese Figur, die doch schon stark die Karikatur streifte. Schon der Bericht über die Bienen und na­mentlich was er über die Haltung der Königin und den Prinee-Consort gesagt hatte, hatte so merkwürdig anzüglich geklungen, und nun wurde dies Schul­meister-Original auch noch aufgefordert, über bauliche Fragen und aus welchem Jahrhundert die Kirche stamme, fein Urteil abzu­geben. Er hatte wohlweis­lich nach Qilast und Adler gefragt, und nun kam Krippenstapel! Wenn man durchaus wollte, konnte man das alles patriarchalisch finden; aber es mißfiel ihm doch. Und leider war Krippenstapel der zu feinen sonstigen Sonder­barkeiten auch noch den ganzen Trotz des Autodidakteil gesellte keineswegs angethan, die kleinen Uneben­heiten, in die das Gespräch hineingeraten war, wieder glatt zu machen. Er nahm vielmehr die Frage ,Krippenstapel, was meinen Sie' ganz ernsthaft ans und sagte:

Wollen verzeihen, Herr von Rex, wenn ich unter Anlehnung an eine neuerdings erschienene Broschüre des Oberlehrers Tncheband in Templin zu widersprechen wage. Dieser Grafschaftswinkel hier ist von mehr mecklenburgischem und uckermärki­schem als brandenburgischem Charakter, und wenn wir für unsre Stechliner Kirche nach Vorbildern forschen wollen, so werden wir sie wahrscheinlich in Kloster Himmelpfort oder Gransee zu suchen haben, aber nicht in Dom Brandenburg. Ich möchte hinzu- setzen dürfen, daß Oberlehrer Tuchebands Auf­stellungen, so viel ich weiß, unwidersprochen geblieben sind."

Czako, der diesen: aufflackernden Kampfe zwischen einem Ministerialasfessor und einem Dorfschulmeister mit größtem Vergnügen folgte, hätte gern noch weitere Scheite herzugetragen, Woldemar aber empfand, daß es höchste Zeit sei, zu intervenieren, und bemerkte: nichts sei schwerer, als auf diesen: Gebiete Bestimmungen zu treffen ein Satz, de:: übrigens sowohl Rex wie Krippenstapel ablehnen zu wollen schienen und daß er Vorschlägen möchte, lieber in die Kirche selbst einzutreten, als hier draußen über die Säulen und Kapitelle weiter zu debattieren.

Man fand sich in diesen Vorschlag, Krippenstapel