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Ueber ^and und Meer.
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legte sie jedoch nach dem Tode seiner zweiten Frau nieder und begann nun von neuem ein unstetes Wanderleben. Als Theaterleiter versuchte er sich vorübergehend nochmals in seiner Vaterstadt, gab dann aber jede feste Thätigkeit ans und lebte als Schriftsteller in verschiedenen deutschen Städten, namentlich in Graz. Den Abend seines Lebens verbrachte er in Breslau, wo er sich bei den Barmherzigen Brüdern in die Pflege gegeben hatte. Er starb daselbst am 12. Februar 1880 in seinem zweiundachtzigsten Lebensjahre.
Holtei verleugnet in keinem feiner Werke den geistvollen und gewandten Schriftsteller, aber er vermochte sich doch nicht zu der Höhe zu erheben, die für ein Dichtwerk erforderlich ist, das sich als ein bleibendes erhalten soll. Er geht nicht über die Richtungspunkte der Tagesströmung hinaus und wird darum von dieser davon-
seligkeit der dreißiger und vierziger Jahre, gegen die die litterarische Richtung des jungen Deutschlands sich auflehnte, und für die wir jetzt vollends kein Verständnis mehr haben. Von seinen Bühnenwerken erscheint heutzutage wohl nur noch die „Leonore" hie und da auf einer kleineren norddeutschen Bühne. Sie ist unstreitig die beste von Holteis dramatischen Arbeiten, weil sie, allerdings auch von der rührseligen Zeitstimmnng angekränkelt, den Weg zu einem gesunden und natürlichen Volksstück anznbahuen sucht. Was sich sonst auf der Bühne von Holteis Stücken erhalten hat, erhielt seine Lebensfähigkeit lediglich durch das Talent einiger großer Schauspieler, wie der Schwank „Die Wiener in Paris", der durch den genialen Dawison, und das Rührstück „Lorbeerbaum und Bettelstab", das durch die Kunstreisen Friedrich Haases lange Zeit gehalten wurde. Verdankt die deutsche Bühne dem Dichter auch keine lebensfähigen
Weise nach dem französischen Vaudeville gemodelt hat. Am nachhaltigsten hat Holtei unstreitig als dramatischer Vorleser gewirkt; als solcher war er, hierin der Schüler Tiecks, von wirklicher Bedeutung, zumal er dem deutschen Publikum durch das lebendige Wort die Kenntnis einer ganzen Reihe Shakespearescher Dramen vermittelte, denen die deutsche Bühne noch verschlossen war. Von der großen Zahl von Romanen, die Holtei geschrieben, erscheinen dem heutigen Leser wohl nur noch die „Vagabunden" genießbar. Ein Werk von großem und bleibendein Werte ist dagegen die unter dem Titel „Vierzig Jahre" in acht Bünden (1843—1850) erschienene Selbstbiographie, wenigstens in ihren ersten sechs Bänden. Der Dichter entwirft in ihr ein treffendes Kulturbild jener Tage, die wir jetzt in Deutschland die „vormärzliche Zeit" zu nennen pflegen, und zwar mit rückhaltloser Offenheit gegen andre und sich selbst. Als Lyriker nimmt er nur eine bescheidene Stelle ein; seine Dichtungen erheben sich, abgesehen von den in schlesischer Mundart gehaltenen, nur in seltenen Fällen über den Standpunkt des Gelegenheitsgedichtes. Der Dichter hat das übrigens selbst stets freimütig zugestanden, wie in den bescheiden-liebenswürdigen Versen, mit denen wir am besten den Rückblick auf seinen Lebenslauf schließen:
Für etwas Höheres hielt ich mich nie.
graphischer Länge (Paris) und 11 Grad 11 Minuten nördlicher Breite. Hierauf nimmt der Kernschatten eine ostsüdöstliche Richtung, passiert im Bogen Zentralafrika, den Indischen Ozean, kommt dann nach Vorderindien, von hier in das gebirgige Tibet (China), dann in die Wüste Gobi
Grad 2 Minuten östlicher geographischer Länge (Paris) und 45 Grad 49 Minuten nördlicher Breite die Erdoberfläche.
Nördlich von dieser krummen Linie, bis an die äußerste Grenze derselben im hohen Norden, breitet sich die partielle
Phasen äerlmsterniss in Aiil-ioh.kerhnlOien. 32.1an.1898
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Finsternis ans, das heißt, die Sonne ist hier in Bruchteilen ihres Durchmessers (4^, V 4 und so weiter) verfinstert, je nach der Entfernung eines Ortes von der Bahn des Kernschattens. Diese partielle Finsternis herrscht auch südlich von dieser Bahn bis an die äußerste südliche Kurve, die Südafrika, den Indischen Ozean und die Insel i ist eine kürzere, das heißt, die Phase 0,25 spielt sich vor Sumatra schneidet. Der Unterschied zwischen diesen beiden ^ Sonnenaufgang ab. Jene Orte, die östlich von Zürich liegen, Arten der partiellen Finsternis besteht darin, daß im Norden ^ haben ebenfalls die gleiche Phase, aber die Zeit der Beobachtung
ist eine längere, das heißt, die Phase 0,25
^ Finnischen Meerbusen, das äußerste westliche Rußland, Polen, i Ungarn, Istrien, schneidet Mittelitalien, und geht dann über ! das Mittelländische Meer nach Afrika. Auf dieser Strecke i geht die Sonne in dem Moment auf, da die Finsternis I die Mitte ihres Verlaufes erreicht hat. Die Bewohner j dieser Strecke sehen schon etwas mehr von der Sonnen- ' finsternis als diejenigen der ersten Strecke. Nun betrachten ! wir die dritte geschwungene Linie. Diese beginnt ebenfalls ! bei Nowaja Semlja, geht dann über Westrnßland, schneidet ! die Tiirkei und Griechenland fast in der Mitte und nimmt j dann den Weg über das Mittelländische Meer nach Ost- ! afrika. Auf dieser Strecke geht die Sonne in dem Moment ans, wo die Finsternis beginnt. Die Bewohner dieser
oder geringer ist, je nachdem der betreffende Ort der Hanptlinie k N näher oder entrückter ist. Im Punkte K, geht die Sonne total verfinstert auf.
Was die zweite, kleinere birnförmige Figur (rechts) anbetrifft, so vollzieht sich hier derselbe Vorgang, aber in umgekehrter Ordnung. Auf der äußersten Kurve beginnt die Finsternis im Momente des Sonnenunterganges. Auf der Mittellinie geht die Sonne teilweise verfinstert unter, der ! Verlauf der Eklipse ist zur Hälfte vollbracht. Auf der ge- ! schwnngenen Linie dagegen endigt die Finsternis bei Sonnenuntergang. Im Punkte Ä geht die Sonne total verfinstert unter.
Nun kehren wir wieder zur Betrachtung der partiellen Finsternis in Europa mit besonderer Berücksichtigung der ^ Schweiz, Deutschlands und Oesterreich-Ungarns zurück. Wir sehen, daß diese Ländergebiete zwischen der äußersten Kurve und der Mittellinie liegen. Je östlicher eine Stadt von der genannten Kurve entfernt liegt, um so früher geht die Sonne bei fast gleicher Phase der Verfinsterung auf. Diese Phase ist aber größer in allen jenen Städten, die südöstlich, und kleiner in allen jenen Städten, die nordöstlich von
Ausgangspunkt für die Schweiz, so geht die Sonne hier am 22 . Januar verfinstert auf, das heißt, es fehlt von der Sonnenscheibe (wie Figur I in der Zeichnung zeigt) der südliche Ausschnitt: man nennt das die Größe
der Phase; sie beträgt für Zürich in Teilen des scheinbaren Sonnendurchmessers 0,25. Von da ab tritt der Mond immer mehr aus der Sonnenscheibe, wie Figur II und III es illustrieren. Der Austritt des Mondes erfolgt um 7 Uhr 30 Minuten Züricher Zeit. Alle jene Orte, die westlich von Zürich liegen, haben mit Bezug auf den Sonnen- dnrchmesser die gleiche Phase, aber die Zeit der Beobachtung
Die totale Sonnenfinsternis
am 22. Januar 1898.
^Es ist zu bedauern, daß die Totalität der ZW bevorstehenden Sonnenfinsternis in Gegenden eintritt, die den europäischen Kulturländern so weit entlegen sind. Den Sternwarten Europas ist es diesmal nicht möglich, Expeditionen nach jenen fernen Gegenden zu senden, die einerseits in den unzugänglichen Wüsten Zentralafrikas, andrerseits in den
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Ferner bemerkt man zu beiden Seiten der gezeichneten Figur zwei ungleich große birnförmige Flächen. Betrachten von wilden Stämmen bewohnten Theilen Indiens liegen, j wir die größere (links); sie besteht aus drei Linien. Die Es bleibt lediglich den Engländern Vorderindiens über- erste geht von Nowaja Semlja über Finnland, den Botni-
lassen, Beobachtungen anzustellen, aber diese haben bei weitem nicht jenen wissenschaftlichen Wert, den eine wohlorganisierte, mit allen modernen Mitteln ausgestattete Expedition des europäischen England haben würde.
Beistehende Zeichnung ist eine geographische Darstellung all jener Gebiete, in denen die Sonnenfinsternis überhaupt sichtbar ist. Wegen der Krümmung der Erdoberfläche bildet die Gesamtfignr der Eklipse keine Kreisfläche, sondern eine in die Länge gezogene Ellipse. Die mittlere, stärker auf- getragene Linie II N bezeichnet den Weg, den der Kernschatten des Blondes nimmt. Man sieht, derselbe beginnt im Sudan (Afrika) in 7 Grad 18 Minuten östlicher geo
Ostsee, Nord- und Mitteldeutschland, das südöstliche Frankreich und die Ostküste Spaniens nach Afrika, das im Westen durchschnitten wird. Alle Orte, welche auf dieser Linie liegen,
nis überhaupt zu Ende ist. An allen jenen Orten aber, die östlich von dieser Linie liegen, findet das Ende der Finsternis nach Sonnenaufgang statt. Also in der Schweiz, Oesterreich- Ungarn, Deutschland, Oberitalien, im Valearenmeer und in Afrika geht die Sonne teilweise verfinstert auf. Nun betrachten wir die Mittellinie der genannten bimförmigen Figur. Auch diese beginnt bei Nowaja Semlja, geht dann über den
tritt nach Sonnenaufgang ein. Anders wieder verhält cs sich mit jenen Orten, die südlich von Zürich liegen: hier ist die Phase größer als 0,25, und auch die Zeit der Beobachtung ist eine längere; dagegen ist in jenen Orten, die nördlich von Zürich liegen, die Phase kleiner als 0,25 und die Beobachtnngszeit eine kürzere.
Nun betrachten wir Berlin, welche Stadt wir als Ausgangspunkt für Deutschland nehmen. Auch hier geht die Sonne teilweise verfinstert auf. Die Größe der teilweisen Verfinsterung ist (da Berlin in höheren Breiten liegt als Zürich) 0,17 des Sonnendurchmessers. Die Phase ist in der Zeichnung auch entsprechend kleiner als die in Zürich. Was die andern Orte in Deutschland anbetrifft, so gilt dieselbe Regel für die Beurteilung der Phase und der Zeit der Beobachtung wie für die Städte der Schweiz.
Auch in Wien geht die Sonne verfinstert aus. Diese Stadt liegt südlicher als Berlin und nördlicher als Zürich. Die Phase der Eklipse ist in Wien 0,23 des Sonnendurchmessers. Der Austritt des Mondes erfolgt hier um 8 Uhr 29 Minuten Wiener Zeit. Die Beobachtungszeit umfaßt nahezu 45 Minuten.
Schließlich erübrigt nns noch, die Zeit anzugeben, in der die Sonnenfinsternis überhaupt auf der Erde sich abspielt. Der Beginn der Finsternis im allgemeinen, das heißt die erste Berührung des Halbschattens mit der Erde, füllt auf 4 Uhr 55 Minuten morgens (Pariser Zeit), der Beginn der Totalität auf 5 Uhr 58 Minuten morgens, der Anfang der zentralen Finsternis (das ist das scheinbare Zusammentreffen des Mondmittelpunktes mit dem Sonnenmittelpunkt) auf 5 Uhr 58 Minuten morgens. Die zentrale Finsternis im wahren Mittag (das heißt die Finsternis zur Zeit der Meridianpassage der Sonne) fällt ans 7 Uhr 47 Minuten morgens in 66 Grad 16 Minuten östlicher geographischer Länge (Paris) und 12 Grad 53 Minuten nördlicher Breite. Die zentrale Finsternis endigt um 8 Uhr 59 Minuten morgens, die Totalität nm dieselbe Zeit (aber um 18 Sekunden später). Das Ende der Finsternis überhaupt findet um 10 Uhr 2 Minuten vormittags (Pariser Zeit) statt. Josef R. Ehrlich.