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hatte sie's. llberhaupt, es war 'ne pfiffige Kröte, was sonst die Dicken eigentlich nich sind. Aber immer gnt nn kein Neidhammel nn gab immer was ab."
Während dieser Rede, die sich nur halb an Stine richtete, war die mitten auf dein Sofa stehende Witwe mit Ge- raderncknng dreier Bilder beschäftigt und trat, als sic damit fertig war, vom Sofa her bis an die Thürschwelle zurück, um von hier aus noch einmal alles überblicken und sich von dem Gelungensein ihres Arrangements überzeugen zu können. Wegen solcher Dinge gelobt zu werden, war ihr, bei ihrer im Grunde genommen ganz auf Wirtschaftlichkeit und Ordnung gestellten Natur, ein wahres Herzensbedürfnis, und wenn sie je zuvor einen Anspruch auf ein dafür einzuheimsendes Lob gehabt hatte, so sicherlich hellte. Alles was aus dem ihr zur Verfügung stehenden Material gemacht werden konnte, war daraus gemacht worden und ließ wenigstens momentan übersehen, wie sehr und zum Teil auch in wie komischer Weise sich die hier ausgestellten Sachen untereinander widersprachen. Ein Büsfett, ein Sofa und ein Pianino, die, hintereinander weg, die von keiner Thür unterbrochene Längswand des Zimmers Annahmen, hätten auch bei „Geheimrats" stehen können; aber die von der Pittelkow eben gerade gerückten drei Bilder stellten das im übrigen erstrebte Ensemble wieder stark in Frage. Zwei davon: „Entenjagd" und „Tellskapelle" waren nichts als schlecht kolorierte Lithogrnphieen allerneuesten Datums, während das dazwischen hängende dritte Bild, ein riesiges, stark nachgeduukeltes Olporträt, wenigstens hundert Jahre alt war und eineil polnischen oder litauischen Bischof verewigte, hinsichtlich dessen Sarastro schwor, daß die schwarze Pittelkow ill direkter Linie von ihm abstnmme. Gegensätze wie diese zeigten sich in der gesamten Ziuunereinrichtuug, ja schienen »lehr gesucht als vermieden zu sein, und während sich an einem der Wandpseiler ein prächtiger Trumeau mit zwei vor- springenden goldenen Sphinxen breit machte, standen auf dem Bücherschrank zwei jämmerliche Gipsfigureu, eine Polin und ein Pole, beide kokett und in Nationaltracht zum Tanz an setzend. Am interessantesten aber präsentierte sich der eben erwähnte Bücherschrank selbst, dessen vier Mittelfächer leer waren, während auf seinem obersten Brett zwölf prachtvoll in Leder gebundene Bände von Hunw 8 Ilmtm-v ob ckmxchmck und achtzehn Bünde Oeuvre <>6 brecköric kc (lr:wck stall
den ulld einen wundervollen Gegensatz zu dem „Berliner Pfennige magazin" bildeten, das, in zwei Haufen übereinander getürmt, unten im Schrank lag. All dies Einrichtnngsmaterial, Kleines lttld Großes, Kunst lind Wissenschaft, war an ein und demselben Vormittage gekauft und mittels Handwagen, der ein paarmal fahren mußte, voll einem Trödler in der Mauerstraße nach der Jnvalidenstraße geschafft worden. Alls die vor allem verwunderlichen französischen nnd englischen Prachtbände hatte der, aus dessen Mitteln dies alles kam, eigens und mit besonderein Nachdruck bestauden, „auf daß," wie er sich in seiner spöttisch huldigenden Weise auszudrücken liebte, „die Welt erfahre, wer Pantine Pittetkow eigentlich sei."
Das waren die Schätze, die jetzt, von der Thür her, einer letzten Musterung unterworfen wurden, lind als schließlich auch noch die Fransen des vor dem Sofa liegenden Brüsseler Teppichs gerade gezupft waren, sagte die Pittelkow: „So, Stine, nn komm, nn kocheil wir uns einen Kaffee, das heißt einen
amtlichen. Und Olga holt uns was dazu. Willst Du Streichet oder bloß mit Zucker und Zimt?"
„Ach, Pauliue, Du weißt ja ..."
„Na, daun Streichet . . . Olga."
Und diese, die, weil die Thür anfstand, jedes Wort ge hört lilld sich nur zum Schein, aber eben deshalb auch um so zudringlich-liebevoller mit dem „Brüderchen" beschäftigt hatte, stürzte jetzt, wie besessen, aus der Hinterstube nach vorn und war ganz Ohr und Auge.
„Da, Olga. Nu geh. Aber von Katzfnß, nich von Zachow. Und nasche nich wieder uu rede nachher von Krümel."
„Ulld nn, Stine," fuhr die Pittelkow fort, während Olga verschwand und das längst blankgewordeue Treppengeländer im Nu heruuterrutschte, „uu wird's auch wohl Zeit, uus feiu zu machen. Aber komme nich wieder in Deinem grünen Kamlvtt. Du weißt, so was kann er nich leideil. Und so lang es so is, wie es is, muß mau doch machen, was er will. Und denn bringt er ja auch das ausgepuste Ei mit. Ulld die kenu' ich, die verlangeil immer am meisten, und wenn's weiter nichts is, wollen sie wenigstens was sehn un Augen machen. Und das weiß auch die Wauda. Paß mal auf, die kommt wieder mit's schwarze Sammtkleid und 'ne Rose vorn. Ich muß immer lachen."
Und wirklich, Wauda kam in schwarzem Sammet lind sah sehr stattlich aus. Ihr Kopf hatte nichts von der frappierenden Schönheit ihrer alteil Schul- und Jugendfreundin, aber an „Pli" war sie dieser, wie die Pittelkow selbst zugestaud, sehr überlegen. „In Pli kann ich gegen Elisabetten nich an." Das war die letzte Rolle, worin sie Wauda gesehen lind bei nah widerwillig bewundert hatte.
„Ah, Wandn," so begrüßte sie jetzt die Freundin, „das is nett, daß Du da bist; immer pünktlich."
„Ja, liebe Pantine, das is sv bei uns, das lerneil wir wie die Soldaten. Wenn's Stichwort fällt, müssen wir vor und wenn's das Leben kostet."
Die Pittelkow lachte herzlich, was sie jedoch nicht abhielr, Wauda mit einer gewissen Feierlichkeit in den rechten Sofaplatz hinein zu komplimentieren. Stine, die sehr gut allssah und auf Wunsch der Schwester ihr getüpfeltes „Perlhuhnkleid" an- hatte, sollte sich neben Wauda setzen, bestand aber hartnäckig ans ihrem Willen und nahm einen Lehnstuhl der Schauspielerin gegenüber. Zwischen beiden stand ein Rieseubouquet, das im Jnvnlidenhausgarten für diesen Festabend geschnitten worden war: ein Dutzend Rosen, aus deren Mitte hohe Feuerlilien aufwuchsen. Wauda, die riechen wollte, bückte sich zu tief hinein llnd machte sich dadurch einen gelben Bart, was Pantinen ungemein amüsierte. Sogar Olga wlirde herbeigernfen. „Sieh, Olga, sieh, Tante Wandn hat '»en Schnurrbart, lind was für einen! Ihr sollt mal sehn, Kinder, der junge Graf hat gar keinen."
Jil diesem Allgenblick wurde die Klingel gezogen, lind die Pittelkow ging, um in Person zu öffnen. Stine folgte, weil sie nicht sitzen bleiben und großartig die Dame spielen wollte, Wandn dagegen, im Vollgefühl dessen, was sie sich und der Kunst schuldig sei, rührte sich nicht vom Fleck lind thronte weiter. Erst als der Besuch eintrat, erhob sie sich nnd erwi derte leichthin den Gruß der beiden älteren Herren, während sie vor dein jungen Grafeil eineil Hofknix machte.