Heft 
(2020) 109
Einzelbild herunterladen

Der»jüdische Fontane« Muhs 87 Menschen wurden ge­boren, und es spielte sich ab, wie es sich ab­spie­len musste, und wenn es sich anders ab­ge­spielt hätte, so wäre das sehr selt­sam gewesen. Hen­riette und der blonde Heinz wussten, daß alles ver­gebens und umsonst sei, und deshalb ward alles so, wie es ge­wor­den ist, und nur manch­mal noch sah man den blassen Onkel Ephraim bei Josty oder bei Schil­ling eine Torte ver­zeh­ren oder eine Scho­ko­la­den­speise mit einer ein­samen Träne im Auge. 37 Nur wenige Jahre später ob in Unkenntnis oder Imitation des Bänd­chens von Twar­dow­ski/Seeler ist nicht zu ermitteln veröffentlichte der österrei­chische Schriftsteller Robert Neu­mann, der sei­n­ e Fertigkeit Mit fremden Fe­dern zu schreiben nach der Rückkehr aus dem Londoner Exil in der Ham­burger ZEIT fortsetzen sollte, 1927 eine weitere Georg-Her­mann-Persiflage. Unter dem Titel Der Sturz wird zweimal ein Skiunfall beschrieben, zu­nächst behäbig-gravi­tätisch nach Art Thomas Manns und dann, in amüsantem Kontrast dazu, à la Georg Hermann: Viel­leicht wäre alles anders ge­kom­men, wenn damals die schöne Mo­distin von Oranien­straße das Geld der kranken Rie­ke ge­ge­ben hätte, statt damit nach Par­ten­kirchen zu fahren. Aber so kam es, wie es kom­men mußte, und als sie mit einem kleinen Zucken im Herzen auf ihren ge­borg­ten Skiern den Ab­hang hin­un­ter­glitt, da hätte auch der Krämer Senneke von Ecke Hallesches Tor, bei dem sie abends die Wurststulle holte, sie nicht mehr erkannt. So schmerz­lich bleich ver­klärt war sie. Und da ahn­te keiner, daß es nur der los­gegangene Knopf der Re­formhose war, der ihr Angst machte. Doch dann ge­schah es eben, wie es eben ge­schah, und wer weiß, wie es noch ge­kom­men wä­re, wenn ihr nicht der Mann von der Schutzhauskantine mit dem dollen süd­deut­schen Namen in seiner ul­kigen Sprache zu­gerufen hätte, sie solle sich vor­se­hen. Aber da war es zu spät, und da war nichts mehr zu än­dern. Sie stürzte, und wäre sie nicht gestürzt, so wäre das sehr ver­wund­ er­lich ge­wesen. Es wurde Tag und es wurde Nacht und es wurde wie­der Tag, die Tram­bahnen bim­mel­ten, und dann wurde es Sommer und wie­der Win­ter und nur manchmal an klaren Aben­den konn­te man Auguste noch begegnen, wie sie zur Station Ora­nienstraße der Ring­bahn hinauf­stieg, aufrecht, doch mit der einsamen Bleich­heit der Erin­ne­rung auf den Zügen. 38 Eine Parallele anderer Art zwischen Georg Hermann und Thomas Mann zog die lange vor 1933 in vielen Auf­lagen ver­breitete völ­kische Litera­tur­ge­schichte von Adolf Bar­tels, der Jett­chen Ge­bert wie folgt charakterisiert: Das Werk ist mit Manns»Budden­brooks« viel­leicht die beste Leistung der Fon­ta­ne-Schule, doch bieder­meiert Hermann ein bißchen zuviel, die Stim­mung des Romans ist so­zusagen vielfach»anti­qua­risch«, und die Men­schen sind zu­letzt nicht voll überzeugend her­ausgekommen. Darüber ließe sich rechten, wenn der mili­tante Anti­semit nicht fortführe: Das Ju­den­t­um schil­dert Her­mann im ganzen echt, manc­ he Dinge, die,