Fontanes Fronde gegen Manteuffel Muhs 47 Mehr Bittgesuch als Protestschreiben also, doch enthält auch das zeitgenössische Aktenstück, obwohl es weder durch Rechtfertigungsbemühungen noch durch Erinnerungsfehler entstellt ist, nicht die ganze Wahrheit. 11 Zumindest läßt sich sein voller Sinn aus dem Text allein nur schwer erschließen. Der Kontext, und damit die Sache, um die es geht, wird erst im Lichte von Fontanes Alterserinnerung recht verständlich. Die Herbstkrise von 1850 Ein Bündel aus internationalen Konflikten, Spannungen im Verhältnis zu anderen anderen deutschen Staaten und innenpolitischen Streitfragen sorgte im Herbst 1850 für schwere Auseinandersetzungen innerhalb der preußischen Führung über den weiteren Kurs für die postrevolutionäre Ära. Nach Ablehnung der parlamentarisch konzipierten Frankfurter Kaiserkrone hatte Berlin seit dem Frühjahr 1849 das Projekt einer kleindeutschen Staatenunion auf dem Wege der Fürstenvereinbarung verfolgt, nicht zuletzt um sich der Unterstützung des liberal-nationalen Bürgertums bei Unterdrückung der radikalen Demokratie zu versichern. Das bedingte Vertrauen der Öffentlichkeit in die deutsche Politik der Regierung Brandenburg-Manteuffel geriet jedoch ins Wanken, als Preußen unter dem Druck der europäischen Großmächte im Sommer 1850 einen Friedensvertrag mit Dänemark abschloß, der Schleswig-Holstein seinem Schicksal preisgab. Dass Österreich in der Folge von Berlin ultimativ die Aufgabe aller Unionspläne verlangte, so fern einer Realisierung sie auch sein mochten, stellte die erschütterte Glaubwürdigkeit der preußischen Regierung auf eine neue Probe. Was jetzt in Frage stand, war, ob sich die Hohenzollernmonarchie jeden Anspruch auf eine Führungsrolle in Deutschland bestreiten lassen und kampflos eine Wiederherstellung des vormärzlichen Status Quo hinnehmen würde. Wie alle freiheitlich-national gesinnten Deutschen hatte Fontane das Ringen der Schleswig-Holsteiner um Selbstbestimmung seit dem Vormärz mit leidenschaftlicher Anteilnahme verfolgt. So verdächtig ihm jedoch im Frühjahr 1848 die Motive der preußischen Hilfestellung erschienen waren, so entschieden hatte er im Herbst die Berliner Entscheidung verurteilt, das Waffenstillstandsabkommen von Malmö zu unterzeichnen. 12 Als nach dem Friedensvertrag vom 2. Juli 1850 der Truppenabzug begann und die Elbherzogtümer ihren nunmehr aussichtslosen Kampf um Unabhängigkeit auf eigene Faust wiederaufnahmen, hatte der Dichter sogar mit dem Gedanken gespielt, selbst zu den Waffen zu greifen und»mit dem guten Recht jenes herrlichen Landes zu stehn oder zu fallen«. 13 Wie schon während der Märzerhebung 1848 – und wie überhaupt sein Leben lang, wenn es um Politik ging – hat Fontane letztlich aber doch die distanzierte, obzwar alles andere als neutrale Beobachtung einem aktiven Engagement vorgezogen. Statt als
Heft
(2020) 110
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten