Heft 
(2020) 110
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48 Fontane Blätter 110 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte Freiwilliger reiste er Ende Juli in journalistischer Absicht in Richtung Kriegsschauplatz, obgleich nicht ohne Gewissensbisse:»Ich werde dies und das hören und sehen, werde das Aufgepickte in ein Paar Zeitungsartikeln wieder von mir geben und mit dem koddrigen Bewußtsein heimkommen für die Schleswig-Holsteiner meine tapfre Feder gezogen zu haben.« 14 Nicht einmal dazu kam es jedoch 15 , denn noch in Altona, wo sich Fontane, weitab vom Schuß, vorläufig einquartiert hatte, erreichte ihn jener Brief, der seine Anstellung im Literarischen Kabinett zum 1. August 1850 aussprach, woraufhin er schnurstracks nach Berlin zurückkehrte. Wenn der Dichter allerdings gehofft hatte, dort Stimmung gegen Öster­reich machen zu können, wie es seiner Neigung entsprach, so hatte er sich getäuscht. Denn obwohl ressortmäßig noch nicht für Außenpolitik zustän­dig, wollte Manteuffel Preußen aus allen militärischen Verwicklungen her­ausgehalten wissen, um die Reaktion im Innern vorantreiben zu können. Aus diesem Grunde ließ er durch die ihm unterstellten Journalisten vor­sichtig den offiziellen Regierungskurs in Frage ziehen, der auf einen Kon­flikt mit Wien zulief. Auch Fontane mußte in diesem Sinne schreiben, wie ein vom 9. August 1850 datierter Artikel belegt, bei dem es sich zugleich um das einzige ein­deutig identifizierbare Produkt seiner Korrespondententätigkeit für das Li­terarische Kabinett handelt. Manteuffel, so heißt es da, werde mehr auf Klarheit und Entschiedenheit als auf kriegerische Entschei­dung dringen. Der Minister des Innern ist überhaupt ein bei weitem größerer Anhänger der Friedenspolitik, als es unsere Tagespresse wahr haben will. Weil er, am klarsten vielleicht, die Gefahren eines Krieges erkennt, glückt es ihm am ehsten seiner preußischen Kriegsneigung die Zügel anzulegen. Noch einmal: er will Entscheidung, aber nur im höchs­ten Nothfall eine Entscheidung durch Gewalt der Waffen. Aus diesen Sätzen spricht klar und eindeutig die amtliche Instruktion. Die verschlungene Gedankenführung in den nachfolgenden Passagen läßt al­lerdings durchblicken, wie schwer Fontane sich tat, die Strategie der Kon­fliktvermeidung gutzuheißen: Von allen Seiten werden Stimmen laut, den von Oesterreich in Hoch­muth und Ueberschätzung hingeworfenen Handschuh aufzunehmen: ›Krieg‹! fordern die preußischen Herzen am Niemen wie am Rhein. Wir sind keinen Augenblick im Zweifel darüber, wofür das Herz des Minis­ter v. Manteuffel sich seit lange entschieden hat, aber wir wissen auch, daß die letzten Jahre aller Gefühlspolitik das Urtheil gesprochen haben. Unsere Neigung mag den Krieg fordern, unsere Erkenntniß verbietet ihn. Es ist ein königliches Wort: ›dem Muthigen gehört die Welt‹; aber Preußen jetzt in einen Krieg verwickelt, dürfte schwerlich die Illustrati­on zu jenem Ausspruch liefern. Vergessen wir nicht, daß wir allein ste­hen; selbst zur Zeit des Siebenjährigen Krieges befand sich Preußen in