110 Fontane Blätter 110 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte Fontanes realer und fiktiver Welt . In: Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte 54(2003), S. 171–184, hier bes. S. 177 über Fontanes Begriff der »Geldsackmentalität«. – Freilich findet sich das Motiv vom Goldenen Kalb beim späten Fontane auch in durchaus antisemitischer Konnotation. Die entsprechenden Gedichte hat er aber nie veröffentlicht; vgl. Norbert Mecklenburg: »Ums Goldene Kalb sie tanzen und morden«. Philo- und antisemitische Gedichte des alten Fontane. In: Wirkendes Wort , Heft 3(Dezember 2000), S. 358–381. 61 Vgl. auch Norbert Mecklenburg: Theodor Fontane. Realismus, Redevielfalt, Ressentiment . Stuttgart 2018, S. 224–227. 62 Paradebeispiel: Frau Jenny Treibel , der»in Wahrheit nur das Kommerzienrätliche, will sagen viel Geld, das ›Höhere‹ bedeutet. Zweck der Geschichte: das Hohle, Phrasenhafte, Lügnerische, Hochmütige, Hartherzige des Bourgeoisstandpunkts zu zeigen, der von Schiller spricht und Gerson meint.«(An Sohn Theo, 09.05.1888). Dass gerade die Gersons selbst, deren Kaufhaus hier als Chiffre für die Konsumsucht der Bourgeois’ steht, von Fontane nicht der Bourgeoisgesinnung verdächtigt wurden, zeigt eine kleine Notiz Fontanes in der Vossischen Zeitung vom 08.08.1876 über »Frau Herrmann Gerson« und die Beerdigung des in Armut verstorbenen Dichters Julius Leopold Klein:»Männer und Frauen folgten[dem Sarg], einige zwanzig an der Zahl, unter ihnen Frau Herrmann Gerson, die, wie die Aufnahme des sterbenden Dichters in das jüdische Krankenhaus so nun auch sein Begräbniß auf dem katholischen Kirchhof freundlichhilfebereit vermittelt hatte. Wir sind längst daran gewöhnt, solche Liebesthaten fast nur noch von dieser oder verwandter Seite kommen zu sehn.« Zit. nach Theodor Fontane: Briefe an Georg Friedlaender , hrsg. von Kurt Schreinert. Heidelberg 1954, S. 342. Auch über den Bankier Bleichroeder ist bei Fontane nirgends eine anti-(finanz-)jüdische Spitze zu finden(vgl. Fleischer, wie Anm. 8, S. 96). – Jost Schillemeit wies darauf hin, dass es»keinen einzigen Beleg in Fontanes Briefen für die Rede von einem ›jüdischen Bourgeois‹ – oder gar von › dem jüdischen Bourgeois‹« gebe. Wohl aber sei es»umgekehrt charakteristisch für seinen Sprachgebrauch, daß diese beiden Begriffe ständig auseinandergehalten werden und immer wieder in einem merkwürdigen Nebeneinander auftreten.« Jost Schillemeit: Judentum und Gesellschaft als Thema Fontanes . In: Braunschweigische Wissenschaftliche Gesellschaft. Jahrbuch 1988, S. 29–44, Zit. S. 33. 63 An Emilie, 23.06.1883. – Auch in der Beurteilung»reicher Jüdinnen« wusste Fontane dezidiert von reichen»Bourgeoisbälgen« zu unterscheiden:»reiche Jüdinnen sind oft vornehm[...] Bourgeoisbälge nie .«(An Gustav Karpeles, 30.07.1881) 64 Das gilt z.B. auch für die RothschildStelle in Fontanes Brief an Lepel vom 27.07.1846, die weder eine»Kritik am Juden Rothschild« noch eine»Ablehnung des jüdischen ›Mammons‹« enthält (Fleischer, wie Anm. 8, S. 16). Im Zentrum dieser Briefstelle steht die von Fontane angeprangerte Verschwendungssucht des preußischen Königs; Rothschild habe weiteren Kredit nur unter Bedingungen gewährt, worauf die preußische Regierung mit einer Verfassungs-Farce reagiert habe. Fontanes Kritik richtet sich hier nicht gegen die an sich vernünftige Haltung des jüdischen Bankhauses. Diese Intervention des Bankiers erinnert vielmehr an das finanzrationalistische Agieren des»Privat-Conseils« im Money-lender .(Fontane an Lepel,
Heft
(2020) 110
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