Heft 
(2020) 110
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112 Fontane Blätter 110 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte Nomen est omen. Oceane von Parceval(1882) Oliver Sill In seinen postum erschienenen Glossen zu Fontane(1998) bemerkt Hans Blumenberg gleich zu Beginn, der»Dichter« Theodor Fontane habe in be­sonderer Weise die»bedeutungsträchtigen Namen« geliebt; Namen,»von denen kaum auszumachen« sei,» was sie bedeuten« 1 . Zu den rätselhaftesten, in ihrem Konnotationsreichtum kaum auslotbaren Namensschöpfungen Fontanes gehört zweifellos der Name Oceane von Parceval. Für ihn gilt al­lemal, was Blumenberg ergänzend hinzufügt:»Die Namen enthalten ein Motivpotential für das, was unter ihrer Ägide herankommt« 2 . Oceane von Parceval so lautet der Titel eines wohl im Jahre 1882 entstandenen Roman­fragments, in dessen Mittelpunkt eine Protagonistin gleichen Namens steht. Natürlich verweist der Name Oceane in erster Linie auf den Melusine­Komplex im literarischen Prosawerk Theodor Fontanes. Das aber ist längst noch nicht alles. I. Seit langer Zeit schon findet der Melusine-Komplex die besondere Aufmerk­samkeit der Forschung. Dabei steht jene Figur im Mittelpunkt des Interes­ses, die gewissermaßen den Schlusspunkt setzte unter eine vermutlich le­benslange Beschäftigung Fontanes mit dem Motiv der Meeres- oder Wassernixe: die Gräfin Melusine von Barby in Fontanes letztem Roman Der Stechlin(1899). Im zehnten Kapitel unterhalten sich Woldemars Regimentskameraden Rex und Czako über den alten Baron Barby und seine beiden Töchter. Seit ihrer Scheidung, so Rex, nenne»alle Welt« die ältere der beiden Schwestern »›nur noch bei ihrem Vornamen./ ›Und der ist?/ ›Melusine./ ›Melusine? Hören Sie, Rex, das läßt aber tief blicken.« 3 Der ›tiefe Blick‹ der Forschung in die Überlieferungsgeschichte des Melusine-Motivs reicht zurück bis ins Mit­telalter, genauer gesagt: bis in die Zeit um 1390. Melusine, ein weibliches