Heft 
(2020) 110
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Die Fontanes und»ihre« Französische Kirche  Seiler 131 Die Fontanes und»ihre« Französische Kirche Bernd W. Seiler Wer heute von Fontanes Zugehörigkeit zur Berliner Französischen Gemein­de hört, wird sicherlich zuerst an den Französischen Dom am Gendarmen­markt denken. Zusammen mit seinem Gegenüber, dem Deutschen Dom, und dem Schauspielhaus dazwischen bildet er eine so markante Berliner Stelle, dass sich jeder, der die Stadt auch nur als Besucher kennengelernt hat, leicht an sie erinnert. Zu Fontanes Zeiten jedoch ergab sich diese Zu­ordnung so selbstverständlich nicht. Die»Französische Friedrichstadtkir­che«, wie sie amtlich hieß und heißt, war nur eine von fünf Französischen Kirchen im Stadtgebiet. Neben ihr gab es die Friedrichswerdersche und die Dorotheenstädtische Kirche, beide bis 1841 sowohl deutsch-evangelisch wie französisch-reformiert genutzt, und es gab die Luisenstädtische Kirche und die Kirche in der Klosterstraße. Besonders diese, der»Temple de Ber­lin«, wie die französische Bezeichnung lautete, stand damals völlig gleich­rangig neben dem»Temple de Friedrichstadt«, und es war eben dies die Kirche, in der Theodor Fontane und seine Familie konfessionell verankert waren. 1. Die Französische Klosterkirche Erbaut wurde die Kirche schon 1726, nur zwei Jahrzehnte nach dem ersten französischen Kirchenbau in der Friedrichstadt, weil sich immer mehr Hu­genotten auch östlich der Spree, also in dem alten Berlin, ansiedelten. Die Kirche war ein unregelmäßiges Achteck mit einem hohen Dach, aber ohne Turm. Etwa 250 Personen fanden in ihr Platz, und wie immer in reformier­ten Kirchen mit ihrem besonderen Gemeinde-Verständnis glich das Innere eher einem Versammlungsraum als einer Andachtsstätte. Ganz zufrieden damit scheint Fontane allerdings nicht gewesen zu sein. Von der»weißge­tünchtesten aller Kirchen« hat er einmal gesprochen 1 , und nicht zufällig wohl findet in keinem seiner Romane der Besuch einer solchen Kirche je