Heft 
(2020) 110
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Die Fontanes und»ihre« Französische Kirche  Seiler 133 So unscheinbar, wie die Kirche im Inneren war, war sie es auch nach außen: sie war ein Hinterhaus. Vermutlich in dem Gedanken, späterhin Platz noch für einen Turm zu haben, hatte man sie von der Straßenfront etwas zurück­gezogen, dabei aber den ökonomischen Sinn der Gemeinde nicht bedacht. »Es war immer die häßliche Seite des Kalvinismus, so lebensklug zu sein«, heißt es in Unwiederbringlich zum lukrativen Betrieb calvinistischer Pensi­onate. 2 Mit den Jahren hielt man es nämlich für klüger, ein Wohnhaus auf die Freifläche zu setzen, und so war von der Kirche danach nichts mehr zu sehen. Wer vom Alexanderplatz her die Klosterstraße hinunterging, pas­sierte links das Graue Kloster mit seiner Kirche, erblickte links voraus die Parochialkirche, bemerkte aber nicht, dass rechts hinter den Häusern die Französische Kirche noch stand, weil sie nur durch einen Hausdurchgang erreichbar war. Auch bei diversen Umgestaltungen wurde das Haus beibe­halten und Anfang der 1880er-Jahre schließlich durch einen repräsentati­ven Neubau ersetzt, der endgültig nicht mehr vermuten ließ, welches Ge­bäude sich dahinter verbarg. 2. Die Kirchenkontakte von Fontanes Vorfahren Die aus Frankreich eingewanderten Hugenotten, von denen Fontane in der väterlichen wie der mütterlichen Linie abstammte, gehörten selbstver­ständlich der reformierten Glaubensgemeinschaft an, und wo deutsche Frauen in sie einheirateten, wurden sie oft ihrerseits Mitglieder dieser Ge­meinde. Eine Folge davon war, dass die französischsprachigen Gottes­dienste, die im 18. Jahrhundert noch die Regel waren, mehr und mehr durch deutschsprachige Gottesdienste ersetzt werden mussten. Im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts kehrte sich das Verhältnis dann schon um, es sollte zumindest e i n französischer Gottesdienst im Monat noch gewähr­leistet sein. Nach 1860 aber wurde auch das nicht mehr verlangt. Nur die Kirchenbücher wurden noch bis in das letzte Jahrhundertdrittel hinein auf Französisch geführt und auch die Namen französisch geschrieben, also Charles für Karl, Julienne für Juliane usw. Nach Einführung der standes­amtlichen Beurkundung 1874 ging aber auch das zurück. Ein Indiz für das Vordringen des Deutschen sind zudem noch die Handschriften. Statt der früher ausschließlich lateinisch geschriebenen Texte tauchen schon um die Mitte des 19. Jahrhunderts»deutsch« geschriebene Buchstaben und Wör­ter in den Einträgen auf, bis gegen Ende des Jahrhunderts Französisch überhaupt nicht mehr verwendet wird. Fontanes Großvater in der väterlichen Linie, Pierre Barthélemy Fontane, geboren am 3. Juni 1757, wuchs bereits deutschsprachig auf und heiratete auch deutsch, wollte für sich und seine Kinder aber bei der reformierten