Heft 
(2020) 110
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166 Fontane Blätter 110 Nachruf noch in den überfüllten Senatssaal drängten, um de Bruyns feingestrickten und lebensklugen Vortrag Altersbetrachtungen über den alten Fontane zu hören.»Überrascht hat mich übrigens das Presseecho«, bekannte de Bruyn selbst,»das bis in die entferntesten Provinzen reichte. Heute bekam ich ge­rade Glückwünsche, die auf Notizen in der Frankenpost und dem Wetzlarer Boten beruhten.« 14 Ein Jahr darauf verlieh ihm die Stadt Neuruppin ihren Theodor-Fontane-Preis. Freudiger und feuriger Laudator war Helmuth Nürnberger, Vorsitzender der Theodor Fontane Gesellschaft. 15 Der über das Alter bei Fontane sprach, wusste, worüber er redete und worin er sich selbst einzurichten hatte. Doch der Verzicht, den das auch be­deutete, wogen die Gegenstände, mit denen er sich in seinem Spätwerk be­schäftigte lange auf. Gäbe es vieles, was er gerne noch unternähme,»so lebt es sich mit Tieck, Schadow, Kleist usw. auch ganz gut.« Literarisches Leben um 1800 sei sein Thema,»gerade ist Jean Paul in Berlin auf Brautschau.« Zwei Bücher geben eindrucksvoll Zeugnis von dieser Schreibphase: Als ­Poesie gut. Schicksale aus Berlins Kunstepoche 1786 bis 1807(Frankfurt/ Main: S. Fischer 2006) und Die Zeit der schweren Not: Schicksale aus dem Kulturleben Berlins 1807 bis 1815(Frankfurt/Main: S. Fischer 2010). Es berührt, dass de Bruyn, parallel zu diesem großen Projekt, ein ande­res, nur scheinbar kleines in die schriftstellerische Tat umsetzte: Als ich lange krank war im Winter, habe ich mir eine genaue Beschrei­bung meiner hiesigen dörflichen Umwelt vorgenommen, natürlich auch mit geschichtlichen Rückblicken, eigentlich nur zum eignen Vergnügen, aber nun wird wohl doch ein kleines Büchlein daraus.»Abseits« soll es heißen.[] 16 Dieses»Büchlein« 17 nimmt eine Sonderstellung in seinem Werk ein und ist etwas Besonderes. Auf eine eher glanzlose Landschaft fällt ein Schein, der sie erhellt. Dieses Licht illuminiert nicht und verklärt nicht. Aber wer es liest, bekommt einen tiefen Begriff von dem, was seinen Verfasser ausmacht und seinen bleibenden Rang begründet. Dass dieser Mensch in seiner ernsten Freundlichkeit und seltenen Red­lichkeit nicht mehr lebt, ist traurig. Bedacht, vor der Welt zu bestehen und im Abstand zu ihr zu bleiben, gehörte Günter de Bruyn zu jenen vornehmen Schriftstellern, deren Umgangsformen anachronistisch erschienen und zeitgemäßer nicht sein konnten. So zeitlos das literarische Werk ist, das sie hinterlassen.