Heft 
(2020) 110
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Abschied von Günter de Bruyn  Berbig 165 wieder von einem weiß, der behauptet, Fontane würde die Anekdote nicht kennen denn bei ihm steht sie auch sehr entlegen, in einer Fuß­note zu einer Fußnote.[] 10 Mit der deutsch-deutschen Wende vollzog de Bruyn eine eigene in seiner literarisch-bevorzugten Arbeit. In ihr gesellten sich zu Marwitz weitere il­lustre Gestalten preußischer Provenienz: wie etwa Königin Luise, das Ge­schlecht der Finckensteins oder der Dramatiker Zacharias Werner. Land­schaften und Örtlichkeiten, die Fontanes Aufmerksamkeit gefunden hatten, fanden auch die de Bruyns. 1992 und 1993 erschienen Veröffentlichungen unter dem Titel Mein Brandenburg(mit Fotografien von Barbara Klemm), die die literarische Nähe zu dem verehrten Dichter spiegeln, aber sich nicht in ihm. Fontane blieb im Handgepäck, immer griffbereit. Der von Wruck schon Ende der achtziger Jahre initiierte»Fontane-Tag« am literaturwissen­schaftlichen Institut der Humboldt-Universität weckte de Bruyns Aufmerk­samkeit und fand seine Sympathie. Er nahm die Einladungen an und an den Debatten teil. Alles andere als besserwisserisch, frei von jenem Prominen­tenstatus, der ihm längst zugewachsen war. Als die Herbstereignisse des Jahres 1989 zur Verschiebung des zweiten Fontane-Tages nötigten, ermu­tigte er durch ein Zeichen anhaltenden Interesses:»[] lassen Sie sich in Eile von mir schnell sagen, daß ich auch zu dem neuen Termin kommen werde.« 11 Auch fortan blieb Günter de Bruyn Wegbegleiter der Fontane­Welt, wie sie sich nach Mauerfall zurechtrückte. Auf Distanz, die nicht ver­letzen wollte, bedacht, hatte er keine Bedenken, sich maßbewusst zu betei­ligen. Ost und West ›mischten‹ sich, er verfolgte es mit freundlichem Blick, der Befremdliches nicht übersah. Dass er Mitglied der im Dezember 1990 gegründeten Theodor Fontane Gesellschaft wurde, war ein ermutigendes Zeichen, und mit Ermutigung half er auch über die frühen Nöte dieser Ver­einigung hinweg.»Ihre Literatur-Gesellschaft-Enttäuschung ist auch die meine«, schrieb er November 1992.»Der ewige Widerstreit zwischen Ideal und Realität.« 12 Das tat der bekümmerten Vereinsseele gut, aber noch bes­ser taten die freundlichen Zusagen, sich auf Unternehmungen dieser litera­rischen Gesellschaft und des Universitätsbetriebs einzulassen. Wer in ei­nem schaukelnden Bus durchs Oderland mit de Bruyn als Reiseführer gefahren ist, wird das so gerne bestätigen wie die Studierenden, die ihn in einem Seminar zu den Wanderungen erlebt haben und noch viele Jahre spä­ter davon zu erzählen wissen. Ähnlich lag es, als an der Humboldt-Univer­sität im Fontane-Jahr 1998 eine Ring-Vorlesung angeboten wurde und ihr unbestrittener Höhepunkt sein Vortrag Märkische Musenhöfe oder Anmer­kungen zu einem von Fontane nicht ausgeführten Kapitel der» Wanderungen durch die Mark Brandenburg« 13 war. Ungeteilte Zustimmung löste die ihm im selben Jahr und an derselben Universität verliehene Ehrendoktorwürde aus. Nicht wenige mussten abgewiesen werden, die am 4. November 1998