Heft 
(2020) 110
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170 Fontane Blätter 110 Rezensionen Dieter Richter: Fontane in Italien. Mit zwei Städtebildern aus Fontanes Nachlass. Berlin: Wagenbach 2019. 142 Seiten. 18 Der wiederholte Schnitzer»Effie Briest« hätte einem aufmerksamen Lektor neben anderen Ausrutschern nicht entgehen dürfen. Doch mag eine solche Mäkelei beckmesserisch erscheinen angesichts des großen Vergnügens, das der kleine, liebevoll aufgemachte Band bereitet. Dieter Richter, Autor zu Recht vielgelobter Bücher über Italien und deutsch-italienische Kulturbe­ziehungen, gelingt es nämlich, Fontanes Italienerlebnisse und deren litera­rische Spiegelungen kenntnisreich, unterhaltsam und mitunter erfrischend respektlos zu präsentieren. Nach dem Muster der Grand Tour unternahmen Fontane und seine Frau Emilie vom 30. September bis 20. November 1874 eine Zugreise nach Italien, die sie nach Verona, Venedig, Florenz, Rom und an den Golf von Neapel führte. Ein Jahr später, vom 3. August bis 6. September 1875, zog es Fontane­noch einmal alleine in den Norden des Landes. Als Geburtshelferin des Massentourismus hatte die Eisenbahn das Reisen komfortabel und für brei­tere Kreise der Bevölkerung erschwinglich gemacht, wovon dank einer durchgehenden Verbindung von Berlin nach Neapel nicht zuletzt der deut­sche Italientourismus profitierte. Auch die Eheleute Fontane praktizierten touristische Gepflogenheiten. Das beginnt mit dem Sparpreisangebot ei­ner 50-tägigen Rundreise»durch die Hauptstädte Italiens«( 22), setzt sich fort mit dem Baedeker als ständigem Begleiter, und hört nicht damit auf, dass man fast ausschließlich Umgang mit Landsleuten pflegte und die loka­le Küche zugunsten von gastronomisch Bekanntem verschmähte. Indessen wurde das Wohlbefinden nicht nur durch Ungeziefer, Bettler und den Dieb­stahl von Fontanes Brieftasche getrübt, der zu einschlägigen Kommentaren über Land und Leute beigetragen haben dürfte. Fontane verfügte im Alter von 54 Jahren, als er mit seiner Frau Emilie in den Süden aufbrach, bereits über umfangreiche Reiseerfahrungen, hatte schon 1844 an einer organisierten Gruppenfahrt nach England teilgenom­men, kannte große Bereiche Nordeuropas und war als Autor der Wande­rungen, Kriegsberichterstatter und Analytiker des touristischen Reisens hervorgetreten. Was aber den überzeugten»Nordlandsmensch[en]«(7) und anglophilen Schriftsteller nach Italien führte Iwan-Michelangelo DAprile deutet das Unternehmen mit Wilhelm Vogt als den eiligen Versuch Fontanes,­sich für eine Stelle an der Berliner Akademie der Künste zu qualifizieren, bleibt letztendlich ein Geheimnis. Ohne Frage eröffnet sich hier jedoch ein spannungsreiches Thema, dessen verschiedene Facetten Dieter Richter be­leuchtet. Als arkadisches Sehnsuchtsland im Geiste Goethes kam Italien für Fontane nicht in Frage, wie er überhaupt als skeptischer Märker nicht zum Schwärmen neigte. Während seiner Reise hielt er seine Eindrücke in Notiz-