Heft 
(2020) 110
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Dieter Richter: Fontane in Italien  Ewert 171 büchern und Briefen fest, sicher nicht ganz ohne die Absicht, sie später in seinen Schriften zu verarbeiten. Immer wieder bringt er dabei vergleichend den Norden gegen den Süden in Stellung. Wohl nicht erst nach seiner Rück­kehr setzte sich die Einsicht durch, dass seine Zukunft nicht am Vesuv, son­dern an den Müggelbergen liege, nicht am Golf von Neapel, sondern an Spree und Havel. Schon gegen Ende der ersten Italienreise vermeldet er den Freunden Karl und Emilie Zöllner:»Ich komme preußischer zurück denn je« (82), oder mit den Worten Dieter Richters:»Die Reise in den Süden war die Kontrasterfahrung, die ihn zu sich selber brachte. Auch Fontane musste durch Italien hindurch nach Deutschland finden.«(ebd.) Unter dem Titel Ein letzter Tag in Italien hat Fontane ein einziges italie­nisches Reisefeuilleton in der Vossischen Zeitung veröffentlicht, eine iro­nische Schilderung eines kurzen Aufenthalts im verschneiten Florenz. Ver­schollen ist ein Konvolut mit zahlreichen Manuskripten zum Thema Italien, darunter auch eine umfangreiche Aufzeichnung über italienische Kunst und Malerei. Immerhin kann man Auszügen aus Abschriften entnehmen, dass das Thema Italien ihn auch noch nach seinen Reisen beschäftigte. An­gesichts der vergleichsweise dürftigen Quellenlage ist die erstmalige Ver­öffentlichung der beiden Städtebilder Pisa und Bologna im Anhang des Bandes umso mehr zu begrüßen. In nuce zeigen die beiden aus den Hand­schriften edierten Texte, wie man sich Fontanes mögliche italienische Rei­sefeuilletons vorzustellen hätte. Dass die Städtebilder erhalten geblieben sind, verdanken wir einem Glücksfall. Sie befanden sich im Besitz des Emi­granten H.H. Remak, der nach seiner Flucht aus Nazi-Deutschland als Pro­fessor für Germanistik und Vergleichende Literaturwissenschaft in den USA lehrte und sie 1993 dem Fontane-Archiv vermachte. Einmal mehr wird deutlich, wie die jüdische Emigration zur Rettung von Fontane-Zeugnissen beigetragen hat. Während sich Fontane in seinen Reisenotizbüchern Natureindrücken gegenüber eher reserviert verhält, etwa die außerordentliche Schönheit der Landschaftslinien auf der Strecke von Florenz nach Rom bemerkt, um rela­tivierend den Satz»Es heimelt nicht an« nachzuschieben(46), steht im Zen­trum seiner Italienwahrnehmungen wie könnte es anders sein die Kunst. Schwärmerei und Überschwang aber bleiben ihm auch auf diesem Terrain fremd.»Hat mich kalt gelassen« oder»Läßt mich ziemlich kalt«(52), lauten wiederkehrende Urteile. Wie einfühlsam und eigenwillig seine Kunstbeschreibungen dennoch ausfallen können, zeigt Dieter Richter an den Kommentaren zu Leonardo da Vincis Abendmahl, das Fontane im Rah­men seiner zweiten Reise in Mailand sah, einer Stadt, die er aufgrund ihrer modernen urbanen Kultur unter allen Orten Italiens am meisten schätzte. Ohne sich von Jacob Burckhardts Cicerone, der als Anleitung zum Genuß der Kunstwerke Italiens eine verbindliche Richtschnur bot, und dem Ruf von Leonardos Gemälde als Höhepunkt der Renaissancekunst beeindrucken zu