Heft 
(2021) 111
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Wie kleidet man Kriege ein?  Wolpert 63 reinigte. Und diese in den Mythos gebannte»Vorstellung der entsühnenden, kathartischen Kräfte des Lorbeers blieb über Jahrtausende als Sinnbild er­halten.« 56 Und eben als Symbol der Reinigung von vergossenem Blut wurde der Lorbeerkranz bei den Triumphzügen der Antike getragen und wandelte sich je mehr man nur noch das Sichtbare wahrnahm, nicht aber das tiefere Symbol dahinter verstand zunehmend in das bloße Symbol für Sieg und Triumph. Das vergossene Blut. Sühne. Wer hat es gewußt? Vermutlich weder die für die Gestaltung der Einbände Verantwortlichen noch der Autor selbst. 57 Doch auch was wir nicht wissen, geht in der Tiefe mit. 58 Am 16. April 1896 schreibt Theodor Fontane an den in Rom lebenden Freund Herman Wich­mann: 59 »Auffallend ist mir aber doch, dass das Alterthum dem Lorbeer eine so hohe Stellung angewiesen hat, er hat schönheitlich nichts Hervorragen­des, die Blüthe nun schon gewiss nicht. Wie erklärt sich diese Hochstellung? Oder ist an Ort und Stelle doch ein Maass von Schönheit da, das uns hier nicht zu Gesicht kommt? Oder ist die grosse Schlichtheit gerade die Schön­heit?« Herman Wichmann ist in seiner Antwort nicht auf den Mythos einge­gangen, kannte ihn vielleicht so wenig wie die meisten seiner Zeitgenossen und hat nur die Vermutung Fontanes bestätigt,»man müsste wohl Pflanzen dort sehen, wo sie heimisch wären, um sie treffend beurtheilen zu können.« 60 Ein kleiner Satz in der Antwort Theodor Fontanes 61 auf diese Erläuterung »was wir hier in Lorbeer und Myrthe leisten, ist schwach« benennt nun auf wundersame Weise das allgemeine Vergessen jenes tieferen kathartischen Sinnes des Symbols, ohne daß Fontane sich selbst dessen bewußt sein konn­te. Er hat es sicherlich anders nämlich im Sinne der Ehre, verbunden mit Schlichtheit und Schönheit gemeint, doch die Sprache weiß oft mehr als der Autor.