Heft 
(2021) 111
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118 Fontane Blätter 111 Dossier: Fontanes Der Krieg gegen Frankreich oder aufgebaute Skelett des Ereignisses weiß Fontane sehr wohl mit vollem frischem Leben zu bekleiden. Dazu bedient er sich gewiß mit Recht meist der Darstellungen von Augenzeugen. Für die Bilder aus dem Innern des bela­gerten Paris lieferten ihm besonders Sarceys und Labouchères weltbe­kannte Tagebücher eine reiche Fundgrube genauer und unbefangener Be­obachtungen und Naturstudien, für die Märsche und Kämpfe der deutschen Armeen die zahlreichen Aufzeichnungen der deutschen und englischen Kriegscorrespondenten und activ betheiligten Offiziere und Combattanten; für die Verhandlungen: die Staatsschriften beider Theile und die später her­ausgegebenen Memoiren und Veröffentlichungen, besonders französischer Staatsmänner und Commandeurs. In der Benutzung dieses Materials be­weist Fontane ebenso seinen feinen und sicheren Takt, wie die Schärfe und Unabhängigkeit seines Urtheils, welches sich durch keine von beiden, ihre Sache natürlich mit einer gewissen Einseitigkeit verfechtenden Parteien be­stimmt und in dem gewissenhaften Bestreben beeinträchtigen läßt, nur die Wahrheit festzustellen. Dieser Horror gegen die patriotischen Deklamatio­nen, gegen die hochmüthige Verächtlichkeit für den besiegten Gegner, wie gegen den blinden Zorn für den sich Wehrenden, die Unsern schädigenden Feind eine Eigenschaft, welche nur Fontanes Buch zur Ehre der deutschen Heeresleitung, ja auch das Generalstabswerk so rühmlich theilt, während sie fast alle von Nichtmilitairs geschriebenen populäreren Kriegswerke nur zu sehr vermissen lassen, er berührt jeden feinern Sinn außerordentlich wohlthuend durchweg in unsres Kriegshistorikers Darstellungen. Auch in diesem neuen Bande hat er mit gleichem Geschick und glücklichstem Erfolg das in dem ersten so bewährte Mittel angewendet, um der, trotz aller Klar­heit nie ganz genügenden, Darstellung von Marsch- und Kampfoperationen wie von Truppenaufstellungen durch das Wort, wirksam zu Hilfe zu kom­men: die in den Text gedruckten, von ihm entworfenen, im Holzschnitt her­gestellten kleinen Pläne. Mit einem Blick wird dem Leser durch sie die Situ­ation so verständlich und so genau anschaulich gemacht, wie es durch die eingehendste mühsamste Auseinandersetzung derselben nicht gethan wer­den könnte. Alle gewohnten fachwissenschaftlichen Schlachtpläne geben für den Laien immer zu viel, eine Menge überflüssigen, verwirrenden De­tails. Hier aber ist Alles, nicht durchaus zur Sache, um die es sich gerade handelt, Gehörige ausgeschieden. Dadurch sieht der Leser sich unmittelbar auf das gewiesen, worauf es ankommt, und das prägt sich ihm durch diese einfachen Grundlinien der Action für immer ein. So viele derartige Plan­skizzen(es sind ihrer 14 in diesem Halbbande), so viele Beweise dafür. Ge­spannt sind wir auf die nächste Partie des Werkes. Sie muß ja wohl die Win­terkämpfe mit den verschiedenen Loirearmeen, mit Garibaldis und Bourbakis Corps behandeln. Jene Meisterschaft im Klarlegen des Verwi­ckeltsten wird durch diesen chaotisch verknäulten Theil der Geschichte des Krieges gegen die französische Republik wohl auf die schwierigste Probe