120 Fontane Blätter 111 Dossier: Fontanes Der Krieg gegen Frankreich 45. Anonym. In: Allgemeine Militär-Zeitung(Literaturblatt), 14. Oktober 1876. 46. Anonym. In: Militair-Wochenblatt, 23. Dezember 1876. Der Krieg gegen Frankreich 1870–71. Von Th. Fontane. II. Band: Krieg gegen die Republik. 2. Halbband: Orleans bis zum Einzuge in Berlin. Mit 104 Plänen in Holzschnitt. Berlin 1876, Verlag der Königl. Geh. Ober-Hofbuchdr.(R. v. Decker.) 1028 Seiten. Preis: M. 11,50. Das mit diesem Theile vollendete Werk verdient eine hervorragende Stelle in unserer kriegsbelletristischen Literatur. Er ist so fließend und schön geschrieben wie Alles aus Fontane’s Feder, die Darstellung der militairischen Begebenheiten klar, korrekt und übersichtlich, das Urtheil maßvoll und sachlich begründet. Der Aufgabe des Verfassers gemäß ist die Erzählung durch eingestreute Bemerkungen über Kunst, Natur und Volksleben, durch im Einzelnen ausgeführte Schilderungen, durch pikante und sehr charakteristische Anekdoten geschmückt. Ich verweise nur auf den Abschnitt über Rouen, geschrieben am 8. Dezember, und die Bemerkungen über die Denkmale der Jungfrau von Orleans, welche 1431 hier verbrannt wurde, sowie der Diane von Poitiers, Geliebten des Königs Heinrich II. Die Kirche der Abtei St. Ouen ist unendlich viel schöner als die überladene Kathedrale, ich halte sie für eine der schönsten Kirchen Nord-Frankreichs, das will sagen der Welt – die Sünden der letzten Renovirung geben dem herrlichen Bau freilich ein kaltes und kahles Ansehen. Sehr treffend ist das Urtheil über Gambetta, dem vielleicht noch ein großer Einfluß auf die ferneren Geschicke Frankreichs vorbehalten ist. »Er war die Seele des Widerstandes, und was bis Ende Januar seitens des französischen Volkes geleistet worden, war sein Werk. Ihn trifft die Schuld, ihn der Ruhm, je nach der Stellung, die der Beurtheilende einnimmt. Diejenigen, die in ihm nichts als einen mit Entschlossenheit, aber nur mäßiger Begabung ausgerüsteten Ehrgeizigen zu sehen im Stande sind, mögen ihn ihren Zorn oder ihre Verachtung empfinden lassen; in unseren Augen war er die einzige große Potenz, die das unterliegende Frankreich uns entgegenzusetzen hatte.« Gambetta, den Thiers un fou furieux genannt haben soll, hat nach dem Kriege soviel kluges und gewandtes Maßhalten gezeigt, als er während desselben gewaltsame, rücksichtslose Energie entfaltete. Konnte Frankreich siegen, so war es nur möglich, wenn alle Kräfte aufgerufen, alle Leidenschaften entfesselt wurden.
Heft
(2021) 111
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