Heft 
(2021) 111
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128 Fontane Blätter 111 Dossier: Fontanes Der Krieg gegen Frankreich selben erschienen sind, und mehr dem augenblicklichen, allgemeinen Inte­resse, als einem nachhaltigen und dauerhaften dienten, können es mit die­sem Geschichtswerk in so fern nicht aufnehmen, als ihnen unmöglich so reichhaltige Quellen zu Gebote stehen und auch die Gesichtspunkte mitten in der allgemeinen patriotischen Erregung nicht jene Objectivität bewah­ren konnten, welche nothwendig ist, um ein Geschichtswerk von dauern­dem Werthe zu schaffen. Mit der umfassenden Kenntniß des gewaltigen historischen Stoffs, wie er sich ganz beispiellos in dem großen Gange der Weltgeschichte in dem kurzen Zeitraume von kaum einem Jahre dem Ge­schichtsforscher darbot, muß sich zu solcher Arbeit die Gabe verbinden, den Stoff leicht und anregend so zu gestalten, daß in ihm alle Trockenheit der nackten historischen Thatsachen vermieden bleibt, daß der Leser nicht müde wird, von Blatt zu Blatt vorwärts zu schreiten, daß jede Situation durch die Frische und die geistige Gewandtheit der Sprache ihm anschaulich und interessant bleibt, daß er daher nimmer das Interesse verliert und in ihm, als schönste Frucht der Lecture, das erhebende Gefühl der Vaterlandsliebe und eines berechtigten, aber sich nicht überhebenden Stolzes über die Großtha­ten unseres Volks in Waffen und seiner großen Führer wach erhalten bleibt. Solche Zielpunkte sind schwer zu erreichen, wenn nicht eben die bis zu hin­reißender Beredtsamkeit steigerungsfähige Gabe des Erzählens in einem hohen Grade entwickelt ist. Wer diesen»Krieg gegen Frankreich« von Th. Fontane mit objectiver Aufmerksamkeit, d.h. einer solchen liest, die an die Lecture ohne Voreingenommenheit darüber geht, wie der Stoff vom Stand­punkte des Strategen zu behandeln sei, wie ihn der strenge Historiker für die Zwecke der Geschichte zu gestalten habe, der wird die vorstehend be­rührten Vorzüge, welche dem Laien ein solches Geschichtswerk populär zu machen im Stande sind, demselben unmöglich absprechen können. Th. Fon­tane offenbart in diesem Werke alle die Eigenschaften eines Schriftstellers, den man lieb gewinnt, weil er liebenswürdig zu erzählen weiß, ohne auf die Höhe seiner sich gesteckten Ziele flach zu werden, weil er anregend die Fül­le des Stoffs zu gruppiren und in dieser Fülle auch dem Nebensächlichen gerecht zu werden versteht. Am meisten schätzen wir aber an dem Werke jenen echten patriotischen Geist, der auch an dem Feinde die Vorzüge zu schätzen weiß, ohne seine Schwächen zu verbergen. Das erweisen in dem letzten Halbband die dem Dictator Leon Gambetta gewidmeten Worte. Die schönste Zierde eines Geschichtsschreibers, in der Enthüllung der Thatsa­chen und in der sie begleitenden Beurtheilung streng objectiv zu bleiben, hat sich Th. Fontane in makelloser Reinheit, und zwar in dem Grade gewahrt, daß selbst ein gebildeter Franzose das Werk lesen kann, ohne sich durch die in andern den großen Krieg behandelnden Büchern oft hervortretende Franzosenfresserei gekränkt zu fühlen. Man muß aber an dem ganzen Wer­ke auch den großen Sammelfleiß schätzen, der mit dem Eifer der Bienen Al­les zusammentrug, um es in seinen Fundamenten fest und klar hinzustellen