Heft 
(2021) 111
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Rezensionen zu Bd. 2.2 127 daß man es aber nur dann wahr schildern wird, wenn man nicht»Trouvère«, sondern»Dichter« ist. Fontane erfindet nicht, sondern er verdichtet; er ver­steht es, ein Gegebenes, doch auf weiten Raum Verstreutes unter einheitli­chen künstlerischen Gesichtspunkten zusammenzufassen, es rhythmisch zu gliedern und in die richtige Beleuchtung zu rücken, so daß alles Wesentliche scharf hervortritt und Charakter wie innerer Zusammenhang erkennbar werden. Und wenn diese schöne Gabe des Epikers den Verfasser bei Schlacht­und Gefechts-[S. 385]schilderungen unterstützt, so verherrlicht er einzelne historische Höhepunkte durch den Schwung und die Innigkeit seiner Lyrik. Rein sachlich genommen ist das Werk Fontanes allerdings nicht in allen seinen Theilen von ganz gleichem Werthe. Das ist begreiflich; denn der erste der vier starken Halbbände ist schon 1873, der letzte um die Jahreswende von 1876/77 herausgegeben worden. Die Quellen fließen für die verschiede­nen Perioden des Krieges überhaupt nicht gleich reichlich und sie waren zu Anfang trüber wie jetzt. Mag sich aber auch im Einzelnen der kritischen Forschung dies und jenes anders ergeben, als es hier dargestellt ist, mag da und dort ein Mißverständniß, ein Irrthum unterlaufen, mag nicht Alles zu­treffen, was der Autor über die Gründe einzelner Maßnahmen, über den ursächlichen Zusammenhang gewisser Ereignisse muthmaßt wesentlich sind diese unvermeidlichen Mängel nicht; wesentlich ist dagegen der Geist, aus dem heraus das Buch geschrieben ist: der Geist der Vaterlandsliebe und der Gerechtigkeit, der Wahrhaftigkeit und der Billigkeit; wesentlich sind das aufrichtige Studium, die einsichtsvolle Anordnung und die edle Kunstge­stalt des Ganzen. Die Vereinigung dieser sittlichen, wissenschaftlichen und künstlerischen Vorzüge erhebt Fontanes umfassendes Werk zu einem Volks­buche im besten und würdigsten Sinne des Wortes, und sie sind es, die ihm Dauer sichern werden. M. Jähns. *) Berlin 1873–76, Verlag der Kgl. Geh. Oberhofbuchdruckerei. 50. Anonym. In: Dresdner Journal, 19. Juni 1877. Literatur. Der Krieg gegen Frankreich 1870 bis 1871. Von Th. Fontane. II. Band. Der Krieg gegen die Republik. II. Halbband. Verlag der Oberhof­buchdruckerei(R. v. Decker). Mit dieser letzten und vierten Abtheilung ist nun das vaterländische Ge­schichtswerk beendigt. Zu seiner Vollendung hat der Verfasser einen Zeit­raum von drei Jahren, von 1873 bis 1876 gebraucht, eine verhältnißmäßig kurze Spanne Zeit, wenn man die Gediegenheit in Betracht zieht, mit wel­cher er das gewaltige Kriegsbild in all seinen einzelnen Zügen fixirt hat. Viele der Bücher, welche unmittelbar nach diesem großen Kriege über den-