Heft 
(1989) 48
Seite
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von dem sie ausgegangen ist. Fontane verstand sich nicht als Kunsttheoretiker, er fühlte sich, auf jeden Fall in Italien, als Rezipient. Also muß man ihm schon gestatten, seine Empfindungen und in dieser Zeit entstandenen Standpunkte ein­zubringen. Ob diese Gedanken stets kunsttheoretische Verallgemeinerungen sind, ist eine ganz andere Frage.

Zeit seines Lebens hat sich Fontane mit bildender Kunst auseinandergesetzt. Sie war oft Anlaß, seine Position als realistischer Schriftsteller mitzubestimmen. Irrtümer sind da nicht ausgeschlossen.

Im Alter fand er zu einer Definition, wie er den Realismus versteht. Er nähert sich in seinen Aussagen den Gedanken, die Friedrich Engels in seinen Briefen an Minna Kautsky 1885, später dann an Margaret Harkness 1888 exakt for­mulierte.

Fontane über Realismus: »Er ist die Widerspiegelung alles wirklichen Lebens, aller wahren Kräfte . .. Er umfängt das ganze reiche Leben, das Größte wie das Kleinste .. . den höchsten Gedanken, die tiefste Empfindung zieht er in seinen Bereich .. . Der Realismus will nicht die bloße Sinnenwelt . .., aber er will das Wahre." (NFA XXI/1, S. 13)

Im zweiten Teil der Arbeit widmet sich die Verfasserin den Beziehungen Fontanes zur Kunst Menzels. Sie arbeitet dabei heraus, daß Menzel sich einer relativ frühen Wertschätzung durch Fontane erfreute. Waren es in erster Linie die graphischen Arbeiten, Illustrationen zu Kuglers »Geschichte Friedrich des Großen", die Menzels öffentliche Anerkennung beförderten, Fontane geht in allen seinen vergleichenden Betrachtungen von den Ölbildern Menzels aus. Nach Fontanes Meinung war es das historische Bild, das »bahnbrechend und epochemachend" durch Menzel gestaltet wurde. (S. 22)

Es war nicht nur die persönliche Nähe, die Vereinsbrüderschaft, es war wohl mehr die »Seelenverwandtschaft", durch die sie sich trafen.

Menzels Arbeitsintensität, seine historische Genauigkeit und Treue im Detail, die Originalität der Bildfindung begeisterten Fontane.

Die Verfasserin belegt sein Urteil mit Aussagen zu sieben Bildern Menzels und macht verständlich, daß sich nicht nur Fontanes Kunstverständnis, sondern auch seine Auffassung von Realismus verfestigte. Allerdings bleibt die Autorin vor­wiegend bei der Beschreibung stehen, ohne zu eigenen Interpretationen zu ge­langen.

In der Zusammenfassung revidiert die Verfasserin die Vogtsche Auffassung über Fontanes Fähigkeiten in der Beurteilung von Kunst, zumindest gegenüber Menzel, als »zu eng gefaßt' (S. 46).

Der Wert dieser Arbeit liegt in der Tatsache, daß in gewisser Weise der Entwick­lungsverlauf des Fontaneschen Kunstverständnisses, das nicht ohne Irrtümer ein­herging, untersucht wird. Dies wurde durch ausgewählte Zitate belegt, die den Entwicklungsverlauf verdeutlichen helfen.

Die Studie von Mechthild Gransow ist eine gute Anregung zur weiteren Bearbei­tung dieses »weiten Feldes".

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